Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und den Tausenden Toten, die seitdem auf beiden Seiten beklagt werden, positionieren sich Staaten weltweit im anhaltenden Nahost-Krieg. Viele stellten sich auf die Seite Israels, andere verurteilten Israel und seine Angriffe auf den Gazastreifen – so auch Nordkorea.
Drei Tage nach dem Angriff beschuldigte Pjöngjang Israel, für die Eskalation des Konflikts verantwortlich zu sein. Dieser sei die "Folge von Israels unaufhörlichen kriminellen Handlungen" gegen das palästinensische Volk, zitierte die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap die nordkoreanische Zeitung "Rodong Sinmun", Propagandaorgan der Arbeiterpartei des Landes.
Auch in den folgenden Tagen und Wochen verurteilte Nordkorea Israel scharf. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA sprach von "israelischen Kriegstreibern" – und machte die USA mitverantwortlich für den Krieg, der "vollständig von den USA verursacht" worden sei. Die EU, von der KCNA als "treuer Beobachter ohne eigenes Denken und Prinzipien" bezeichnet, habe sich den USA angeschlossen.
Israel zeigt Waffen, die aus Nordkorea kommen sollen
Israel habe illegal palästinensische Gebiete besetzt und "unaufhörlich bewaffnete Angriffe, unmenschliche Tötungen von Zivilisten und den Ausbau jüdischer Siedlungen" durchgeführt, hieß es in einem KCNA-Kommentar.
Die südkoreanische Zeitung "The Korea Herald" berichtete am Mittwoch unter Berufung auf den Nachrichtendienst NIS in Südkorea, Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un mobilisiere Unterstützung für die Palästinenser. NIS-Direktor Kim Kyou-hyun habe gegenüber Parlamentariern erklärt, dass der nordkoreanische Staatschef vermutlich "eine breite Palette von Unterstützungsmaßnahmen" angeordnet habe. Dazu gehörten dem Bericht zufolge auch Waffengeschäfte mit militanten Gruppen.
Die israelische Armee hatte in der vergangenen Woche berichtet, dass die Hamas im Iran und in Nordkorea hergestellte Waffen benutze. Das israelische Militär zeigte Journalisten eine Reihe von Waffen, die in den von der Hamas am 7. Oktober angegriffenen Ortschaften im Süden Israels gefunden worden waren.

Darunter befanden sich laut Nachrichtenagentur AFP auch Mörsergranaten aus dem Iran und Panzerfaustraketen aus Nordkorea. Ein Vertreter der israelischen Streitkräfte sagte, fünf bis zehn Prozent der gefundenen Waffen seien im Iran hergestellt worden, weitere zehn Prozent in Nordkorea. "Der Rest wurde im Gazastreifen hergestellt".
Nordkorea weißt Berichte über Waffenlieferungen an Hamas zurück
Die südkoreanischen Zeitungen "Chosun Ilbo" und "Hankyoreh" hatten zuvor unter Berufung auf den Generalstab des Landes berichtet, Hamas-Kämpfer könnten von Nordkorea bewaffnet worden sein. "Der F-7-Raketenwerfer der Hamas, der bei dem Angriff benutzt worden sein soll, trägt denselben Namen, den Nordkorea für den Export seines Panzerabwehrraketenwerfers RPG-7 verwendet", so der Generalstab.
Auch Artilleriegranaten, die im Gazastreifen und an der Nordgrenze Israels zum Libanon gefunden worden seien, seien vermutlich in Nordkorea hergestellt worden, berichtete "Chosun Ilbo" weiter.
Laut "Hankyoreh" konnte der Generalstab jedoch keine konkreten Beweise für die Behauptungen vorlegen. "Es gibt keine Beweise, dass Nordkorea direkt Waffen an die Hamas exportiert hat. Aber es ist hinreichend wahrscheinlich, dass Nordkorea mit den Nachbarländern der Hamas Waffen gehandelt hat und dass diese nordkoreanischen Waffen aus diesen Ländern, die der Hamas nahestehen, in die Hände der Hamas gelangt sind", zitiert die Zeitung den Generalstab.
Kims große Propaganda-Parade – mit Russland als Ehrengast

Bereits rund eine Woche nach den Angriffen auf Israel hatte Pjöngjang Spekulationen über nordkoreanische Waffen bei der Hamas als "unbegründet" zurückgewiesen. Am Dienstag wurden diese Worte in ähnlicher Weise wiederholt, als der nordkoreanische Botschafter bei den Vereinten Nationen die Berichte als "unbegründete Gerüchte" zurückwies.
Pjöngjang will Verbündete für Anti-USA-Block
Die starke nordkoreanische Solidarität mit den Palästinensern erscheint auf den ersten Blick befremdlich, passt aber zur Anti-USA-Rhetorik der nordkoreanischen Staatspropaganda. Sowohl die Hamas als auch die Hisbollah im Libanon haben langjährige Verbindungen nach Nordkorea. Pjöngjang soll in der Vergangenheit Waffen geliefert und bei der Ausbildung militanter Kämpfer geholfen haben.
"Nordkorea verfolgt seit langem eine Politik der Stärkung des internationalen Anti-US-Blocks. Palästina oder die Hamas sind dabei nur ein weiterer Partner in diesem Bestreben", sagte Oh Gyeong-seob, Analyst am Korea Institute for National Unification, der südkoreanischen Zeitung "The Korea Times". In den Augen Pjöngjangs sei Israel nur eine "Marionette" der USA.
Analysten meinen jedoch, dass die Unterstützung Nordkoreas für die Palästinenser nicht viel bedeute und keinen praktischen Einfluss auf den Krieg zwischen Israel und der Hamas habe, schreibt die "Korea Times" weiter. Truppen, Waffen, Lebensmittel oder medizinische Hilfe wären zwar hilfreich, so Oh. Allerdings habe Nordkorea selbst nicht viel zur Verfügung und die harten Sanktionen seien zudem ein großes Hindernis.

