Bei zwei Anschlägen in Afghanistan verletzte Bundeswehrsoldaten werden zur medizinischen Behandlung nach Deutschland geflogen. Unter ihnen sei auch der General Markus Kneip, der im Norden Afghanistans die internationalen Schutztruppen führt, teilte das Verteidigungsministerium mit. Kneip habe Verbrennungen erlitten und sei leicht bis mittelschwer verletzt.
Der General werde nach circa drei Wochen nach Afghanistan zurückkehren. Zusammen mit Kneip wird eine schwer verwundete Soldatin und ein mittelschwer verwundeter Soldat nach Deutschland gebracht. Auch die Leichen der beiden getöteten Bundeswehrsoldaten werden in die Heimat geflogen werden. Die beiden Todesopfer kamen nach Angaben des Einsatzführungskommandos aus dem rheinland-pfälzischen Kastellaun und aus Hannover.
Isaf-Ermittler: Kein Selbstmordattentat
Der jüngste Anschlag in Afghanistan war in der nordafghanischen Stadt Talokan verübt worden. "Nach der Konferenz waren wir auf dem Weg aus dem Gebäude des Provinzgouverneurs, als es in unserer unmittelbaren Umgebung eine ungeheure Explosion gab", sagte Kneip der Online-Ausgabe der "Bild"-Zeitung.
Nach vorläufigen Ermittlungsergebnissen geht die Isaf nicht davon aus, dass ein Selbstmordattentäter den Anschlag in Talokan verübt hat. "Es hat sich allem Anschein nach nicht um einen Selbstmordattentäter gehandelt, sondern um einen ferngezündeten Sprengsatz in oder an einer Gebäudewand", sagte ein Isaf-Sprecher in Masar-i-Scharif am Montag. Das decke sich mit den Feststellungen des afghanischen Geheimdienstes NDS.
Besuch im Feldlazarett
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, ist inzwischen an den Hindukusch gereist. Er wolle sich ein Bild der Lage machen, berichtete "Spiegel Online" unter Berufung auf einen Bundeswehrsprecher. Wieker sei am Sonntagmorgen in Masar-i-Scharif, dem größten Feldlager der Bundeswehr in Afghanistan, eingetroffen. Zusammen mit dem Isaf-Oberkommandierenden, dem US-General David Petraeus, habe Wieker Kneip einem Besuch im Feldlazarett abgestattet.
In Berlin hat der blutige Anschlag die Diskussion um die Sicherheit bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr neu entfacht. Auch Forderungen nach einer Gegenoffensive gegen die Taliban werden laut. Für die Bundesregierung steht die Afghanistanstrategie aber nicht infrage. Auch an der Zusammenarbeit mit den afghanischen Sicherheitskräften bei der Ausbildung will man festhalten.
Nach Aussagen des ebenfalls verletzten Gouverneurs der Provinz Tachar, Abdul Jabar Taqwa, war vermutlich der nordafghanische Polizeichef Daud das eigentliche Ziel der Attacke. Erst als Daud aus dem Raum, in dem das Treffen stattfand, gekommen sei, habe der wartende Attentäter seine Sprengladung gezündet. "Zuerst fielen Schüsse", so der Gouverneur telefonisch zu "Spiegel Online", "dann sprengte sich der Mann direkt vor Daud in die Luft".
Provinz Tachar galt einst als friedlich
Dem Bericht zufolge gab es unmittelbar vor dem Treffen in Talokan Warnungen der Geheimdienste über einen drohenden Selbstmordanschlag der Taliban in der Provinzhauptstadt. Ohne Details oder ein mögliches Ziel zu nennen, hätten sowohl die Amerikaner als auch der deutsche Geheimdienst vor einem gut geplanten Selbstmordanschlag gewarnt.
Die Provinz Tachar galt einst als friedlich. Es gibt dort keine dauerhafte Basis ausländischer Truppen, das Gebiet wird stattdessen von deutschen Soldaten mit überwacht, die ihren Stützpunkt in der benachbarten Provinz Kundus haben. Zuletzt hat aber auch in Tachar die Gewalt stark zugenommen. Der Sprecher von Präsident Hamid Karsai schien auf eine Mitschuld Pakistans anzuspielen. "Niemand in Afghanistan würde diese Angriffe verüben", sagte Wahid Omar. "Alle Beweise zeigen, dass diese Einsätze von außerhalb Afghanistans geplant werden." Afghanistan hat Pakistan wiederholt vorgeworfen, Radikalen Unterschlupf zu gewähren. Die Regierung in Islamabad weist diese zurück.
Der afghanische Präsident Hamid Karsai sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine umfassende Untersuchung des Anschlages zu. Am Telefon habe Karsai der Kanzlerin noch einmal "die hohe Wertschätzung des afghanischen Volkes für das deutsche Engagement in seinem Land" zum Ausdruck gebracht, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Mit dem Anschlag stieg die Zahl der in Afghanistan ums Leben gekommenen Bundeswehrsoldaten auf 50. Von ihnen starben 32 bei Gefechten oder Anschlägen.
Partnerschaftsstrategie soll beibehalten werden
Obwohl der uniformierte Attentäter zu den Sicherheitskräften gehört haben soll, die die Konferenz schützen sollten, will die Bundesregierung bei ihrer Partnerschaftsstrategie bleiben. "Wenn wir die Sicherheit allmählich in afghanische Hände übergeben wollen, dann geht es nur so, dass wir es mit den Afghanen zusammen tun", sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière.
Bei einem Nato-Angriff in der Provinz Helmand kamen neun Zivilisten ums Leben. Laut CNN hatte die Isaf zuvor - ebenso wie die Provinzregierung - von zwölf getöteten Kindern und zwei Frauen gesprochen. Einen Grund für unterschiedlichen Angaben wurden nicht genannt. Die Nato bedauerte die zivilen Opfer: "Ich entschuldige mich von ganzem Herzen bei den Familien und Freunden der Getöteten", sagte der Kommandeur der Internationalen Schutztruppe Isaf im Südwesten Afghanistans, der US-Generalmajor John Toolan, nach Berichten des US-Senders CNN. Er bat die Afghanen um Vertrauen und forderte sie auf, die eigenen Sicherheitskräfte weiter zu unterstützen. Die Entschuldigung erfolge im Namen der Isaf und ihres Oberkommandierenden David Petraeus, sagte er.