Frankreich erkennt als erstes Land den oppositionellen Nationalrat als "rechtmäßigen Vertreter" Libyens an. Das teilte das Präsidialamt in Paris am Donnerstag mit. Das libysche Regime reagierte prompt: Es erwägt als den Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Das erklärt das Außenministerium in Tripolis.
Präsident Nicolas Sarkozy hatte zuvor als erster Staatschef zwei Vertreter des libyschen Nationalrates empfangen. Die französische Regierung werde demnächst einen Botschafter nach Bengasi schicken, wo der Nationalrat seinen Sitz hat.
Der Nationalrat wurde von Gegnern des jahrzehntelangen Machthabers Muammar al Gaddafi gegründet und hat sich zum alleinigen legitimen Vertreter des libyschen Volkes erklärt.
Frankreich gibt damit möglicherweise den Kurs für das Treffen der Außenminister der 27 EU-Staaten und die Nato-Verteidigungsminister an diesem Donnerstag vor. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte am Mittwoch eine Anerkennung des Nationalrates als einzig rechtmäßige Autorität des Landes zunächst abgelehnt. In Brüssel will die EU Möglichkeiten ausloten, um den Druck auf Gaddafi zu verstärken, den blutigen Kampf gegen die Aufständischen zu beenden.
"Es geht um Maßnahmen, um Gaddafi weiter zu isolieren"
Unterdessen haben Deutschland und Großbritannien in einem Schreiben an die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton härtere Sanktionen gegen Libyen gefordert. Unmittelbar vor Sitzungen der Nato-Verteidigungsminister und der EU-Außenminister in Brüssel schreiben die Außenminister Guido Westerwelle und William Hague, die EU müsse in dem Konflikt geschlossen auftreten. Sie rufen ihre Kollegen auf, eine gemeinsame Erklärung abzugeben, dass alle Mitgliedstaaten eine Zusammenarbeit mit dem Regime des libyschen Staatschefs Muammar al Gaddafi ablehnen, berichteten am Donnerstag die BBC und die britische Nachrichtenagentur PA.
"Die EU sollte eine ehrgeizige, klare Antwort mit einer Reihe von konkreten kurzfristigen wie langfristigen Maßnahmen verabschieden", heißt es in dem Brief. Gaddafi müsse zurücktreten, um einen echten demokratischen Wandel des Landes möglich zu machen. Nach Informationen von BBC und PA ist mit der Aufforderung allerdings nicht der Abbruch von diplomatischen Beziehungen verbunden. Es gehe erst einmal um Maßnahmen, Gaddafi weiter zu isolieren.
Maßgeschneiderte Lösungen für jedes Land
Die Veränderungen am Südrand des Mittelmeers stellten Europa vor Herausforderungen und Möglichkeiten in einer Größenordnung, die sich an den Revolutionen von 1989 in Osteuropa messen ließen, schreiben Westerwelle und Hague weiter. Die EU müsse allerdings für jedes einzelne Land maßgeschneiderte Lösungen finden. "Unsere Vision ist eine umfassende Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen den Völkern in Europa und ihren Nachbarn, aufgebaut auf einer tieferen und weiteren wirtschaftlichen Integration."
Deutschland sperrt bereits die Konten der libyschen Notenbank und des libyschen Staatsfonds bei deutschen Kreditinstituten. Entsprechende Verfügungsverbote über Gelder libyscher Finanzeinrichtungen hat Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erteilt. Betroffen seien 14 Kreditinstitute mit Sitz in Deutschland sowie die Deutsche Bundesbank, wie am Donnerstag aus Regierungskreisen in Berlin weiter verlautete.
Am Donnerstagmorgen haben die Truppen des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi nach Angaben von Aufständischen erneut die libysche Ölstadt Ras Lanuf unter Beschuss genommen. Bei den Luftangriffen wurden nach Angaben eines Krankenhausmitarbeiters der Parkplatz des Krankenhauses und ein nahe gelegenes Wohnhaus getroffen. Nach ersten Informationen wurden sieben Menschen verletzt. Rund um die östliche Stadt Ras Lanuf finden seit Tagen erbitterte Gefechte zwischen Aufständischen und den Truppen Gaddafis statt. Viele Familien haben die Stadt inzwischen verlassen.