Mutmaßlicher Kriegsverbrecher Ex-General Ratko Mladic soll an UN-Tribunal ausgeliefert werden

Für den mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic tickt die Uhr. Die serbischen Behörden sind entschlossen, den Ex-General an das Haager UN-Tribunal für Verbrechen in Ex-Jugoslawien zu überstellen. Die Verteidigung will dagegen Einspruch einlegen.

Der wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagte serbischen Ex-General Ratko Mladic soll schon in Kürze an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt werden. Bis Montagabend hat die Verteidigung des 69-Jährigen Zeit, Einspruch gegen einen entsprechenden Beschluss eines Belgrader Gerichts einzulegen. Doch die serbischen Behörden zeigen sich entschlossen, den mutmaßlichen Verantwortlichen für das Massaker von Srebrenica fast 16 Jahre nach Ende des Bosnien-Krieges und fast ebenso langer Flucht an das Tribunal auszuliefern.

Dort trifft Mladic auf ein Richterteam unter deutscher Führung. Der frühere Berliner Justizstaatssekretär Christoph Flügge wurde vom Präsidenten des UN-Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), Mehmet Güney, am Freitag zum Vorsitzenden Richter bestellt. Der 63-Jährige wird in dem Prozess von einem niederländischen und einem südafrikanischen Richterkollegen unterstützt.

"Spätestens in sieben Tagen" werde der Ex-General an das Tribunal ausgeliefert", teilte die serbische Staatsanwaltschaft am Freitag mit. Kurz zuvor hatte ein Gericht entschieden, dass alle Voraussetzungen dafür erfüllt seien. Mladics Anwalt will an diesem Montag Berufung gegen den Auslieferungsbeschluss einlegen. Das Gericht muss dann binnen drei Tagen nach Eingang der Unterlagen darüber entscheiden.

Der UN-Sicherheitsrat in New York begrüßte die Bereitschaft der serbischen Behörden, ihn an das Den Haager Tribunal auszuliefern.

Der bereits 1995 wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagte Mladic war am vergangenen Donnerstag in dem etwa eine Autostunde von Belgrad entfernten Dorf Lazarevo bei Zrenjanin verhaftet worden. Dem früheren Militärchef der bosnischen Serben wird tausendfacher Mord vorgeworfen. Neben dem Massaker von Srebrenica, bei dem im Sommer 1995 in der UN-Schutzzone rund 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet wurden, wird der 69-Jährige auch für die jahrelange Belagerung und den Beschuss von Sarajevo verantwortlich gemacht.

Nach einem Zeitungsbericht versteckte sich Mladic im Oktober 2006 nach einem Herzinfarkt zwischenzeitlich auch in einem Kloster. Die Schwestern des Klosters der Heiligen Melanie bei der nordserbischen Stadt Zrenjanin hätten den mit dem Tod ringenden Ex-General abgeschirmt und mit ärztlicher Hilfe versorgt, berichtete die gewöhnlich gut informierte Zeitung "Blic" am Sonntag in Belgrad. Da man mit seinem Tod gerechnet habe, sei die Kirchenkrypta bereits als Grab hergerichtet worden.

Nach Berichten der kroatischen Zeitung "Jutarnji list" hat der frühere serbische Regierungschef Vojislav Kostunica jahrelang die Ergreifung Mladics verhindert. Seit 2006 habe die Regierung genau gewusst, wo sich Mladic versteckt hielt, berichtete die Zeitung am Samstag unter Berufung auf Depeschen der US-Botschaft in Belgrad, die von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht wurden. Erst nach dem Ende der Kostunica-Regierung habe die neue Regierung unter Führung der DS-Partei des noch amtierenden Präsidenten Boris Tadic seit 2009 ernsthaft mit der Suche nach Mladic begonnen.

Der frühere Berliner Justizstaatssekretär Flügge war 2008 von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in das Amt eines Richters beim ICTY berufen worden. Er gilt als Experte für das Strafrecht, den Strafvollzug und inzwischen auch als guter Kenner des Völkerstrafrechts. Der an der Freien Universität Berlin ausgebildete Jurist leitete seit 1989 die Abteilung Strafvollzug in der Berliner Senatsverwaltung für Justiz. Flügge war in Deutschland auch als Staatsanwalt und Richter tätig.

Die beiden anderen Richter im Mladic-Verfahren sind der Niederländer Alphonse Orie (63) und der Südafrikaner Bakone Justice Moloto (66). Die Berufung von Richter Orie wurde in niederländischen Medien mit Blick auf das Massaker von Srebrenica als besonders bemerkenswert bezeichnet. Kommentatoren verwiesen auf das Desaster des niederländischen Blauhelm-Bataillons, das die von den UN zur Schutzzone erklärte Stadt vor dem Massenmord kampflos an die übermächtigen bosnisch-serbischen Truppen unter dem Kommando von Ratko Mladic übergeben hatten.

DPA
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