Sie hat heute eine Jeans an, das amerikanischste aller Kleidungsstücke, dazu ein Sakko aus einem Second-Hand-Laden. Davor waren es Kostüme von Valentino, von Prada und Gucci. Eingekauft von der Republikanischen Partei. Insgesamt hatte die Partei 150.000 Dollar ausgegeben, damit Sarah Palin und ihre Familie eine gute Figur auf dem nationalen Parkett abgeben. Die Palins aus der Provinz, die Palins aus Alaska sahen gut aus, das ja, aber die Investition hat sich trotzdem nicht gelohnt. Als die Geschichte mit den neuen Kleidern in die Medien kam, gab es den nächsten Palin-Aufreger. Einige Spender der Republikanischen Partei forderten daraufhin ihr Geld zurück. Aber noch schlimmer ist wohl der Imageschaden für Sarah Palin. Die Frau, die John McCain helfen sollte, der nächste Präsident der USA zu werden, ist für ihn mittlerweile zu einer Belastung geworden. Vor der Kleider-Story hatte sich die ahnungslose Gouverneurin aus Alaska in Fernseh-Interviews blamiert. McCain hat sich mit Sarah Palin einen Miss-Griff geleistet.
Heute in Asheville, North Carolina, hat Sarah Palin nicht nur wieder ihre alten, eigenen Kleider an, sondern auch wieder diesen Beißeffekt, sie ist wieder Sarah Barracuda. Sie ist wütend. Sie erzählt den Leuten bei einer Wahlkampfveranstaltung, dass diese ganzen Geschichten über ihre Kleider lächerlich seien. Sie habe heute Ohrringe an, die ihre Schwiegermutter selbst hergestellt habe, sie trage einen Hochzeitsring für 35 Dollar aus Hawaii an der Hand. Sie versucht, sich wieder als Hockey Mum zu präsentieren. Am Tag zuvor in Tampa, Florida, hatte sie sich schon verteidigt und gesagt: "Diese Kleider sind nicht mein Eigentum. Ich werde davon nichts mitnehmen. Ich werde jetzt sowieso wieder meine eigenen Klamotten tragen."
Innerhalb der McCain-Campaign ist man nicht glücklich mit Palin
Die Menschen jubeln ihr zu. Sarah Palin kann Zuschauer für sich begeistern, wenn es ihr Publikum ist, Republikaner, die Rechten der Republikaner, diejenigen, die strikt gegen Abtreibung sind, die sich als "Wiedergeborene Christen" sehen, die zu den "Kreationisten" gehören, die der Ansicht sind, dass Gott die Erde, alle Menschen und Tiere geschaffen hat. Das ist Sarah Palins Publikum.
Doch innerhalb der McCain-Campaign sind sie alles andere als glücklich mit Sarah Palin. McCains Leute erzählen, dass sie erbost sind über Sarah Palins Extravaganzen. Sie hielt sich am Sonntag mal wieder nicht an das Skript, was sie von McCains Strategen ins Flugzeug gefaxt bekommen hatte. Es war nicht das erste Mal, dass Sarah Palin die für sie von McCains Schreibern vorbereitete Rede ohne Rücksprache veränderte. Innerhalb der McCain-Kampagne und unter vielen Republikanern wird Sarah Palin schon seit Wochen als großes Problem gesehen, als eine Frau, die eher Stimmen kosten wird, aber keine weiteren bringen wird.
Palin wurde zu einer Karikatur einer Vize-Präsidentin
McCain setzte mit der Gouverneurin aus Alaska als seine Kandidatin für das Amt der Vize-Präsidentin auf Risiko. Am Anfang sah es so aus, als würde dieses Risiko belohnt werden. Die junge, forsche, selbstbewusste Palin gab den Republikanern ein neues Gesicht, doch schnell wurde klar, dass diese Frau nicht nur verstockte, verbohrte Ansichten über die Welt hat, sondern auch, dass diese Frau völlig ahnungslos ist, dass ihr alle Fähigkeiten fehlen, um im Falle eines Falles Präsidentin zu sein. Sarah Palin weiß nichts über die Bush-Doktrin, und zu Russland fällt ihr ein: "Man kann Russland vom Land hier in Alaska wirklich sehen." Sarah Palin wurde zu einer Karikatur einer Vize-Präsidentin. Einer von McCains Beratern gibt zu: "Sie hatte von so vielen Themen keine Ahnung, überhaupt keine Ahnung, das hatten wir so nicht erwartet. Wir mussten sie auf all diesen Gebieten fit machen."
