Ein Moskauer Gericht hat die Berufung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny gegen seine Haftstrafe zurückgewiesen. Es bestätigte damit am Samstag ein Urteil von Anfang Februar, durch das eine 2014 gegen Nawalny verhängte Bewährungsstrafe in eine Haftstrafe umgewandelt worden war. Das Berufungsgericht reduzierte die Strafe allerdings leicht, so dass Nawalny dem Urteil zufolge nun rund zweieinhalb Jahre Haft in einem Straflager verbüßen muss. Der Kreml-Kritiker will die Entscheidung anfechten.
Nawalny: "Unser Land ist auf Ungerechtigkeit aufgebaut"
Nawalny verfolgte die Verhandlung in einem für Angeklagte vorgesehenen Glaskasten. Er lächelte und machte das "Victory"-Zeichen. "Unser Land ist auf Ungerechtigkeit aufgebaut", sagte Nawalny. Er nannte den Prozess "absurd" und rief die Russen auf, sich dafür einzusetzen, ihr Land zu einem besseren Ort zu machen. "Russland sollte nicht nur frei, sondern auch glücklich sein", sagte Nawalny.
Der Kreml-Kritiker zitierte in seinen Schlussworten auch aus der Bibel: "Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden." Er bedauere nicht, nach Russland zurückgekehrt zu sein, betonte Nawalny.
Die Staatsanwaltschaft warf dem Oppositionspolitiker vor, er verhalte sich, als ob er über dem Gesetz stehe und ein "exklusives Recht darauf habe, zu tun, was er möchte". Nawalnys Anwalt Wadim Kobsew nannte das Urteil "erwartbar". Sein Mandant werde die Entscheidung des Gerichts anfechten, kündigte er an. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte, das Urteil ändere nichts an der "reichen und pluralistischen" politischen Landschaft in Russland.
Grünen-Politikerin: "Die Bundesregierung darf sich nicht weiter wegducken"
Scharfe Kritik an dem Urteil äußerten auch die Grünen. "Die Lagerhaft für den Oppositionellen Nawalny ist politische Willkür und eine grobe Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien", erklärte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. "Die Bundesregierung darf sich nicht weiter wegducken, sondern muss sich umso energischer für die sofortige Freilassung Nawalnys einsetzen."
Nawalny war nach einem Giftanschlag im vergangenen August, für den er den Kreml verantwortlich macht, in Deutschland im Krankenhaus behandelt worden. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Russland im Januar wurde er festgenommen. Nawalny gilt als wichtigster Widersacher des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er wurde schon mehrfach festgenommen und zu kurzen Haftstrafen verurteilt. Seine Unterstützer kritisieren das Vorgehen der Justiz gegen den 44-Jährigen als politisch motiviert.
Wegen angeblicher Verstöße gegen seine Bewährungsauflagen während seines Aufenthalts in Deutschland wurde der Kreml-Kritiker am 2. Februar zu zwei Jahren und acht Monaten Haft in einem Straflager verurteilt. Die Entscheidung wurde international scharf verurteilt und löste Massenproteste in Russland aus. Am Samstag nun rechnete der Berufungsrichter sechs Wochen Hausarrest, die Nawalny bereits verbüßt hat, auf die Gesamtstrafe an. Dadurch muss der 44-Jährige nun rund zweieinhalb Jahre ins Straflager.
Hohe Geldstrafe wegen Veteranen-Beleidigung
Nur Stunden nach der Bestätigung des umstrittenen Straflager-Urteils ist Nawalny zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. Weil er einen Veteranen des Zweiten Weltkriegs beleidigt haben soll, verhängte das Moskauer Gericht am Samstag eine Geldbuße in Höhe von 850.000 Rubel (rund 9400 Euro) gegen den Oppositionspolitiker. Das ist in etwa das Doppelte eines durchschnittlichen Jahresgehalts in Russland.
Nawalny hatte im vergangenen Sommer ein in den russischen Staatsmedien ausgestrahltes Video scharf kritisiert. Darin werben mehrere Bürger - unter anderem ein heute 94-jähriger Veteran des Zweiten Weltkrieges - für eine Verfassungsänderung, die auch der Machtsicherung von Präsident Wladimir Putin diente. Nawalny beschimpfte die Menschen im Clip damals auf Twitter als "Verräter".
Als einen Beleg dafür, dass der alte Mann kein Verräter ist, verwies die Richterin in ihrer fast einstündigen Urteilsverkündung auf das Innenministerium, das ihn weder als Landesverräter noch als Spion liste. Nawalny hatte immer wieder sein Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigt und betont, dass er den Mann als Protagonisten in dem Video kritisiert habe und nicht in seinem Veteranenstatus. Er bezeichnet den 94-Jährigen als "Marionette" in einem politisch motivierten Prozess.
Das Vorgehen Russlands gegen Nawalny hat die Beziehungen zwischen der EU und Moskau schwer belastet. Die EU-Außenminister wollen nach Angaben von Diplomaten am Montag neue Sanktionen gegen Russland auf den Weg bringen. Bereits am Sonntag treffen sich die Außenminister mehrerer EU-Staaten in Brüssel mit dem Nawalny-Mitarbeiter Leonid Wolkow und einem weiteren Vertrauten des Kreml-Kritikers.