US-Verteidigungspolitik Hillary Clinton fordert Rumsfelds Rücktritt

Hillary Clinton geht in die Offensive: Die Senatorin hat US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld grobe Fehler im Irak vorgeworfen und ihn zum Rücktritt aufgefordert. "Sie sind Chef einer verfehlten Politik", sagte sie.

Senatorin Hillary Clinton appellierte an US-Präsident George W. Bush, er möge Donald Rumsfelds Rücktritt akzeptieren, wie Clintons Sprecher sagte. Clinton lieferte sich zuvor einen harschen Wortwechsel mit dem Minister im Militärausschuss des Senats. „Wir hören eine Menge fröhliches Gerede und rosige Szenarien, aber wegen der groben strategischen Fehler der Regierung und, ehrlich gesagt, der langen Liste der Führungsinkompetenz, sind sie Chef einer verfehlten Politik“, sagte Clinton, eine mögliche Kandidatin für Bushs Nachfolge bei der Wahl in zwei Jahren. „Angesichts dieser Ergebnisse, Minister Rumsfeld, warum sollten wir ihren Zusicherungen nun glauben?“, fragte sie.

Rumsfeld will Truppen nicht frühzeitig abziehen

Auch Verteidigungsminister Rumsfeld äußerte sich vor dem Ausschuss und warnte angesichts der Gewalt vor einem frühzeitigen Abzug der US-Truppen. Dies käme einem Sieg für die Aufständischen gleich, betonte Rumsfeld. "Wenn wir den Irak verfrüht verlassen, wie es die Terroristen fordern, würden sie uns als nächstes dazu drängen, Afghanistan und dann den gesamten Nahen Osten zu verlassen." Dann entstünde der Eindruck, als ob Extremisten der freien Welt sagen könnten, was sie zu tun und zu lassen hätten. Rumsfeld bekräftigte das Ziel der US-Regierung, die Truppenpräsenz im Irak zu reduzieren, wenn die Bedingungen vor Ort dies zuließen.

Der Irak befindet sich auch nach Einschätzung führender US-Militärvertreter am Rande eines Bürgerkriegs. Vor Clinton haben bereits mehrfach Mitglieder der Demokratischen Partei den Rücktritt Rumsfelds gefordert. Eigentlich wollte dieser gar nicht vor dem Senatsausschuss erscheinen und sich lieber in einer nicht-öffentlichen Sitzung vor dem gesamten Senat äußern. Allerdings stellte Clinton einen Antrag, so dass Rumsfeld im Ausschuss aussagen musste.

Aufständische töten zwei US-Soldaten

Unterdessen haben Aufständische bei Angriffen in der westirakischen Provinz Anbar zwei US-Marineinfanteristen getötet. Das teilte das US-Militärkommando in Bagdad in der Nacht zum Freitag mit. Die Angriffe erfolgten demnach am Donnerstag. Damit kamen zwölf US- Soldaten in der teilweise von Aufständischen kontrollierten Provinz ums Leben.

In Ubaidi, einer 20 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt gelegenen Ortschaft in Anbar, schossen Aufständische am Donnerstagabend eine großkalibrige Mörsergranate auf ein Wohngebiet ab. Dabei starben drei Zivilisten, neun weitere wurden verletzt, gab das US-Militärkommando bekannt. Zwei Aufständische wurden von US- Soldaten getötet, als sie in Mahmudija, 35 Kilometer südlich von Bagdad, einen US-Wachturm angriffen.

US-General: Bürgerkrieg ist möglich

Die Gewalt im Irak hat nach Worten von US-General John Abizaid noch nie da gewesene Ausmaße erreicht und könnte sich zu einem Bürgerkrieg entwickeln. Auch nach Einschätzung des scheidenden britischen Botschafters ist in dem Golfstaat ein Bürgerkrieg wahrscheinlicher als der Übergang zu einer stabilen Demokratie. Die pessimistischen Einschätzungen wurden am Donnerstag durch einen weiteren Tag der Gewalt in und um Bagdad unterstrichen.

Der Oberkommandierende der US-Truppen im Nahen Osten, Abizaid, zeichnete bei der Anhörung vor dem Streitkräfteausschuss des Senats ein düsteres Bild von der Lage im Irak. "Wenn die religiös motivierte Gewalt nicht gestoppt wird, ist es möglich, dass der Irak in einen Bürgerkrieg abgleitet", sagte er. Im Irak sterben täglich bis zu 100 Menschen bei Anschlägen von Rebellen oder Kämpfen rivalisierender Gruppen. Auch am Donnerstag ereignete sich in der irakischen Hauptstadt Bagdad ein Anschlag, bei dem mindestens zehn Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt wurden. Südlich der Hauptstadt griffen zudem bewaffnete Männer im so genannten "Todesdreieck" eine schiitische Hochzeitgesellschaft an und erschossen fünf Gäste.

"Die Gewalt ist wahrscheinlich die schlimmste, die ich je gesehen habe", sagte Abizaid. Abizaid betonte, angesichts der Gewalt sei 2006 keine substanzielle Reduzierung zu erwarten. Die USA haben rund 133.000 Soldaten in dem Land stationiert.

Die Regierung von US-Präsident George W. Bush steht im Jahr der Kongresswahl unter massivem Druck, die Soldaten in die Heimat zurückzuholen. Die Gewalt im Irak richtet sich immer wieder auch gegen die Besatzungstruppen: Seit der Invasion im März 2003 starben mehr als 2500 US-Soldaten.

Pesssimistische Einschätzung durch den britischen Botschafter

Auch der scheidende britische Botschafter im Irak, William Patey, zeichnet ein wenig optimistisches Bild, wie aus einem Schreiben des Diplomaten an Premierminister Tony Blair hervorgeht, das an die Öffentlichkeit gelangte und vom Rundfunksender BBC in Auszügen verbreitet wurde. Patey warnte davor, dass im Irak eine schiitische Miliz einen "Staat im Staate" bilden könnte wie die Hisbollah im Libanon.

Die Einschätzung des Botschafters in seinem letzten Schreiben aus Bagdad ist pessimistischer als die bislang von Großbritannien vertretene offizielle Position zur Lage im Irak. "Die Aussicht auf einen Bürgerkrieg geringer Intensität und auf eine faktische Spaltung des Irak ist wahrscheinlicher als ein erfolgreicher und substanzieller Übergang zu einer stabilen Demokratie", schrieb der Botschafter laut dem BBC-Bericht.

DPA · Reuters
Reuters/DPA