Mehr Waffen für eine Waffenruhe? Im Osten der Ukraine rücken Separatisten vor, der Konflikt droht endgültig zu eskalieren. Das Land bittet die Nato-Staaten um Waffenlieferungen - doch diese Hilfe erscheint immer unwahrscheinlicher: Europa und die USA bleiben beharrlich bei ihrem Nein.
Die US-Regierung will "in der nahen Zukunft" keine Waffen an das Militär der krisengeschüttelten Ukraine liefern. Das sagte der Sicherheitsberater von Präsident Barack Obama, Ben Rhodes, in einem CNN-Interview am Montagabend. Sanktionen seien weiterhin das beste Mittel, um in dem Konflikt Druck auf Russland auszuüben.
Unter diesen Vorzeichen trifft US-Außenminister John Kerry in Kiew zu Gesprächen mit Präsident Petro Poroschenko über die Lage in der Ukraine zusammen. In Brüssel wollen derweil die Nato-Verteidigungsminister die Planungen für neue Abwehrmaßnahmen gegen mögliche Bedrohungen aus Russland voranbringen.
Joe Biden räumt Spekulationen aus
Die Nato müsse "noch mehr Unterstützung für die Ukraine leisten, unter anderem durch die Lieferung von modernen Waffen zum Schutz und der Gegenwehr gegen den Aggressor", sagte Poroschenko der "Welt". Die Ukraine wolle den Frieden, doch dieser müsse von einer starken Armee mit modernen Waffen verteidigt werden.
In den USA hatte es zunächst Meinungsverschiedenheiten in der Frage um mögliche Waffenlieferungen an die Ukraine gegeben. Nachdem der designierte Pentagon-Chef Ashton Carter zuvor seine Bereitschaft zur Waffenhilfe hatte erkennen lassen, schloss auch Vizepräsident Joe Biden im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" Waffenlieferungen nun aus.
"Wir haben von Beginn an gesagt, dass es für diese Krise keine militärische Lösung gibt", sagte Biden in dem Interview. "Wir haben kein Interesse an einer militärischen Eskalation und dringen darauf, dass das Gegenteil eintritt." Biden sprach der Ukraine allerdings jedes Recht zu, sich zu verteidigen. Auch stellten die USA weiter "Hilfe im Sicherheitsbereich" zur Verfügung. Damit ist nicht-tödliche Ausrüstung wie etwa Nachtsichtgeräte gemeint. Der US-Vizepräsident erhob zugleich Vorwürfe gegen Moskau und sprach von einer "russischen Aggression". Russland verletze die "Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine", sagte Biden. Auf dem Spiel stehe "nicht weniger als Europas Sicherheit".
Merkel gegen deutsche Waffenlieferungen
Auch Präsident Barack Obama lehnt Waffenlieferungen bislang ab. Sein Kandidat für das Amt des Verteidigungsministers, Carter, zeigte sich wiederum offen dafür: "Ich tendiere sehr stark in diese Richtung", sagte Ashton Carter am Mittwoch bei einer Anhörung im Streitkräfteausschuss des Senats. "Ich glaube, wir müssen die Ukraine dabei unterstützen, sich zu verteidigen."
Die Bundesregierung lehnt deutsche Waffenlieferungen ebenfalls ab. "Deutschland wird die Ukraine nicht mit Waffen unterstützen. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Konflikt militärisch nicht gelöst werden kann", sagte Merkel am Rande ihres Ungarn-Besuchs.
Neue Gewalt im Osten der Ukraine
Überschattet wurde Kerrys anstehender Besuch von neuer Gewalt im Osten der Ukraine. Nach dem Beschuss eines Krankenhauses in der Rebellenhochburg Donezk, bei dem vier Zivilisten getötet wurden, schlugen am Mittwochabend Raketen im Südwesten der Stadt ein, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Die ukrainische Staatsanwaltschaft machte die Rebellen für die Angriffe verantwortlich. Auch der Bahnknotenpunkt zwischen Donezk und Lugansk ist seit Tagen heftig umkämpft. Die prorussischen Rebellen versuchen, die ukrainischen Truppen dort einzuschließen.
Seit vergangenem Frühjahr wurden in der Ostukraine mehr als 5350 Menschen getötet. Die Kämpfe zwischen ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Kämpfern hatten zuletzt wieder an Schärfe zugenommen, auch Zivilisten gerieten zunehmend unter Beschuss. Russland wird vorgeworfen, die Separatisten mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen, streitet dies aber ab.