Das Wichtigste zur US-Kongresswahl
Bei den Kongresswahlen entscheiden die Wähler in den USA über die künftige Weichenstellung für die Politik ihres Landes bis zur Präsidentenwahl 2012. Die Demokraten von US-Präsident Barack Obama müssen sich auf herbe Verluste einstellen. Die Republikaner wollen die "Midterm Elections" zum Referendum über die von der Wirtschaftskrise und einer steigenden Arbeitslosigkeit geprägte bisherige Amtszeit Obamas machen.
Was genau wählen die US-Amerikaner?
Abgestimmt wird über alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses sowie 37 der 100 Senatoren. Bislang haben Obamas Demokraten sowohl im Abgeordnetenhaus mit 255 Abgeordneten als auch im Senat eine klare Mehrheit. Ferner werden in 37 der 50 US-Bundesstaaten die Gouverneure gewählt. Quer durch das Land müssen die Wähler zudem unter anderem über die Zusammensetzung von Regionalparlamenten und anderen Lokalämtern entscheiden. Gestartet wird am Dienstagmorgen in acht US-Bundesstaaten im Osten des Landes. Die ersten Wahllokale an der Ostküste schließen um Mitternacht deutscher Zeit, die letzten an der Westküste am Mittwochmorgen um vier Uhr.
Was ist der Kongress?
Die Wahlen für den Kongress finden alle zwei Jahre statt. Der ist gemäß der US-Verfassung zuständig für die Gesetzgebung, den Haushalt sowie die Kontrolle von Präsident und Regierung. Der Kongress mit Sitz im Washingtoner Kapitol besteht aus dem Repräsentantenhaus, der "Kammer des Volkes" (vergleichbar mit dem Bundestag) sowie dem Senat, der Vertretung der Bundesstaaten (vergleichbar mit dem Bundesrat). Im Abgeordnetenhaus werden alle zwei Jahre sämtliche Abgeordnete neugewählt, im Senat alle zwei Jahre ein Drittel der 100 Abgeordneten. Ursprünglich wurden die Senatoren von ihren Bundesstaaten gestellt, weil das aber zunehmend als undemokratisch empfunden wurde, werden die Abgeordneten seit 1913 gewählt.
Wer hat die besten Chancen?
Die Demoskopen sind sich einig: Obamas Demokraten stehen vor einer Schlappe. Die Frage ist nur, wie hoch ihre Niederlage ausfallen wird. Nach einer Umfrage des "Wall Street Journal" und des US-Senders NBC wollen 49 Prozent der US-Amerikaner, dass die Republikaner die Führung im Repräsentantenhaus übernehmen, 43 Prozent sähen lieber die Demokraten in der Mehrheit. Im Senat dürften die Republikaner ebenfalls kräftig zulegen, auch wenn die Demokraten ihre Mehrheit dort knapp behaupten könnten.
Welche Rolle spielt die Tea-Party-Bewegung?
Eine sehr große. Die erzkonservative Bewegung hat sich von einer Randerscheinung weiter ins Zentrum der amerikanischen Politik vorgearbeitet. Mit ihrer Forderung nach Ausgaben- und Steuerkürzungen und einem Abspecken des Regierungsapparats steht sie den Republikanern nahe. Ihre Ikone ist Sarah Palin, die frühere Gouverneurin von Alaska und ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin. Der Name geht zurück auf die Bostoner "Tea Party" von 1773. Die damaligen Siedler lehnten sich gegen Steuerpläne der britischen Kolonialherren auf. Aus Protest gegen die britische Herrschaft warfen die Revolutionäre ganze Teeladungen aus Schiffen und Warenhäusern ins Hafenbecken. Die "Tea Party" ist mittlerweile ein Sprachrohr der Millionen von Unzufriedenen, Frustrierten und Zornigen im Land - jener mit einer grenzenlosen Abneigung gegen Obama und seine vermeintlich marxistische Politik der staatlichen Übermacht, aber auch gegen das "alte Washington" insgesamt.
