Dass der Chef der Söldnertruppe Wagner gegen Kreml-Chef Wladmir Putin und dessen Militärführung schimpft, ist nichts Neues. Dass er seine 25.000 Mann abzieht, um sie nach Moskau zu schicken, das überrumpelte die russische Führung dann wohl doch. Nachdem Prigoschin den Kreml für Angriffe auf die Wagner-Söldner beschuldigt hatte, ging er zum Angriff über.
Der russische Inlandsgeheimdienst stellte Ermittlungen an, doch die konnten Prigoschin und seine Männer nicht stoppen. Vormittags nahmen sie die südrussische Stadt Rostow ein, marschierten weiter nach Woronesch und Lipezk. Wladimir Putin verurteilte den Aufstand in einer Fernsehansprache als "Dolchstoß in den Rücken" und kündigte Bestrafungen der Drahtzieher an. Wagner marschierte weiter, die Ukraine und ihre Verbündeten blickten gebannt nach Russland – voller Hoffnung auf eine langersehnte Wende im 16-monatigen russischen Angriffskrieg.
Doch die bleibt wohl aus. Am Ende schickte Prigoschin seine Söldner wieder zurück in die Feldlager. Er selbst soll nach Belarus gehen. Wie der belarussische Machthaber den Wagner-Chef zu diesem Manöver gebracht hat und wie es mit Prigoschin und seinen Truppen nun weitergeht – fraglich.
Moskau muss sich von dem Aufstand noch erholen
In Russland, vor allem in Moskau, haben Bürger und Politiker vorerst wohl noch an dem vereitelten Aufstand zu knabbern. Der Notfallmodus bleibt bestehen, arbeiten muss in der russischen Hauptstadt am Montag niemand. Der Rote Platz bleibt gesperrt und wird von Soldaten und Polizei bewacht.
Junge Menschen sind nach den jüngsten Ereignissen aufgewühlt. "Ich habe Angst, dass der Krieg letztendlich bis zu uns kommt", schreibt eine 26-Jährige in einem privaten Chat der Deutschen Presse-Agentur. Andere befürchten, dass der Kriegszustand verhängt werden könnte. Noch ist es nicht soweit. Allerdings hat der Kreml-Chef am Samstagabend ein Gesetz unterzeichnet, wonach Verstöße gegen das Kriegsrecht mit einem bis zu 30-tägigen Arrest und einem Bußgeld geahndet werden. Welche Verstöße bestraft werden, steht in dem Gesetzestext allerdings nicht.
Bestehen bleibt auch die Angst vor einem Bürgerkrieg. Allerdings nicht bei allen. Ein 21-jähriger Student schreibt der DPA: "Manch einer spricht von einem beginnenden Bürgerkrieg in Russland. Ich denke aber, dass der wirkliche Bürgerkrieg nicht auf den Straßen stattfindet, sondern in den Köpfen. Entweder verzichten wir bewusst darauf, ein Imperium zu sein – oder nicht. Und wenn nicht, dann wird uns auch ein militärischer Umsturz nicht helfen."