Deutschland will der Ukraine nach langem Abwarten ja jetzt doch 14 der von ihr schon lange begehrten Leopard-2-Kampfpanzer liefern, der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnet die Entscheidung als "historisch". Jetzt will die unterlegene Ukraine noch mehr Waffen, auch Kampfflugzeuge, weitreichende Raketen. Aber was wollen wir? Wo endet das alles? Wo verlaufen die berühmten "roten Linien"? Und was ist jetzt eigentlich von Olaf Scholz zu halten? Diese Fragen debattierte am Sonntagabend Anne Will in ihrer ARD-Talkshow.
Wer hat bei "Anne Will" diskutiert?
- Kevin Kühnert (SPD), Generalsekretär
- Janine Wissler (Die Linke), Parteivorsitzende
- Marina Weisband, Deutsch-ukrainische Publizistin
- Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München
- Georg Mascolo, Journalist und Autor für die "Süddeutsche Zeitung"
Wie lief die Ukraine-Diskussion?
Die einzige in der Runde, die grundsätzlich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine argumentiert, ist erwartungsgemäß die Chefin der Linkspartei, die beständig vor einer "Eskalationslogik" warnt, vor der "Verharmlosung des Krieges", etwa bei manchen Grünen. Eine scharfe Pazifistin ist sie aber auch nicht. Ihre stete Forderung nach einer "Verhandlungslösung" krankt indes daran, dass sie auch nicht recht zu sagen vermag, wie die Welt nun erreichen kann, dass mindestens die beiden Kriegsparteien jetzt mal ernsthaft miteinander verhandeln. Es ist dann immer von "mehr Druck" die Rede, und doch bleibt das ein wenig nebulös. „Ich wüsste momentan nicht, worüber zu verhandeln wäre“, sagt Georg Mascolo von der "Süddeutschen".
Welches Land liefert welche Waffen in die Ukraine?

Erfrischend klar hingegen argumentiert der Carlo Masala, Professor für Internationale Politik: "Ja, natürlich verlängern die Waffenlieferungen den Krieg." Keine, oder jedenfalls deutlich weniger Waffen an die Ukraine zu liefern, das hätte seiner Meinung nach aber auch bedeutet, dass es "heute keine Ukraine mehr gäbe". Um zu Verhandlungen zu kommen, sagt Masala, müsse man das angegriffene Land gegen den übermächtigen Feind unterstützen. Mit guten Waffen, und zwar "nachhaltig".
Wäre man der Linkspartei von Anfang an gefolgt, wäre die Ukraine schon lange "überrannt" worden, ätzt derweil Olaf Scholz-Cheferklärer Kevin Kühnert. Die Kritikerinnen und Kritiker des Kanzlers würden "Unfug" erzählen, um "kleingeistige politische Geländegewinne" zu realisieren, schimpft Kühnert, der das Zögern des Kanzlers als "Innehalten" lobt und Scholz – wenn auch nicht ganz zurecht – attestiert, er habe in der Frage der Waffenlieferungen "nie roten Linien gezogen".
Marina Weisband, die mal eine große Nummer bei den Piraten war, als die noch eine relevante Partei zu werden schien und die nun bei den Grünen ist, Weisband also findet, dass Scholz langes Schweigen "ein großes Problem" ist: "Was ist Deutschlands Ziel", fragt sie – aber eine richtige Antwort gibt es darauf an diesem Abend auch nicht. Weisband, die Deutsche und Ukrainerin ist, plädiert dafür, so früh so viele Waffen wie möglich in die Ukraine zu schicken. So viel ist schnell klar. Die Ukraine werde "an einem Tropf" gehalten, kritisiert sie: zu wenig Waffen, um zu siegen, zu viel, um zu verlieren, gerade so viel, so spät, um Russland vielleicht nicht zu sehr zu verärgern. "Putin wurde vom Westen zu viel Zeit gegeben", sagt Weisband.
Womit wir wieder bei Olaf Scholz wären, und seinem "Innehalten". Doch von den Herren Masala und Mascolo muss er sich dafür nicht allzu viel Kritik anhören. Auch wenn er "keine kommunikative Meisterleistung" abgeliefert habe, wie der Professor attestiert, der auch das jüngste "Geschrei" in der Ampel-Koalition rügt. Das jedenfalls blieb an diesem Abend aus: Frau Strack-Zimmermann von der FDP war ja so wenig eingeladen wie Toni Hofreiter von den Grünen.
Die Erkenntnisse
- Ehe die Bundesregierung entschied, dass Deutschland die Kampfpanzer liefert, waren 46 Prozent der Deutschen in einer ARD-Umfrage dafür. Nachher finden 54 Prozent der Befragten den Beschluss in einer ZDF-Umfrage "richtig".
- Deutschland hat bisher militärisches Material im Wert von drei Milliarden Euro an die Ukraine geliefert, sagt Kühnert – damit sei das Land im aktuellen Ranking "auf Platz zwei" hinter den USA. Pro Kopf habe Estland die Ukraine militärisch am meisten unterstützt, sagt Weisband.
Das Fazit
"Nichts ist ausgeschlossen", sagt Journalist Mascolo mit Blick auf weitere Waffenlieferungen. Naja, außer Bodentruppen aus Deutschland, natürlich. "Wir haben es nicht in der Hand, wann Putin eskaliert", sagt Professor Masala.