Fragen und Antworten 85 Ziele in zwei Ländern: Was wir über den Vergeltungsschlag der USA in Syrien und im Irak wissen

US-Präsident Joe Biden verneigt sich vor den Transportkoffern mit den sterblichen Überresten von drei Soldate
US-Präsident Joe Biden verneigt sich vor den Transportkoffern mit den sterblichen Überresten von drei Soldaten trägt, die bei einem Drohnenangriff in Jordanien getötet wurden
© Alex Brandon / AP / DPA
Nach dem Angriff auf einen US-Stützpunkt in Jordanien, bei dem drei US-Soldaten starben, üben die Vereinigten Staaten Vergeltung. Wie ist die Lage in der Konfliktregion? Was derzeit bekannt ist.

Täglich werden US-Militärstützpunkte im Irak und in Syrien von pro-iranischen Milizen angegriffen. Hintergrund ist der blutige Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Aus Solidarität mit den Machthabern in dem abgeriegelten Küstenstreifen greifen die jemenitischen Huthi auch immer wieder Frachter im Roten Meer an. Gegen die Attacken zu Land und auf dem Wasser wehren sich die Vereinigten Staaten ihrerseits mit Angriffen. Doch die US-Luftschläge schreckten die Milizen bisher nicht vor weiteren Attacken ab. Nach dem jüngsten Angriff auf einen US-Militärstützpunkt in Jordanien nehmen die Vergeltungsanschläge neue Ausmaße an. Die Sorge vor einer Eskalation in der Region wächst.

Wie geht es nun weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Warum haben die USA Syrien und den Irak angegriffen?

Bei einem Drohnenangriff auf einen US-Militärstützpunkt in Jordanien nahe der syrischen Grenze sind drei US-Soldaten getötet worden. Zahlreiche weitere Soldaten wurden verletzt. Der "Islamische Widerstand im Irak" bekannte sich zu dem Angriff. Es handelt sich um eine Art Dachgruppe für proiranische Milizen im Irak, die seit dem 7. Oktober gemeinsam unter diesem allgemeinen Namen auftreten. Sie wird vom Iran unterstützt, zählt zu den stärksten Milizen im Irak und fordert den Abzug der US-Truppen aus dem Land.

Wo fanden die Vergeltungsanschläge statt?

Als Reaktion auf den Tod der drei US-Soldaten bombardierten die US-Streitkräfte mehr als 85 Ziele an sieben verschiedenen Orten im Irak und in Syrien. Das für den Nahen Osten zuständige US-Regionalkommando Central Command erklärte, darunter seien Kommando- und Geheimdienstzentralen sowie Raketen- und Drohnenlager von Milizen und den Al-Kuds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden gewesen, die Angriffe gegen US-Streitkräfte und verbündete Truppen ermöglicht hätten. Zudem seien mehr als 125 Präzisionsraketen oder Präzisionsbomben zum Einsatz gekommen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete zudem Angriffe in der Nähe al-Majadin in der Provinz Deir Essor.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, John Kirby, sagte, die Angriffe hätten rund 30 Minuten gedauert. An dem Militäreinsatz beteiligt waren demnach auch in den USA gestartete Langstreckenbomber vom Typ B-1.

Sicherheitskreise im Irak verlauteten zuletzt, im Westirak seien Stellungen pro-iranischer Milizen angegriffen worden, insbesondere bei al-Kaim an der Grenze zu Syrien. Nach ersten Informationen sei ein Waffenlager bombardiert worden, sagte ein Beamter des Innenministeriums der Nachrichtenagentur AFP.

Ein Vertreter des pro-iranischen Haschd-al-Schaabi-Netzwerks bestätigte den Angriff und einen weiteren Angriff weiter südlich. Die irakische Regierung verurteilte die US-Luftangriffe als "Verletzung der irakischen Souveränität". Kirby betonte später, die US-Regierung habe die irakische Regierung im Vorfeld der Angriffe gewarnt.

Die militante Gruppe Islamischer Widerstand meldete zudem Angriffe auf den Luftwaffenstützpunkt al-Harir im Nordirak, wo auch US-Soldaten stationiert sein sollen. Insider wiesen die Berichte auf Nachfrage der Nachrichtenagentur Reuters aber zurück.

Wie hoch sind die Opferzahlen?

