Müllkrise in Neapel Prodi und der Kampf gegen den Müll

In den neapolitanischen Müllnotstand kommt Bewegung: Die italienische Regierung will mit der Armee, neuen Verbrennungsanlagen und einem Sonderkommissar gegen die stinkenden Abfallberge vorgehen. Langfristig soll die Region ihren Müll jedoch selbst in den Griff bekommen.

Der italienische Ministerpräsident Romano Prodi hat der seit Wochen schwelenden Müllkrise im Großraum Neapel den Kampf angesagt. Drei neue Müllverbrennungsanlagen, Deponien und die zeitweilige Abfallübernahme durch andere italienische Kommunen und Regionen sollen das Problem in Neapel in den Griff bekommen, wie Prodi nach Gesprächen mit Ministern in Rom erklärte. Zusätzlich sollten Soldaten zunächst als Müllräumer im Einsatz bleiben, bis die Müllberge aus den Straßen verschwunden sein würden.

Es gehe darum, dass Italien bei der Lagerung seines Mülls nicht mehr auf kostspielige ausländische Hilfe angewiesen sein würde, erklärte Prodi. Doch zunächst soll dem Notstand in Neapel mit inneritalienischem Müllexport begegnet werden, denn neue Deponien oder Verbrennungsanlagen können nicht so schnell eingerichtet werden. Dafür sollen alle "sofort verwendbaren" Deponien wiedereröffnet und genutzt werden, um den Unrat zwischenzulagern.

In den nächsten vier Monaten soll ein von der Regierung ernannter Kommissar, der ehemalige Polizeichef Gianni De Gennaro, über das Müllproblem wachen. Langfristig müsse die Region ihren Müll aber selbst in den Griff kriegen, ermahnte Prodi die Lokalpolitiker. Zunächst war unklar, wo neue Müllhalden entstehen sollten. Sie werden von den Bewohnern zumeist bekämpft. Der Müll in der süditalienischen Metropole wurde seit dem 21. Dezember nicht mehr abgeholt, da es keinen Platz mehr auf den städtischen Deponien gibt. Die Bewohner verbrennen ihren Müll selbst, so dass ständig dichter und stinkender Rauch über der Stadt hängt.

Gefahr für das Grundwasser

Unterdessen warnten Experten vor Gefahren für das Grundwasser, sollten die Müllberge noch wachsen und Regen die Abfälle in die Kanalisation schwemmen. Neapel kämpft bereits seit mehr als einem Jahrzehnt immer wieder mit dem Müll, der seit den Weihnachtstagen erneut nicht weggebracht werden konnte, weil Verwertungsanlagen fehlen. In Rom machten Politiker wahlweise die Unfähigkeit der italienischen Politik zur Krisenlösung oder Neapels Mafia für den Müllnotstand verantwortlich, weil die in die illegale Müllverarbeitung verwickelte Camorra die Krise für Geschäfte nutze.

Im Vorort Pianura war es in der Nacht zum Dienstag wieder zu Krawallen mit der Polizei gekommen. An der Zufahrt zu einer alten Mülldeponie setzten Demonstranten einen Bus in Flammen und bewarfen die Sicherheitskräfte mit Steinen. Die Beamten setzten Tränengas ein. In Pianura kam es in den vergangenen Tagen immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Bewohnern und Sicherheitskräften. Die Bewohner errichteten aus Müll, Metall und Altreifen Barrikaden, um den Zugang zur lange geschlossenen Müllkippe zu blockieren. Sie befürchten eine Wiedereröffnung der Deponie und davon ausgehende Gesundheitsgefahren.

Erste Müllräumung um Schulen

Am Montag hatten Soldaten mit Bulldozern im Großraum Neapel zum Teil das Abfallräumen übernommen. Heeres-Pioniere begannen vor Morgengrauen damit, den sich türmenden Müll in den Straßen beiseite zu schaffen. Schwerpunkt waren Gebiete um Schulen, wo nach den Weihnachtsferien wieder der Unterricht aufgenommen wurde.

AP
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