Um welche Themen ging es im Wahlkampf?
Die schlechte Wirtschaftslage hat alles andere in den Hintergrund gedrängt. Obama tut sich schwer, sein Versprechen zu erfüllen, die Wirtschaft nach der schlimmsten Rezession seit den 1930er Jahren wieder auf eine feste Grundlage zu stellen. Trotz eines 814 Milliarden Dollar schweren Konjunkturprogramms, verharrt die Arbeitslosenquote bei knapp zehn Prozent. Die hohe Arbeitslosigkeit ist mit Abstand das größte Problem der Demokraten bei diesen Wahlen. Darüber hinaus weist der Staatshaushalt ein Defizit von 1,3 Billionen Dollar auf. Mit ihrer unpopulären Gesundheitsreform haben Obamas Demokraten eine weitere Angriffsfläche für die Republikaner geliefert. Zwar erhalten 32 Millionen US-Bürger eine Krankenversicherung, allerdings versteht der Großteil der Bevölkerung nicht, worum es bei der Reform genau geht. Zudem haben etwa 20 Bundesstaaten Klage gegen den Umbau eingereicht.
Wird es eine neue Politik in Washington geben?
Das Regieren wird nach dem zu erwartenden Rechtsruck im Kongress für Barack Obama noch schwieriger werden. Im Extremfall droht eine Blockade, um Vorhaben durchzusetzen, werden beide Seiten wie in einer großen Koalition kooperieren müssen. Etwa beim arg strapazierten Haushalt: Um das gigantische Defizit in Höhe von 1,3 Billionen Dollar zu bekämpfen, wollen die Demokraten bei der Altersversorgung kürzen, die staatlich finanzierten Krankenversicherungsprogramme reformieren sowie Steuern erhöhen. Die Republikaner bevorzugen Kürzungen bei den Staatsausgaben statt Steuererhöhungen. Schwierig wird es auch beim Klimaschutz, denn die Demokraten streben schärfere Klimaschutzgesetze an, die bei den Republikanern auf harten Widerstand treffen. Bei Zuwächsen der Republikaner wird es für Obama schwer bis unmöglich, Vorschriften durchzubringen, die eine verbindliche Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen etwa in der Schwerindustrie verlangen. Die äußerst umstrittene Gesundheitsreform werden die Republikaner wohl nicht zurücknehmen können, aber die dafür benötigten Gelder blockieren. Die Republikaner könnten einen erneuten Versuch unternehmen, Ölbohrungen in der Wildnis Alaskas zu erlauben. Sie dürften sich zudem für die Automobilindustrie einsetzen.
Wie geht es nach der Wahl weiter?
Experten weisen darauf hin, dass das Ergebnis der Kongresswahl noch keine Vorentscheidung für die Präsidentenwahl 2012 bedeutet: Obama ist trotz der zu erwartenden Niederlage längst nicht geschlagen. Er wird versuchen, die erstarkten Republikaner in die Pflicht zu nehmen. Auf republikanischer Seite dürften sich bald die ersten Gegenkandidaten für 2012 in Stellung bringen.
Was ist bei den Gouverneurswahlen zu erwarten?
In 37 Bundesstaaten wird ein neuer Regierungschef gewählt (vergleichbar mit einem Ministerpräsidenten). Spannend wird es vor allem in Kalifornien, hier wird der Nachfolger für Arnold Schwarzenegger bestimmt. Letzten Umfragen zufolge liegt der demokratische Ex-Gouverneur Jerry Brown klar vor der republikanischen Unternehmerin Meg Whitman. Die ehemalige Ebay-Chefin hatte mehr als 140 Millionen Dollar (knapp 100 Millionen Euro) aus ihrem Privatvermögen in den Wahlkampf gesteckt. In einer ebenfalls stattfindenden Volksabstimmung entscheiden die Bürger zudem über die Legalisierung von Marihuana. Der stark defizitäre Staatshaushalt soll sich durch die Besteuerung einschlägiger Rauschmittel eine neue Einnahmequelle erschließen.