Thailands designierte Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra beginnt einen Tag nach dem Wahlsieg ihrer Partei mit Koalitionsverhandlungen. Die 44-Jährige will trotz ihrer absoluten Mehrheit im Parlament mit vier Koalitionspartnern regieren. Das gab ihre Pheu-Thai-Partei am Montag bekannt. Spekulationen über eine bevorstehende Amnestie ihres Bruders Thaksin bestätigte sie nicht. "Die Pheu-Thai-Partei hat keine Pläne für eine Amnestie für eine einzige Person", sagte Yingluck. "Die Justiz muss alle Leute gleich behandeln."
Bei der Wahl am Sonntag hatte Yingluck Shinawatra 265 der 500 Sitze im Parlament gewonnen. Politische Gegner hatten im Wahlkampf gemutmaßt, ihre Partei habe es nur darauf abgesehen, Yinglucks Bruder, den 2006 gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, aus dem Exil zurückzuholen. Dafür ist eine politische Amnestie notwendig. Ohne sie würde Thaksin bei der Rückkehr verhaftet, weil er in Abwesenheit zu zwei Jahren Haft wegen Amtsmissbrauchs verurteilt worden ist.
"Mein Klon": Die Schwester des Partei-Chefs
Yingluck ist die erste Frau in Thailand, die an die Regierungsspitze rückt. Sie ist die jüngste Schwester des 2006 vom Militär gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra und dessen Puea-Thai-Partei. Dieser bezeichnete seine Schwester vor ihrem Wahlsieg als seinen "Klon". Er beziehe sich damit auf ihre geistige und geschwisterliche Verwandschaft: "Mit dem Wort 'Klon' meine ich, das wir den gleichen Gencode teilen," sagte der 61-Jährige stern.de. "Yingluck hat in meiner Firma gearbeitet, ich habe sie trainiert, sie kümmert sich bis heute um unsere Familiengeschäfte." Auch Yingluck selbst wertete die Beschreibung ihres Bruders als Verweis auf eine ähnliche Denkweise.
Die 44-Jährige, die Jüngste von neun Kindern einer prominenten chinesischstämmigen Familie aus der Provinz Chiang Mai, begann ihre Karriere nach einem Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaft in einem der Unternehmen ihres Bruders. Von dort stieg sie in den folgenden Jahren bis zur Präsidentin der Mobilfunksparte von Thaksins Telekommunikationskonzern Shin Corp auf, der 2006 wegen Steuerbetrugs in die Schlagzeilen geriet. Während die unternehmerische Erfahrung von Yingluck, die zuletzt Präsidentin einer Immobilienfirma war, unbestritten ist, gilt sie politisch als unbeschriebenes Blatt. Das stets lächelnde, entspannte Auftreten der fotogenen Spitzenkandidatin der Puea-Thai-Partei kam beim Wahlvolk allerdings gut an.
Nach Einschätzung des Thailand-Experten Michael Montesanto gilt Yingluck als frische, von Skandalen bisher weitgehend unbelastete Politikerin. Geholfen habe auch, dass sie im Gegensatz zum scheidenden konservativen Regierungschef Abhisit Vejjajiva auf eine Schmutzkampagne verzichtete.
Amnestie könnte zu neuen Konfrontationen führen
Der Experte betonte zugleich aber, dass sie ebenso gut eine "Topfpflanze" hätte sein können - an ihrer Beliebtheit hätte das nichts geändert, da diese vor allem auf ihrer Verwandtschaft mit Thaksin beruhe. Der Multimilliardär ist wegen der sozialpolitischen Reformen während seiner Regierungszeit, etwa der Einführung einer vergünstigten Gesundheitsversorgung, noch immer bei Bauern und Arbeitern beliebt. Seine Gegner werfen ihm dagegen Korruption vor und halten ihn für eine Gefahr für die Monarchie.
2008 in Abwesenheit von einem Gericht wegen Bestechung zu zwei Jahren Haft verurteilt, lebt Thaksin heute im Exil in Dubai. Dennoch ist er weiter der unbestrittene Führer seiner Partei und auch seine Schwester folgt nach Ansicht von Beobachtern bisher genau seinen Anweisungen. Sollte sie nach ihrer Machtübernahme, wie von ihren konservativen Gegnern befürchtet, seine Verurteilung aufheben, könnte Thaksin auch offiziell wieder die Führung seiner Partei übernehmen. Allerdings fürchten Beobachter für diesen Fall bereits eine erneute Konfrontation mit dem Militär. Denkbar also, dass die zukünftige Landeschefin Amnestieabsichten daher dementiert und zunächst eine starke Regierung bilden will. Das Militär hatte jüngst den Wahlsieg von Shinawataras Partei anerkannt.