"Occupy Wall Street"-Proteste in New York Demonstranten legten Times Square lahm

Bilanz einer weltweiten Bewegung: Am Ursprungsort der "Occupy Wall Street"-Proteste - in New York - gab es Festnahmen, in Rom wurde randaliert, in Berlin geräumt. In Alaska blieb es friedlich.

Am Ende des Tages kehrten die "Occupy Wall Street"-Proteste dahin zurück, wo sie ihren Ursprung genommen hatten: nach New York. Allerdings blieb es in der US-Metropole nicht bei einer ungestörten Demonstration. Die Polizei am Samstag mehr als 70 Menschen festgenommen. Die meisten Festnahmen gab es am Abend nahe des Times Square, als sichs eine Gruppe von Demonstranten nach Angaben der Polizei ihrer Aufforderung widersetzte, eine Nebenstraße freizumachen. Die Protestler riefen "Wessen Straßen? Unsere Straßen!" Die Beamten führten 42 Leute in Handschellen ab.

Bereits zuvor hatte es am Times Square vereinzelte Festnahmen gegeben, als Demonstranten die von der Polizei aufgestellten Absperrungen beiseite stießen. Beamte mit Helmen und Schlagstöcken und Polizisten zu Pferd drängten die Menschen zurück. Dabei hat es nach Angaben von Augenzeugen auch Verletzte gegeben. Bis auf wenige Ausnahmen verlief die Demonstration auf New Yorks berühmter Vergnügungsmeile mit nach einer vorsichtigen Veranstalterschätzung bis zu 50.000 Teilnehmern aber friedlich.

Die Polizei nahm 24 Wall-Street-Protestler in Gewahrsam, nachdem diese in eine Filiale der Citibank geströmt waren, um ihre Konten in einer gemeinsamen Aktion aufzulösen. Der Filialleiter forderte die Gruppe nach Angaben von US-Medien auf, die Bank zu verlassen. Die Demonstranten weigerten sich allerdings und wurden in der Geschäftsstelle festgesetzt.

Einzelne Wall-Street-Protestlerin in Alaska

Bis in die entlegene Tundra von Alaska, dem nördlichsten US-Bundesstaat, hat sich der Protest gegen die Finanzindustrie und soziale Ungleichheit ausgebreitet. Nahe dem kleinen Ort Bethel im westlichen Alaska macht eine einsame Demonstrantin mit ihrer Aktion Schlagzeilen. Die Professorin Diane McEachern hatte sich mit ihren drei Hunden und einem Poster mit der Aufschrift "Besetzt die Tundra" in der menschenleeren, frostigen Steppe fotografieren lassen und das Bild auf die Facebook-Seite der Bewegung "Occupy Wall Street" ("Besetzt die Wall Street") gesetzt. "Eine einsame Mahnwache im abgeschiedenen Alaska", kommentiert McEachern ihr Bild. "Finde deinen Platz. Besetze ihn. Auch wenn es nur dein eigenes Bewusstsein ist. Macht weiter...".

Sie habe die wachsenden Proteste an der New Yorker Wall Street verfolgt und sich entschieden, in ihrem eigenen Umfeld etwas zu tun, sagte McEachern am Samstag der "Los Angeles Times". Die Bewohner von Bethel hätten mit hohen Benzin- und Heizölpreisen und dem Abbau von Sozialleistungen zu kämpfen. Zudem werde in der Nähe der Bau einer der größten Goldminen geplant, die der Umwelt "katastrophalen Schaden" zufügen würde, sagte die Professorin. Hinter der geplanten Pebble Mine steht ein internationales Firmenkonsortium, darunter der britische Konzern Anglo American. Umweltschützer befürchten, dass Abfall- und Giftstoffe unwiderruflichen Schaden anrichten werden.

