Rumsfeld und Fischer prallten aufeinander
Im Streit um den Irak-Konflikt haben sich die Gräben zwischen Deutschland und den USA bei der Münchner Sicherheitskonferenz noch vertieft. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Außenminister Joschka Fischer prallten am Samstag unversöhnlich aufeinander. Fischer kritisierte die Strategie der USA im Anti-Terror-Kampf und sah keine Rechtfertigung für einen Krieg gegen den Irak. Rumsfeld sagte, es sei schwer zu glauben, dass vernünftige Menschen angesichts der Fakten überhaupt noch Zweifel an einer Bedrohung durch den Irak hätten. CDU-Chefin Angela Merkel befürwortete klar einen Militärschlag als letztes Mittel.
Die Konferenz fand unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen statt. 3500 Polizisten waren im Einsatz. Mindestens 20 000 Menschen demonstrierten in der Innenstadt für eine friedliche Lösung im Irak.
Rumsfeld: Zögerliche Weltgemeinschaft provoziert den Krieg
Rumsfeld warf der Weltgemeinschaft vor, durch ihre zögerliche Haltung einen Krieg erst zu provozieren. Ohne Entschlossenheit gebe es keine Chance, dass der irakische Diktator Saddam Hussein freiwillig seine Waffen abgebe oder fliehe. Als einzige Möglichkeit für eine friedliche Lösung müssten die freien Nationen deutlich machen, dass sie zur Gewaltanwendung bereit seien. Saddam selbst könnte den Krieg durch den Gang ins Exil abwenden. «Ich würde es liebend gerne sehen, wenn Saddam mit seiner Familie und ein paar guten Freunden das Land verlassen würde.»
Fischer: Diplomatische Mittel „mitnichten ausgeschöpft“
Fischer sagte, die diplomatischen Mittel seien «mitnichten ausgeschöpft». Die Waffeninspekteure müssten mehr Zeit bekommen. «Die entscheidende Frage ist, ob das Risiko schon so groß ist, dass es einen Krieg rechtfertigt.» Deutschland sei hier anderer Meinung. Rumsfelds Einschätzung, dass es keine Differenzen zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Volk gebe, stimme nicht. Die übergroße Mehrheit der Deutschen sei gegen einen Irak-Krieg, nicht nur die Bundesregierung. Die Strategie der USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war Fischer zufolge falsch. Nach dem Kampf gegen die Terrororganisation El Kaida hätte der Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern vorangetrieben werden müssen.
Rumsfeld: Niemand will Krieg
Rumsfeld sagte, niemand wolle Krieg. «Aber die Risiken des Kriegs müssen gegen die Risiken des Nichtstuns abgewogen werden.» Er attackierte Deutschland, Frankreich und Belgien, die im NATO-Rat für eine erneute Verschiebung des Beschlusses über Militärhilfe für die Türkei gestimmt hatten. «Das kann man nicht entschuldigen.» Fischer sagte, in der Frage der Unterstützung für die Türkei sei Deutschland dabei, «eine Lösung voran zu treiben». NATO-Generalsekretär George Robertson sieht die NATO durch den Irak-Konflikt nicht gefährdet.
Rumsfeld mahnte, die Irak-Resolution des UN-Sicherheitsrats habe dem Irak die «letzte Chance» zur Abrüstung gegeben. Es sei darin nicht von der «vorletzten Chance» die Rede gewesen. Die UN stünden am Scheideweg. Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow rief den Westen dazu auf, die internationale Anti-Terror-Allianz aufrecht zu erhalten und sie auch gegen Tschetschenien auszurichten.
Deutschland spielt nach Ansicht von Verteidigungsminister Peter Struck auch künftig eine herausragende Rolle in der NATO. Die Bundesrepublik sei mit ihrer Armee mehr als jeder andere Partner in das Bündnis integriert. Kein europäisches Land könne aber so viel Geld für Verteidigung ausgeben wie die USA. Rumsfeld wollte am Abend noch zu einem Vier-Augen-Gespräch mit Struck zusammen kommen.
Merkel sagte, wenn am Ende die friedliche Entwaffnung des Iraks fehlschlage, würde die CDU Zwangsmaßnahmen befürworten, «auch ein militärisches Vorgehen». Merkel kritisierte erneut scharf, dass die rot-grüne Bundesregierung schon vor dem Auftritt von US-Außenminister Colin Powell am vorigen Mittwoch vor dem UN-Sicherheitsrat eine Unterstützung für einen Militärschlag weiterhin ausschloss. «Es kann nicht sein, dass sich Deutschland einseitig festlegt.»