Syrien ist das nächste arabische Land, in dem eine autoritär herrschende Führungsriege den Wunsch der Bevölkerung nach mehr Freiheit mit brutaler Gewalt quittiert. Menschenrechtler sprachen von weit über einhundert Toten alleine am Osterwochenende, in die Protesthochburg Daraa rückten Panzer ein, die USA fordern ihre Bürger zum verlassen des Landes auf.
Die Kommentatoren der internationalen Presse schlagen sich größtenteils auf Seiten der Demokratiebewegung. Allgemein wird ein noch größeres Blutbad erwartet.
"Rzeczpospolita" aus Polen
Die polnische Zeitung "Rzeczpospolita" erkennt in der aktuellen Lage Syriens eine Wiederholung der Geschichte:
"1982 war Hafis al-Assad, der Vater des jetzt amtierenden Präsidenten Syriens, Baschar al-Assad, mit einer Rebellion konfrontiert worden. Muslimbrüder hatten damals die Stadt Hama erobert, die zu einem Zentrum der Revolution werden sollte. Hafis al-Assad setzte Panzer und Artillerie ein und machte systematisch ein Haus nach dem anderen dem Erdboden gleich. Zahntausende Menschen starben. [...]
Es ist an der Zeit, dass die internationale Öffentlichkeit, die sich wegen Erdöl vor allem auf Libyen konzentriert, ihre Aufmerksamkeit Syrien widmet. Dort kann jederzeit zu einer Tragödie kommen."
"Dagens Nyheter" aus Schweden
Ähnlich sieht es die liberale schwedische Tageszeitung "Dagens Nyheter" aus Stockholm:
"Präsident Baschar al-Assad hat Farbe bekannt. Leider ist es nicht die Farbe, auf die die Umwelt seit zehn Jahren gehofft hat. (...) Am Wochenende hat er bewiesen, dass er genau wie früher sein Vater nicht davor zurückschreckt, blind und rücksichtslos auf sein Volk schießen zu lassen. (...) Wenn Assad hier weiter in den Fußspuren des Libyers Muammar al-Gaddafi wandeln sollte, oder wenn sich der Iran in die syrischen Streitigkeiten einmischt, kann die Umwelt ebenso wenig die Augen davor verschließen wie in Libyen."
"La Montagne" aus Frankreich
"La Montagne" aus Clermont-Ferrand befasst sich mit einem möglichen Eingreifen internationaler Truppen in Syrien:
"Es handelt sich nicht mehr um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte, sondern um einen Krieg gegen die aufständische Bevölkerung. Das ist dieselbe Situation, die in Libyen zum militärischen Eingreifen geführt hat, das in der UNO beschlossen wurde im Namen der Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung vor den schwersten Verbrechen eines Staates. Bei Gaddafi angewandt, gilt dieses humanitäre Recht nicht für Baschar el Assad."
"El Mundo" aus Spanien
Auch "El Mundo" aus Madrid sieht Parallelen zur Situation in Libyen.
"Niemand kann bestreiten, dass das Regime in Syrien Massaker an der eigenen Bevölkerung verübt [...]. Die Weltgemeinschaft bleibt nun aber stumm. Kein Land ist bereit, auch nur einen Finger zu rühren. Dies zeigt, dass der Westen mit zweierlei Maß misst.
Syriens Präsident Baschar al-Assad weiß genau, dass sein Regime im Wirrwarr des Nahost-Konflikts eine Schlüsselstellung hat. Israel und die westlichen Staaten verschließen die Augen und hoffen, dass Damaskus die Lage unter Kontrolle bekommt. Aber die Syrer haben die Angst überwunden. Der Westen darf sie nicht im Stich lassen."
"Der Standard" aus Österreich
Der Wiener "Standard" vergleicht die Unruhen in Syrien und Libyen mit Saudi-Arabien und sieht den Hauptunterschied an den Personen an der Spitze.
"Es gibt wahrscheinlich kein arabisches Land, mit dem sich Muammar al-Gaddafi in seiner langen Geschichte nicht überworfen hat. Aber der hatte wenigstens noch seine Revolution selbst gemacht - im Gegensatz zum Erbpräsidenten Bashar al-Assad, der, wie es heißt, mit seiner von seinem Vater ebenfalls vererbten unendlichen Dozierlust den alten arabischen Herrschern, von Mubarak bis zu König Abdullah von Saudi-Arabien, auf die Nerven zu gehen pflegt(e). Viel Respekt hatten sie jedenfalls vor ihm nicht."