Die militärischen Erfolge der Ukraine setzen die russische Führung nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling massiv unter Druck. "Das dürfte den Kreml beeindruckt haben", sagte Mölling am Dienstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage" zu den erfolgreichen Angriffen der ukrainischen Streitkräfte auf das Hauptquartier der Schwarzmeerflotte in Sewastopol sowie andere Ziele.
Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ging davon aus, dass Russland angesichts der schwindenden Reserven nicht mehr in der Lage ist, an allen Frontabschnitten und Kampfgebieten die nötigen Kräfte aufzubieten. Russland müsse die Verteidigungslinien im Süden halten, die Stadt Bachmut verteidigen, Einrichtungen auf der Krim schützen und vieles mehr. "Für alles reicht es nicht mehr gleichzeitig", sagte Mölling. Er ging davon aus, dass es der Ukraine gelingen werde, den Durchbruch in der Front zu erweitern und weiter nach Süden vorzudringen. "Man kann jetzt mit größerer Sicherheit sagen, dass es vorangeht", betonte er. Unklar sei, wie die russische Führung darauf reagieren werde. Mölling sagte dazu: "Man kann darauf hoffen – aber es ist nur eine Hoffnung -, dass die russische militärische Führung sagt: Sorry, aber das hier ist eine verlorene Schlacht, wir müssen das hier aufgeben."
Putin steht das "Wasser mehr und mehr zum Hals"
Mölling beschrieb, dass ziemlich genau bestimmt werden könne, was die Truppen zur Erfüllung ihrer Aufgaben an Treibstoff, Munition, Lebensmitten und so weiter benötigten. Wenn diese Versorgung nicht mehr gewährleistet sei, werde ziemlich klar, dass auch die Ziele nicht zu erreichen seien. Nach seiner Einschätzung steuere Russland auf eine Entwicklung zu, wo "das Wasser mehr und mehr bis zum Halse steht und wir immer mehr in einen Bereich kommen, wo alle immer nervöser werden".
In der russischen Führung werde sich mancher fragen, ob der Sieg mit Präsident Wladimir Putin noch möglich sei oder man "auf ein neues Pferd setzen muss". Er glaubt, "dass sich alle überlegt haben, wie komme ich aus der Nummer raus, wenn das hier vor die Wand fährt". Mölling machte zugleich deutlich, dass die Akteure in Moskau keinen Grund hätten, auf eine Ausweitung des Krieges zu setzen.