John McCain ist nun wütend auf seine Berater, wütend über die falsche Wahl, aber er hat sie zu verantworten. John McCain hat mit der Wahl von Sarah Palin sein Urteilsvermögen verspielt - und womöglich auch seinen Wahlsieg. Innerhalb der Kampagne gibt es Streit, Eifersüchteleien, gegenseitige Vorwürfe. Es gibt das McCain-Lager und das Palin-Lager. Sarah Palin fühlt sich von McCains Beratern gegängelt, zu stark kontrolliert, um ihre eigenen Stärken beraubt, um ihre eigene Persönlichkeit. Sarah Palin will sich nicht von McCains Leuten bevormunden lassen. Sie will ihre eigene Rolle spielen.
Palin ist eine Diva
McCains Leute werfen ihr vor, sie denke zu sehr an sich, an ihren Vorteil, wie sie sich profilieren könnte, statt daran zu denken, wie sie McCain helfen könne. Sie machen Sarah Palin jetzt schon für die schlechten Umfragewerte von McCain verantwortlich - und für die Niederlage gegen Barack Obama.
Ein Berater von McCain wird in den amerikanischen Medien so zitiert: "Sie ist eine Diva. Sie nimmt von niemandem Ratschläge an. Sie vertraut keinem. Sie denkt nur an sich. Sie sieht sich schon als zukünftige Parteichefin. "Sarah Palin weiß zu gut, dass sie nach dieser Wahl, egal, wie sie ausgehen sollte, die bekannteste und populärste Figur bei den Republikanern sein wird.
Palin war die falsche Wahl
Im McCain-Lager sind sie sich fast alle einig: Sarah Palin war die falsche Wahl. Hätte John McCain Joe Lieberman, den Senator aus Connecticut, zu seinem Partner gemacht, einen ehemaligen Demokraten und nun Unabhängigen, hätte sich McCain als wahrer Maverick, als wahrer Querdenker erwiesen, dem das Land über die Partei geht. Und viele unentschlossene und unabhängige Wähler für sich gewinnen können. Stattdessen wählte er mit Sarah Palin eine Frau, die mit ihren konservativen Ansichten die rechte Basis begeistert, aber andere Wählergruppen verschreckt. Und die rechte Basis hätte McCain am Ende auch ohne Palin gewählt. Ausgerechnet bei Frauen und unabhängigen Wählern sind laut einer Umfrage von "Washington Post" und "ABC News" die Werte von Sarah Palin seit ihrer Nominierung dramatisch gesunken, ausgerechnet zwei Wählergruppen, die McCain mit Palin erobern wollte.
Eigentlich werden die Partner des Präsidentschaftskandidaten oft danach ausgesucht, ob sie ihm einen Staat gewinnen können. Tom Ridge zum Beispiel, einer der auf der Liste von McCain stand, war mal Gouverneur von Pennsylvania. Er hätte McCain diesen Staat bringen können, ein Staat, in dem McCain jetzt fast jeden Tag um Stimmen kämpft und hinter Obama liegt, und in dem es um 21 Wahlmänner geht. Mitt Romney, der ehemalige Gouverneur von Massachusetts und Sohn eines Gouverneurs aus Michigan, hätte für McCain Michigan (17 Wahlmänner) gewinnen können. Abgesehen davon, dass Romneys Wahl McCain gerade in diesen turbulenten Wirtschaftszeiten Kompetenz verliehen hätte. Romney ist ein angesehener Geschäftsmann, führte erfolgreich die Olympischen Winterspiele von Salt Lake City durch.
Sarah Palin kommt aus dem Bundesstaat Alaska, der gerade mal drei Wahlmänner zu vergeben hat. Und die hätte John McCain auch ohne Sarah Palin haben können - Alaska wählt seit Jahrzehnten immer republikanisch.