Wahl-Verwirrung Irakische Verfassung auf der Kippe

Verwirrung bei der Verfassungswahl im Irak: Es kursieren widersprüchliche Aussagen über das Ergebnis der Abstimmung. Die Wahlkommission kündigte an, für die Auszählung der Stimmen "ein paar Tage mehr" zu benötigen.

Die Zukunft der neuen irakischen Verfassung stand am Montag auf der Kippe. Zwei Tage nach dem Verfassungsreferendum kursierten in Bagdad widersprüchliche Angaben zum Ergebnis der Abstimmung. Bei der Wahlkommission in Bagdad herrschte Nervosität, nachdem inoffizielle Ergebnisse aus den sunnitischen Provinzen im Norden und Westen die Runde gemacht hatten. Die Kommission verschob die ursprünglich für diesen Dienstag geplante Bekanntgabe der Ergebnisse um einige Tage. Für die Auszählung der Stimmen und die Überprüfung der Wahlurnen gemäß internationaler Standards würden noch "ein paar Tage mehr" benötigt, hieß es in einer Mitteilung vom Montagabend.

Der Verfassungsentwurf gilt als angenommen, wenn die Mehrheit der Wähler mit Ja gestimmt hat und wenn ihn nur weniger als zwei Drittel der Wähler von drei Provinzen abgelehnt haben. Zunächst galt als gesichert, dass in den sunnitischen Provinzen Anbar und Salaheddin mehr als zwei Drittel mit Nein stimmten. Die Angaben aus der Provinz Ninive mit der Hauptstadt Mossul waren widersprüchlich. Sunnitische Politiker warnten am Montag vor "einer möglichen Fälschung der Ergebnisse".

Verwirrende Nachrichten aus dem Norden

Der stellvertretende Gouverneur der nordirakischen Provinz Salaheddin, Abdullah al-Dschabura, hatte am Sonntagabend erklärt, er habe mit seinen Amtskollegen in den Provinzen Anbar und Ninive telefoniert. Sie hätten ihm nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen gesagt, die überwältigende Mehrheit der Wähler in ihren Regionen habe mit Nein gestimmt. Auch in Salaheddin hätten mehr als 75 Prozent der Menschen gegen den Entwurf gestimmt. Die Wahlkommission in Bagdad dementierte kurz darauf diese Angaben. Sprecher Farid Ajar sagte dem Nachrichtensender Al-Arabija: "Uns liegt noch kein Ergebnis vor, und niemand außer der unabhängigen Wahlkommission hat das Recht, Resultate zu veröffentlichen."

Der von den Schiiten und Kurden formulierte Entwurf einer demokratischen Verfassung betont die Eigenständigkeit der Provinzen und Regionen und trägt starke islamische Züge. Diese föderale Struktur des Irak lehnen die Sunniten ab.

"Ermutigende Wahlbeteiligung"

Die hohe Wahlbeteiligung beim Verfassungsreferendum im Irak zeigt aus Sicht der Bundesregierung in Berlin den Willen der irakischen Bevölkerung, die Geschicke des Landes selbst zu bestimmen. Dies sei ein Zeichen, dass die Mehrheit den demokratischen Aufbau im Irak vorantreiben wolle, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Montag in Berlin. Allerdings müsse man den tatsächlichen Ausgang des Referendums nun abwarten. Der französische Außenminister Philippe Douste- Blazy begrüßte die "zufrieden stellenden Bedingungen" und die rege Wahlbeteiligung beim irakischen Verfassungsreferendum. Auch die EU begrüßte die "ermutigende Wahlbeteiligung". "Dies ist ein weiterer historischer Schritt für das irakische Volk", betonte der britische Außenminister Jack Straw für die EU-Ratspräsidentschaft in einer gemeinsamen Erklärung mit dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana.

Der irakische Übergangspräsident Dschalal Talabani setzte die nächste Parlamentswahl im Irak für den 15. Dezember an. Ein diesbezüglicher Erlass wurde am späten Sonntagabend in Bagdad bekannt gegeben. Damit soll das bisherige Übergangsparlament erstmals durch eine permanente, auf vier Jahre gewählte Volksvertretung abgelöst werden.

Der ehemalige irakische Übergangsregierungschef Ijad Allawi empfahl sich bei einer von ihm selbst organisierten "Konferenz der Nationalen Einheit" als Retter des in Chaos und Gewalt versinkenden Landes. "Das Projekt, das am meisten fehlt, ist das nationale Projekt", erklärte Allawi. Erschienen waren dazu auch die Vertreter mehrerer kleinerer, weltlich-liberaler Parteien sowie von gemäßigten religiösen Gruppen, darunter die sunnitische Irakische Islamische Partei (IIP) und die schiitische Fadhila-Partei.

Tote nach US-Angriffen

Die US-Armee berichtete am Montag, sie habe seit Samstag im westirakischen Ramadi 70 mutmaßliche Rebellen getötet. Allein 50 Rebellen seien gestorben, als US-Soldaten sie bei dem Versuch, Waffen zu transportieren, mit Präzisionsbomben aus der Luft angegriffen hätten. Ein Krankenhausarzt in Ramadi sagte hingegen, nach den US-Angriffen seien 20 tote Zivilisten ins Krankenhaus gebracht wurden. Auch die Polizei sprach von zivilen Opfern.