Die mit orangefarbenen Tüchern, Plakaten und Fahnen ausgestattete Menge plante einen Marsch vor das Gerichtsgebäude, in dem die oberste juristische Instanz des Landes im Verlauf des Tages mit seiner Verhandlung der Beschwerden wegen Wahlbetrugs beginnt. Bis zu einer Beschlussfassung des Gerichts könne es allerdings mehrere Tage dauern, sagte eine Sprecherin des Gerichts vor Beginn der Sitzung. Bis zu 40 Richter sind an dem Verfahren beteiligt, von dem sich Regierungslager wie Opposition eine Lösung der Krise erhoffen.
"Die Prüfung des Falls kann von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen dauern", sagte die Sprecherin. "Dies hängt davon ab, wie viele Vertreter jede Seite schickt und welche Erklärungen sie abgeben."
Bestätigung Janukowitschs oder Neuwahlen
Das Oberste Gericht der Ukraine will über Beschwerden der Opposition wegen Betrugs bei der Präsidentenwahl am Sonntag vor einer Woche beraten. Bereits am vergangenen Donnerstag hatten die Richter die Veröffentlichung des Wahlergebnisses gestoppt. Am Samstag hatte auch das ukrainische Parlament "grobe Verstöße gegen das Wahlgesetz" festgestellt und eine Annullierung der Stichwahl gefordert.
Die Entscheidung des Obersten Gerichts könnte Janukowitsch als Nachfolger von Kutschma bestätigen oder den Weg für Neuwahlen ebnen, wie sie Juschtschenko fordert. Beobachter äußerten allerdings die Befürchtung, dass sich die Kluft zwischen Regierung und Opposition bei jedwedem Ausgang der Gerichtsverhandlung weiter vertiefen dürfte.
Die Opposition um Präsidentschaftskandidat Viktor Juschtschenko will eine schnelle Wiederholung des Urnengangs erreichen. Unterdessen droht durch den Konflikt um die Präsidentenwahl eine Spaltung des Landes.
In der Konfrontation mit der pro-russischen Regierung verschärfte die westlich-orientierte Opposition am Sonntag den Ton deutlich: Eine Beraterin von Oppositionschef Viktor Juschtschenko forderte den amtierenden Präsidenten Leonid Kutschma auf, Ministerpräsident Viktor Janukowitsch binnen 24 Stunden zu entlassen. Sie drohte dem Präsidenten zudem mit einer Blockade seiner Bewegungsfreiheit, sollte er die Forderungen nicht erfüllen.
Referendum über Autonomie
Das stark industrialisierte Donezk-Gebiet im Osten des Landes kündigte für den 15. Dezember ein Referendum über eine mögliche Autonomie an. Die Bevölkerung in dem an Russland angrenzenden Gebiet solle über einen Autonomiestatus entscheiden, entschied das Regionalparlament am Sonntag. Auf einer Kundgebung zur Unterstützung für Regierungschef Viktor Janukowitsch in Donezk nahmen zehntausende Menschen die Ankündigung mit Begeisterung auf. Bislang sieht die Verfassung der Ukraine eine Autonomie für einzelne Gebiete nicht vor.
Die seit über einer Woche anhaltenden Massenproteste der Opposition in Kiew gegen die Präsidentenwahl hatten bereits zuvor im Osten des Landes Forderungen nach einer Abspaltung aufkommen lassen. Der offiziell zum Sieger erklärte Janukowitsch versucht nach Einschätzung von Beobachtern damit, Oppositionsführer Viktor Juschtschenko unter Druck zu setzen.
Juschtschenko rief am Sonntag in Kiew seine Anhänger auf, die Massendemonstrationen gegen Wahlfälschungen fortzusetzen. Er betonte, kein Interesse an einer Teilung der Ukraine zu haben.