"Ukraine – die Lage" Ukraine-Hilfen: Mölling fordert wegen Chaos in der US-Politik ein starkes Signal der Europäer

US-Präsident Joe Biden und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj beim G7-Gipfel Mitte September. Bisher konnten sich die Ukrainer auf die Hilfe der Amerikaner verlassen – das Chaos im Repräsentantenhaus könnte das nun ändern
US-Präsident Joe Biden und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj beim G7-Gipfel Mitte September. Bisher konnten sich die Ukrainer auf die Hilfe der Amerikaner verlassen – das Chaos im Repräsentantenhaus könnte das nun ändern
© Susan Walsh / AP Pool / DPA
Das Debakel um den Sprecherposten im US-Repräsentantenhaus kann auch für die Ukraine ernsthafte Konsequenzen haben. Sicherheitsexperte Christian Mölling sieht Europa deshalb in der Verantwortung.

Der Sicherheitsexperte Christian Mölling sieht die großen europäischen Nationen in der Pflicht, auf das Chaos in Washington mit einem klaren Bekenntnis zur Unterstützung der Ukraine zu reagieren. Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", die Leistungen der USA für die Ukraine würden nach seiner Einschätzung zwar weitergehen, aber unzuverlässiger werden.

"Es sind mehr Tricks und Hebel jetzt notwendig", sagte er zu den Aussichten von Präsident Joe Biden weitere Hilfen trotz der Handlungsunfähigkeit des Kongresses zu ermöglichen. Die Europäer sollten Biden nun unterstützen. Dazu erläuterte der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik: "In dem Augenblick, in dem wir das mehr in die Hand nehmen, helfen wir dem amerikanischen Präsidenten, weil er sagen kann: Guckt mal, die Europäer gehen mit rein." Diese Aufgabe könne aber nicht die Europäische Union übernehmen, da deren Prozesse dazu zu langwierig seien. Es sei nicht realistisch anzunehmen, dass sie sich in kürzester Zeit zu einem Kraftakt durchringe. "Das passiert nicht, weil das einfach eine Konsensmaschine ist."

Europas Industrienationen sollten bei Ukraine-Hilfen für USA einspringen

Gefragt seien daher die großen Nationen. "In Situationen wie jetzt wäre es ein starkes Signal gewesen, wenn man gesagt hätte aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, vielleicht aus Italien, vielleicht auch Polen: Okay, wir übernehmen das Puffern. Wenn bei den Amerikanern möglicherweise der Geldstrom abreißt, springen wir ein."

Dies müsse jedoch so geschehen, dass der Druck zur Unterstützung der Ukraine in den USA aufrecht gehalten werde. Statt Biden nach Kräften zu unterstützen, schauten die Europäer aber vor allem auf eine mögliche Wiederwahl von Ex-Präsident Donald Trump. "Da stehen wir wie das Kaninchen vor der Schlange", kritisierte er. 

Mölling verwies darauf, wie unterschiedlich die Staats- und Regierungschefs der großen Länder der EU seien. Gerade deshalb wäre es ein besonders starkes Signal, wenn sie gemeinsam sagten: "Bei dieser einen Sache, da sind wir uns einig. Wir übernehmen Verantwortung für Europa."

Die Bundesregierung rief er dazu auf, politische Führung zu zeigen – sowohl in Europa als auch mit Blick auf die eigene Bevölkerung. Er beklagte einen Stillstand im Kanzleramt. Die Regierung eiere herum und nehme die Bevölkerung nicht für voll. "Das Traurige ist, das wird wahrscheinlich so weiter gehen", sagte er.

yks