Zelten - in Berlin nicht erlaubt

In Deutschland folgten nach Angaben der Mitorganisatoren von Attac mehr als 40.000 Kapitalismuskritiker in etwa 50 Städten dem Aufruf zum Protest. Max Bank vom Attac-Koordinierungskreis wertete den Protesttag als großen Erfolg. "Der Funke ist übergesprungen, die Bewegung ist da", sagte er. Die Globalisierungsgegner fordern unter anderem eine europäische Vermögensabgabe und Finanztransaktionssteuer.

In Berlin zogen die Demonstranten vom Alexanderplatz in Richtung Kanzleramt. Die Polizei unterband aber das Campieren vor dem Bundestag. In Frankfurt am Main marschierten die Menschen zu einer Kundgebung an der Europäischen Zentralbank (EZB). Mit Genehmigung der Stadt Frankfurt stellten einige Demonstranten Zelte auf.

Die Proteste in Deutschland blieben nach Polizeiangaben insgesamt friedlich. In Berlin kam es aber auf dem Weg durch das Regierungsviertel zum Kanzleramt kurz zu Tumulten, als rund 200 Protestler über die Wiese auf den Bundestag zustürmten. Dort bauten die Aktivisten die Absperrungen ab und riefen in Anspielung auf die New Yorker Proteste "Occupy Bundestag" ("Besetzt den Bundestag"). Die Polizei sicherte das Gelände.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Berliner Polizei beendete am späten Samstagabend die Proteste vor dem Bundestag. Zwei Hundertschaften waren im Einsatz, um die Demonstranten von dem Platz zu entfernen. Es werde nicht geduldet, dass die Proteste vor dem Bundestag die ganze Nacht über andauerten, sagte ein Polizeisprecher. Die Einsatzkräfte trugen Demonstranten vom Platz und nahmen Personalien auf. Die Räumung sei "mehr oder minder milde" verlaufen, so der Sprecher.

Die Demonstranten in der Bankenmetropole Frankfurt machten ihrem Unmut mit Plakat-Parolen wie "Ihr verzockt unsere Zukunft" und "Schranken für Banken" Luft. Einige riefen lautstark: "Brecht die Macht der Banken und Konzerne." In München machten etwa 1000 Demonstranten ihrem Unmut Luft, in Köln zogen nach Polizeiangaben rund 1500 Demonstranten durch die Innenstadt. Auch in Stuttgart gingen etwa 1500 Menschen auf die Straße. Mit "Rettungsschirmen", Trillerpfeifen und Plakaten prangerten sie die Macht der Wirtschaft an.

Explosionen in Rom

Auch in anderen europäischen Städten war das Echo auf den im Internet verbreiteten Aufruf groß. In Rom zündete eine Gruppe Vermummter auf der zentralen Via Cavour Autos an, deren Benzintanks explodierten. Mehrere Räume des Verteidigungsministeriums wurden durch Sprengsätze und Rauchbomben beschädigt, wie italienische Medien berichteten.

In Brüssel protestierten etwa 6000 Kapitalismuskritiker. Darunter waren auch Aktivisten der spanischen Bewegung der "Indignados" (Deutsch: Empörten), die zu Fuß von Madrid nach Brüssel gekommen waren. In der spanischen Hauptstadt setzten die "Empörten" genau fünf Monate nach ihrem Entstehen die Proteste fort. Zehntausende Menschen demonstrierten im Herzen der spanischen Hauptstadt gegen die Macht der Banken.

Mehr als tausend Finanzmarktkritiker gingen auch in London auf die Straße. Unter den an der Saint-Paul's-Kathedrale sowie der Londoner Börse versammelten Demonstranten war auch Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange.

In Frankreich verliefen die Proteste im überschaubaren Rahmen. Etwa 200 Menschen folgten in Paris dem Aufruf zum Protest der "Empörten", teilte die Polizei mit. Zeitgleich kamen in der Stadt die Finanzminister der G20-Länder zusammen. Auch in Slowenien, Bulgarien, Tschechien und weiteren EU-Staaten versammelten sich Globalisierungskritiker.

DPA
swd/DPA