Umfragen-Knick Normalerweise profitieren US-Präsidenten im Kampf gegen Krisen. Nur nicht Donald Trump

Es muss ja nicht eine Zustimmung von SED-haften 94 Prozent sein, wie sie Markus Söder genießt – aber mit etwas mehr Begeisterung über seinen Kampf gegen das Coronavirus dürfte Donald Trump schon gerechnet haben. Gibt es aber nicht. Was ist los?  

Wegen seines Managements der Corona-Krise sind 94 Prozent (!) der Bayern mit ihrem Ministerpräsidenten Markus Söder zufrieden. So viel Zustimmung gibt es außer bei der CSU wohl sonst nur bei kommunistischen Parteien. Jedenfalls hat noch nie ein deutscher Bundes- oder Landespolitiker einen solchen Umfragewert erreicht. "Rally 'round the flag" nennen die Amerikaner den Effekt, wenn sich die Menschen in schwierigen Zeiten um ihren Anführer scharen. Angela Merkel bekommt den auch gerade zu spüren, eigentlich können derzeit alle (westlichen) Regierungschefs bei ihrer Bevölkerung punkten. Bis auf Donald Trump.

Weniger als 50 Prozent unzufrieden 

Seit seinem Amtsantritt leidet der US-Präsident unter miesen Umfragewerten. Trotz der bis vor wenigen Wochen noch florierenden Wirtschaft, meist ein Garant für Beliebtheit, war nie mehr als die Hälfte der Amerikaner zufrieden mit der Arbeit ihres Staatsoberhaupts. Dann aber erfasste die Corona-Krise Mitte März auch die USA mit voller Wucht und siehe da: die Zustimmung nahm rasant zu. Oder im Fall Donald Trumps besser formuliert: Zum ersten Mal seit März 2017 waren nicht mehr als 50 Prozent der Befragten unzufrieden mit seiner Amtsführung. Doch das Hoch war offenbar nur ein Ausrutscher – neueren Umfragen zufolge bewegen sich die Zahlen wieder auf das Niveau der vergangenen drei Jahre zurück.

"Es ist wirklich ungewöhnlich, dass es angesichts der Schwere und Breite der Krise kaum einen Effekt gibt", sagte Patrick Murray vom Monmouth University Polling Institute der US-Seite "Politico". "Aber es sagt etwas über Trumps Unwillen oder Unfähigkeit aus, aus einem solchen Moment Kapital zu schlagen", so der Demograf weiter. Andere US-Präsidenten konnten sich in Ausnahmesituationen mehr auf den Rückhalt ihrer Bevölkerung verlassen. So hatte John F. Kennedy in der Kubakrise eine Zustimmungsrate von bis zu 74 Prozent. George Bush Senior kam während des ersten Irak-Kriegs auf 87 Prozent und sein Sohn Bush Junior erreichte vier Wochen nach den Terroranschlägen vom 11. September sogar 90 Prozent.

Hat Donald Trump zu langsam reagiert?

An einem Mangel an martialischer Rhetorik jedenfalls liegt es nicht, dass der aktuelle US-Präsident so derart aus der Reihe schlägt. "Amerika führt einen kompromisslosen Krieg, um das Virus zu besiegen, es werde an jeder Front angegriffen", sagte er jüngst auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Zu dem Zeitpunkt waren seine Werte laut der "Washington Post" gerade im Begriff zu steigen – was Trump offenbar so begeisterte, dass er die Zeitung sogar damit zitierte, statt wie sonst als "Fake News" zu diskreditieren. Unter den Tisch fallen ließ er dagegen das Ergebnis einer weiteren Erhebung: 58 Prozent sagten, er habe in der Krise nicht schnell genug reagiert.

Sehen Sie im Video: Trump macht während Corona-Pressekonferenz doppeldeutigen Witz über "Models".

Donald Trump bei einer Pressekonferenz über die Coronavirus-Krise in den USA.
© cspan
Trump macht während Corona-Pressekonferenz einen doppeldeutigen Witz über "Models"

Auffallend bei Donald Trumps kurzem Stimmungshoch: Es begann ungefähr zum gleichen Zeitpunkt, als er anfing, tägliche Pressebriefings im Weißen Haus abzuhalten. Bis dahin hatte er den dafür vorgesehenen Raum nur höchst selten betreten, an Journalisten wandte er sich entweder auf Dienstreisen, in Interviews oder über Twitter. Doch das Bedürfnis der Bevölkerung nach Informationen aus erster Hand ist offenbar riesig: "Präsident Trump ist ein Quotenhit. Seitdem er die tägliche Pressekonferenz im Weißen Haus wiederbelebt hat, und dabei Updates zum Coronavirus liefert, gucken ihn dabei so viele Menschen zu, wie sonst nur bei beim Finale des 'Bachelors'", schreibt die "New York Times".

RCP Umfragen
Seit Amtsantritt hat Donald Trump eher miese Umfragewerte, wie die Grafik von "Real Clear Politics" zeigt
© Screenshot / stern

Dass die tägliche Trump-Show so gut ankommt, liegt möglicherweise auch an einem Nebendarsteller, der unfreiwillig zum Star geworden ist: Anthony Fauci, Top-Immunologe und Berater der Regierung. Sein Mienenspiel während den Ausführungen des Präsidenten sind mittlerweile legendär. Nicht wenige interpretieren darin ein gehöriges Maß an Fremdscham angesichts der Äußerungen Trumps. Und da liegt möglicherweise das Problem: Waren die Amerikaner zunächst noch froh darüber, dass ihr Präsident nach Wochen des Abwiegelns und Zögerns endlich die Rolle des Oberbefehlshabers im Krieg gegen das Virus annahm, wird ihnen zunehmend bewusst, dass er vielleicht doch nicht der geeignete Mann für Krisen dieser Art ist. "Er benützt öffentliche Auftritte dazu, die Panik, die mittlerweile wohl auch in ihm nistet, an seine Untertanen weiterzugeben. Seine Auftritte sind Veranstaltungen des Terrors. Er lügt, er beleidigt, er fantasiert, er stiftet Verwirrung, wo er kann", schreibt die "Zeit" über seine täglichen Auftritte.

Gleichzeitig schlage den Demoskopen zufolge nun Trumps anfängliches Leugnen der Krise und sein Zaudern durch. Nun werde klar, dass "er die Bedrohung am Anfang offensichtlich heruntergespielt hat – und das kann Trump nicht wieder rückgängig machen", sagte Margie Omero vom "Navigator Research Project" zu "Politico". Dazu passen Befragungen, nach denen 54 Prozent der Amerikaner sagen, das Wort "ehrlich" beschreibe nicht seinen Umgang mit der Situation und nur 42 Prozent würden ihn "kompetent" nennen, so das US-Magazin.

"Die Leute haben ihre vorgefasste Meinung"

Solange die Corona-Krise anhält, werden Trumps Zustimmungsraten in nächster Zeit wohl weiter in beide Richtungen ausschlagen, doch "Politico" zieht schon jetzt ein eher nüchternes Fazit: Die meisten Amerikaner beurteilten Trumps Leistung während der Pandemie ungefähr genauso, wie sie seine Leistung im Allgemeinen sehen. Oder, wie es der Demograf Neil Newhouse sagt: "Die Leute haben ihre vorgefasste Meinung über den Präsidenten und er kann nichts dagegen tun."

Quellen: "Politico"; "New York Times", CNN, DPA, AFP, "Die Zeit", Real Clear Politics

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