Südkorea fürchtet Angriffe aus dem Norden im Stil der Hamas
Dennoch gibt es Befürchtungen, dass Nordkorea vom Krieg zwischen Israel und der Hamas profitieren könnte. So jedenfalls schätzt der Nachrichtendienst NIS laut "Korea Times" die Lage ein.
Nordkorea sehe in dem Krieg eine Chance, Waffen zu verkaufen, um den Sanktionen gegen das Land entgegenzuwirken. Mit den Waffenverkäufen könnte Pjöngjang die eigene Aufrüstung finanzieren, möglicherweise auch sein Atomprogramm.
Angesichts der schweren Sanktionen sei es "keine Überraschung", dass Nordkorea versuche, mit der Hamas, der Hisbollah oder anderen Terrororgruppen zusammenzuarbeiten, um Waffen zu exportieren, sagte Hong Sung-pyo, Forschungsanalyst am Korea Institute for Military Affairs, der "Korea Times".
Nach Angaben des NIS hat Nordkorea zudem seine Absicht bekundet, den Konflikt als Testfeld für seine Waffen und Taktiken zu nutzen.
Tatsächlich hat der Angriff der Hamas auf Israel in Südkorea Befürchtungen ausgelöst, dass der Norden einen ähnlichen Angriff durchführen könnte.
USA könnte Koreakonflikt vernachlässigen, warnen Experten
Laut Yonhap ist Nordkorea in der Lage, in der Anfangsphase eines Krieges etwa 16.000 Granaten pro Stunde entlang der Grenze abzufeuern. Zudem verfüge das Land über schätzungsweise 340 Langstreckengeschütze, die direkt auf den Großraum Seoul gerichtet seien.
"Es wird vermutet, dass die Hamas in verschiedenen Bereichen wie Waffenhandel, taktische Führung und Ausbildung direkt oder indirekt mit Nordkorea verbunden ist. Es besteht die Möglichkeit, dass Nordkorea die Angriffsmethoden der Hamas für eine Überraschungsinvasion in Südkorea nutzen könnte", sagte ein hochrangiger Beamter des südkoreanischen Generalstabs laut "Korea Times". Das Eindringen der Hamas mit Mitteln wie Gleitschirmen und Drohnen zeige ähnliche Muster, die Nordkorea in der Vergangenheit angewandt habe, so der Beamte weiter. Der Zeitung zufolge hat Nordkorea sein Training für die Infiltration aus der Luft mit Hilfe von Gleitschirmen verstärkt.
Doch das ist nicht die einzige Sorge Südkoreas. Seoul befürchtet auch, dass die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine den Koreakonflikt international und insbesondere in den USA in den Hintergrund drängen könnten.
Washington könnte daher versuchen, den Status quo aufrecht zu erhalten, um sicherzustellen, dass sich die Lage auf der koreanischen Halbinsel nicht weiter verschlechtert, sagte Nam Chang-hee, Professor für Politikwissenschaften an der Inha-Universität, der "Korea Times".
Andere Experten gehen davon aus, dass die USA die Situation auf der koreanischen Halbinsel zwar im Auge behalten, aber ihr diplomatisches Engagement mit den Nordkoreanern in den nächsten Monaten deutlich zurückfahren werden.
Eine Situation, die der Norden für Überraschungsangriffe nutzen könnte. "Die nordkoreanische Strategie würde sich darauf konzentrieren, durch sehr unterschiedliche Angriffsmuster zu Beginn des Krieges ein extremes soziales Chaos und ein Sicherheitswirrwarr in Südkorea zu verursachen", sagte ein Militärbeamter der südkoreanischen Zeitung "JoongAng Ilbo". Eine solche Strategie solle es dem südkoreanischen Militär erschweren, einen Punkt für einen Gegenangriff zu finden.
Südkorea will sich deshalb gegen einen solchen Angriff wappnen: Der Generalstab will südkoreanische und US-amerikanische Überwachungssysteme kombinieren, um ungewöhnliche militärische Bewegungen im Norden zu erkennen, und zudem bis 2026 ein "Raketenabwehrsystem in geringer Höhe" entwickeln – nach dem Vorbild des israelischen Iron Dome.
Quellen: Nachrichtenagenturen AFP, KCNA und Yonhap, "The Korea Herald", "The Korea Times", "JoongAng Ilbo", "Chosun Ilbo", "Hankyoreh"