Der Sicherheitsexperte Christian Mölling hat sich dafür ausgesprochen, der Ukraine weit reichende Artillerieraketen zu liefern, damit sie die Verbindungslinien zwischen der Krim und Russland kappen kann. Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", die Eisenbahnstrecke vom Donbass nach Süden sei "die einzige noch einigermaßen gut funktionierende logistische Verbindung". Ihre Zerstörung hätte gravierende Folgen: "Schafft man es, diese Lebensader zu unterbrechen, dann – das Wort sagt es schon – geht das Leben militärisch gesehen zu Ende."
Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erläuterte, dass die russischen Truppen in dem betroffenen Teil der Ukraine ohne Versorgung und Munition nur die Wahl hätten, aufzugeben oder sich zurückzuziehen. Die Zerstörung der Eisenbahnverbindung ließe sich "relativ einfach erreichen, indem man den Ukrainern eine begrenzte Anzahl an Raketenartillerie-Geschossen gibt." Und zwar solche mit größerer Reichweite als die bisher gelieferten. So könne man die Schienenverbindung unbrauchbar machen "und damit auch die Möglichkeit eines Erfolges erheblich nach oben drehen".
Streben nach Atomwaffen möglich
Mölling zeigte sich überzeugt, dass die Ukraine auch nach einem Ende des Krieges militärisch abgesichert werden müsse. Er erwartet aber keinen schnellen Beitritt der Ukraine zur Nato und zeigte Verständnis für Bedenken gegen Sicherheitsgarantien des Westens, die bereits in der Vergangenheit versagt hätten. Mölling geht davon aus, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine eine russische Reaktion hervorrufen würde. "Die Glaubwürdigkeit wird von Russland vom ersten Tag an getestet werden", sagte er.
Dennoch gebe es ganz unterschiedliche Gründe dafür, die Ukraine militärisch abzusichern. Einer davon sei, die Ukraine von dem Versuch abzuhalten, sich selbst Nuklearwaffen zu besorgen. "Der Beitritt der Ukraine in die Nato ist möglicherweise auch ein Beitritt zur Verhinderung der weiteren Proliferation von Nuklearwaffen", warnte der Experte. "Aus Sicht der Ukraine gibt es zur Zeit einen Genozid gegen das ukrainische Volk. Wir haben ein Beispiel in der Geschichte, in der das auch so war. Und die Lösung des Staates Israel ist, sich mit Nuklearwaffen zu bewaffnen." Hier ließe sich eine historische Parallele ziehen, die zu dem Schluss führe: "Ist doch völlig logisch, dass die einzige Möglichkeit, ernst genommen zu werden von Moskau, ist, dass ich mich mit Nuklearwaffen bewaffne, die mir mindestens die Möglichkeit geben, Moskau in Schutt und Asche zu legen." Mölling räumte ein, dass nicht klar sei, ob die Ukrainer die Mittel und die Zugänge hätten, um sich atomar zu bewaffnen. Aber: "Eine der übergeordneten Lehren aus dem Konflikt ist: Hier geht es ums Überleben, da werden sie kreativ."