Wahlkampf in Polen Parlamentswahlen, PiS und Pilze: Ein paar antideutsche Töne können nie schaden

Jarosław
Jarosław Kaczyński, PiS-Chef beim Wahlkampf in Pultusk, etwas ungünstig getroffen
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Am 15. Oktober wählen die Polen ein neues Parlament, die Regierungspartei PiS fürchtet um ihre Mehrheit. Die Rechtskonservativen setzen wieder auf antideutsche Töne – und so sind nun regelmäßig Schimpftiraden aus Warschau zu hören.

Wer der polnischen Regierung zuhört, bekommt öfter mal den Eindruck, dass das Land von übelmeinenden Nachbarn geradezu umzingelt ist. Zumindest aber bedrängt wird. Jedenfalls aus dem Westen. Also hauptsächlich aus zwei Städten: Brüssel und Berlin. Weil am 15. Oktober in Polen das Parlament gewählt wird und Wahlkampf seit Antritt der rechtskonservativen PiS traditionell die Zeit der Schuldzuweisungen ist, bekommen die Vertreter von EU und Deutschland nun wieder regelmäßig Schimpftiraden aus Warschau zu hören.

Verbietet Berlin Polen das Pilzesammeln?

Mitunter treibt das bizarre Blüten, wie jüngst Regierungspartei-Chef Jarosław Kaczyński bewies. Ironiefrei erklärte er, Deutschland wolle mit Hilfe der EU polnische Wälder privatisieren und damit den Polen das Pilzesammeln verbieten. Es ist einer dieser wagemutigen Behauptungen, mit denen die PiS die Gemüter zu erregen hofft: Unsere Erzfeinde in Brüssel und Berlin nehmen uns jetzt auch noch eines unserer nationalen Kulturgüter weg, das Pilzesammeln.

Tatsächlich hat der Europäische Gerichtshof im Frühjahr Warschau angemahnt, einige Forst-Gesetze zu ändern. Grund: Sie verstoßen offenbar gegen eine EU-Richtlinie zur Ansiedlung von Waldtieren. Die polnische Regierung, die es mit der Anwendung von EU-Recht ohnehin nicht allzu genau nimmt, fühlte sich wieder einmal gegängelt. Und bei der Kombination Pilz plus Ausländer verstehen viele Polen auch keinen Spaß: Schon seit Jahren macht die so genannte "Pilz-Mafia" Schlagzeilen. In Kleinbussen rücken ab Spätsommer ganze Scharen rumänischer Sammler in polnische Wälder vor, um die Waldfrüchte im großen Stil abzuernten. Die PiS fordert deshalb eine Pilz-Quote für Ausländer.

Morawiecki fordert Weber zum TV-Duell auf

Einen Streit auf ganz anderer Ebene hat unterdessen Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki von Zaun gebrochen. Via Twitter, das mittlerweile X heißt, fordert er den Vorsitzenden der konservativen EVP-Fraktion in EU-Parlament, Manfred Weber (ein Deutscher!) zu einem Fernsehduell heraus: "Er hat uns seine Feinde genannt. Wenn die Deutschen zugeben, dass Sie in die Wahlen in Polen eingreifen werden, dann sollen Sie auch mit offenem Visier antreten. Herr Weber, schicken Sie nicht ihren Helfer Donald Tusk vor. Stellen Sie sich der Debatte", schrieb der PiS-Mann erbost.

Was war geschehen? In einem ZDF-Interview hatte Weber die PiS in einen Topf mit der AfD, und Le Pen aus Frankreich geworfen und als "Gegner" bezeichnet. "Jede Partei muss den Rechtsstaat akzeptieren. Das ist die Brandmauer gegenüber den PiS-Vertretern in Polen, die systematisch den Rechtsstaat und die freien Medien attackieren", sagte der EVP-Chef deutlich in Richtung Rechtsaußen. Mateusz Morawieckis provokante Einladung dürfte Weber kaum annehmen.

Die dünnhäutige Reaktion des Premierministers hat wohl auch damit zu tun, dass ein Sieg seiner PiS-Partei bei der kommenden Wahl alles andere als sicher ist. Jedenfalls nicht mehr so sicher wie bei den Wahlen zuvor. In den Umfragen liegt sie nur rund fünf Prozentpunkte vor der Oppositionspartei PO des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk – die auf europäischer Ebene wiederum Teil von Webers EVP-Fraktion ist.

Antideutsche Töne von Polens Regierungspartei

Mit antideutschen Tönen lassen sich bei konservativen Polen immer noch Punkte machen. Auch 78 Jahre nach dem Krieg fürchten viele eine deutsche Dominanz – ob als Nachbar oder über die EU. Vor allem PiS-Chef Jarosław Kaczyński versteht das Spiel mit den Ressentiments perfekt. Vor einem Jahr stellte seine Partei eine Studie zu Reparationsforderungen vor. Auf 1500 Seiten kam die zu dem Schluss, dass die Bundesrepublik 1,3 Billionen Euro Kriegsentschädigung an Polen zahlen müsse. Ob mit oder ohne Wahlkampf – vom Tisch ist die Sache nicht.

Der Bürgermeister von Warschau, Rafal Trzaskowski, nimmt am Freiheitsmarsch in Warschau teil
Der Bürgermeister von Warschau, Rafal Trzaskowski, nimmt mit seinen Anhängern am Freiheitsmarsch in Warschau teil, um gegen die regierende PiS-Partei zu demonstrieren.
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Hunderttausende demonstrieren gegen polnische PiS-Regierung: "In aller Stille stirbt die Demokratie"

Doch auch ohne ausländische Hilfe gelingt es der Warschauer Regierungspartei, sich Leben und Wahlkampf schwer zu machen: So musste nun Gesundheitsminister Adam Niedzielski zurücktreten, nachdem er medizinische Daten eines Arztes, der eine seiner Reformen kritisiert hatte, veröffentlicht hatte. Die Reform sah vor, Online-Verschreibung von Medikamenten einzuschränken. Anfang August hatte der Minister bei X den Namen eines seiner Kritiker mit Hinweis verbreitet, der Arzt habe sich selbst Psychopharmaka und Schmerzmittel verschrieben.