Es sieht ganz danach aus, als würde Joe Biden das Weiße Haus erobern. Dass der Demokrat insgesamt mehr Stimmen als Amtsinhaber Donald Trump erhalten hat – sogar mehr als jeder andere Präsidentschaftskandidat vor ihm –, steht schon außer Frage. Der Herausforderer könnte bei einem Sieg für sich beanspruchen, dass er vom amerikanischen Volk den klaren Auftrag erhalten hat, zu regieren.
Allerdings drängt sich die Frage auf, ob Biden als 46. Präsident der Vereinigten Staaten überhaupt dazu in der Lage wäre.
Denn ganz gleich, ob er nun das Rennen macht – ein Gewinner des Wahlkampfwahnsinns ist bereits ausgemacht: Der Republikaner Mitch McConnell, 78, wird aller Voraussicht nach Mehrheitsführer im Senat bleiben. Und damit einer der mächtigsten Männer in Washington neben dem Hausherren in der Pennsylvania Avenue 1600 – ob dieser nun Trump oder Biden heißen wird.
Mitch McConnell ist noch nicht fertig
Es ist davon auszugehen, dass der knallharte Konservative, der das eher unrühmliche Etikett als "Ermöglicher" von Donald Trump trägt, einem Präsident Biden das Leben schwer machen würde. Der Senat ist maßgeblich an der Gesetzgebung beteiligt, hat als Kontrollinstanz des Präsidenten umfangreiche Machtbefugnisse – und dementsprechend auch ein Mandat zum Querstellen.
Seit 2007 ist McConnell der Anführer der Republikaner im Senat, die diesen seit 2015 kontrollieren. In 14 Jahren hat McConnell dort mehr als einmal seine Macht demonstriert. Regelmäßig blockierte er die Berufung von Richtern in der Amtszeit von Präsident Barack Obama (2009 bis 2017), verzögerte oder verhinderte gar Reformpläne der Demokraten.
Anfang des Jahres räumte der Senat alle Vorwürfe gegen Trump im Amtsenthebungsverfahren ab und sprach den Präsidenten in allen Anklagepunkten frei. Später, und nicht zuletzt, trug McConnell maßgeblich dazu bei, dass noch vor den aktuellen Wahlen eine konservative Richterin an das Oberste Gericht berufen wird – noch vor vier Jahren führte er den bevorstehenden Urnengang ins Feld, um eine Nachbesetzung durch Obama zu verhindern. Gesagt, getan.
Es ist dieser Opportunismus, für den McConnell bei politischen Freunden wie Feinden berüchtigt ist, und der auch für Biden zum Problem werden könnte. Es spricht Bände, dass die Demokraten (vergebens) viele Millionen von Dollar in den Wahlkampf von Amy McGrath steckten, um McConnell im Bundesstaat Kentucky den Senatssitz abzujagen.
Als feststand, dass McConnell gesiegt hat, sagte er wohl auch in Richtung der Demokraten: "Heute Abend haben die Kentuckians gesagt: 'Wir sind noch nicht fertig.' Kentucky will mehr von der Politik, die die beste Wirtschaft in der modernen Geschichte aufgebaut hat, und nicht den Sozialismus, der den Wohlstand ersticken und den Arbeitern schaden würde."
Nicht ohne die Republikaner
In McConnells Umfeld wird schon kolportiert, wie eine künftige Präsidentschaft Biden aussehen könnte: nicht ohne Mitspracherecht der Republikaner. Demnach müsse Biden sein Kabinett mit Köpfen bestücken, mit denen auch McConnell leben könne, wie das US-Portal "Axios" berichtet. Soll heißen: Wenn überhaupt mit moderaten Ministern, aber auf gar keinen Fall mit "radikalen Progressiven", heißt es weiter. Denn auch Kabinettsmitglieder müssen vom Senat gebilligt werden.
Es ist nur ein Vorgeschmack auf das, was Biden als neues Staatsoberhaupt bevorstehen könnte. Die Lager in seiner Partei sind zerstritten, der republikanische Senat dürfte ihm eher feindlich gesinnt sein – das Regieren könnte zu einem zähen Ringen werden, vor allem, wenn jedes seiner Vorhaben einen Abnutzungskampf in McConnells Senat überstehen muss.
Noch ist nicht endgültig entschieden, ob die Republikaner auch weiterhin die Mehrheit im Senat stellen werden – doch besteht für die Demokraten aktuell nur die unwahrscheinliche Hoffnung, das Blatt noch zu wenden. Im Bundesstaat Georgia könnte es im Januar zu Nachwahlen kommen, bei denen die Demokraten zwei Sitze gewinnen müssten, damit es zu einem 50-50-Patt im Senat kommen würde. Dann hätte Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris das letzte, ausschlaggebende Wort.
Zumindest dieser Gedanke dürfte die Republikaner mit Genugtuung erfüllen: Joe Biden mag zwar die Präsidentschaft gewinnen, aber an ihrem Senat gibt es wahrscheinlich kein Vorbeikommen – und damit auch nicht an Mitch McConnell.