Nach offiziellen Angaben und Aussagen von Aktivisten sind bei den Vergeltungsanschlägen mindestens 34 Menschen getötet worden. Unter den 16 Todesopfern im Irak seien auch Zivilisten, teilte ein Regierungssprecher in Bagdad mit. Eine Zahl nannte er nicht. Zudem habe es 25 Verletzte gegeben sowie Schäden an Wohngebäuden und an Privatbesitz von Irakern. Der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London zufolge wurden nach Angaben aus der Nacht zum Samstag in Syrien zudem mindestens 18 Mitglieder proiranischer Milizen getötet.

Wie reagieren die Konfliktparteien?

Der Irak kritisierte die US-Militärschläge in dem Land scharf. Diese verletzten Iraks Souveränität, mit unvorhersehbaren Konsequenzen, sagte der Sprecher des Oberbefehlshabers der irakischen Streitkräfte in der Nacht zum Samstag in einer im Fernsehen verbreiteten Erklärung. Die US-Angriffe stellten eine Bedrohung dar, "die den Irak und die Region in unvorhersehbare Konsequenzen hineinziehen wird, und ihre Folgen werden für die Sicherheit und Stabilität im Irak und in der Region schrecklich sein", warnte der Militärsprecher.

Auch die syrische Regierung in Damaskus verurteilte die Vergeltungsangriffe des US-Militärs auf Ziele in Syrien und im Irak. Was die USA getan hätten, habe dazu beigetragen, den Konflikt im Nahen Osten auf sehr gefährliche Weise anzuheizen, erklärte das syrische Außenministerium.

US-Präsident Joe Biden erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme kurz nach dem Gegenschlag in den beiden Ländern: "Unsere Reaktion hat heute begonnen. Sie wird fortgesetzt zu Zeiten und an Orten unserer Wahl." Die Vereinigten Staaten strebten keinen Konflikt im Nahen Osten oder irgendwo sonst auf der Welt an, betonte er. "Aber all jene, die uns Schaden zufügen wollen, sollen Folgendes wissen: Wenn Sie einem Amerikaner Schaden zufügen, werden wir darauf reagieren."

Auch der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus, John Kirby, erklärte: "Es wird weitere Angriffe von uns geben." Man habe die irakische Regierung vorab darüber informiert, dass es einen Gegenschlag der USA geben werde. Die bisherigen Angriffe bezeichnete er als erfolgreich, weitere Details nannte er nicht.

Der Iran hat die US-Luftangriffe auf Dutzende Stellungen proiranischer Milizen im Irak und in Syrien scharf verurteilt. "Diese abenteuerlustigen Angriffe werden lediglich zu noch mehr Spannungen und Instabilität in der Region führen", sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani. Er warf den USA vor, damit israelische Kriegsverbrechen in Gaza vertuschen zu wollen. Dies sei eine "strategische Fehlkalkulation" der US-Regierung und werde Washington nur noch weiter in den Konflikt zwischen Israel und Palästina hereinziehen, sagte der Sprecher laut dem Webportal des Außenministeriums.

Was sagt die Weltgemeinschaft? 

Deutschlands Europastaatsministerin Anna Lührmann bezeichnete die Angriffe auf US-Stützpunkte der vergangenen Wochen als unverantwortlich und verteidigte die Vergeltungsanschläge. Polens Außenminister Radoslaw Sikorski erklärte: "Irans Stellvertreter spielen seit Monaten und Jahren mit dem Feuer - und jetzt verbrennt es sie."

Auch Großbritannien positionierte sich eindeutig an der Seite der USA. Beide Länder haben im vergangenen Monat koordinierte Angriffe auf die Huthi-Rebellen im Jemen begonnen, die ihrerseits wiederholt Handelsschiffe im Roten Meer angegriffen haben. "Großbritannien und die USA sind treue Verbündete. Wir würden ihre Einsätze nicht kommentieren, aber wir unterstützen ihr Recht, auf Angriffe zu reagieren", erklärte ein Sprecher der britischen Regierung.

Deutlich kritischer äußerte sich die belgische Außenministerin Hadja Lahbib. Sie sagte, es gebe nun das echte Risiko, dass sich die Nahost-Krise ausweite. Auch der EU-Chefdiplomat Josep Borrell warnte vor einer weiteren Zuspitzung der Spannungen. Der Nahe Osten sei ein "Kessel, der explodieren" könne, sagte der Spanier am Samstag am Rande eines informellen EU-Außenministertreffens in Brüssel. Man rufe alle Beteiligten auf, sich darum zu bemühen, eine Eskalation zu vermeiden.

Reuters · AFP · DPA
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