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Richtungskampf Wie weit nach rechts geht's für die AfD? Parteispitze macht Druck auf Höcke

Björn Höcke
Björn Höcke beim Wahlkampfauftakt in Brandenburg. Rund um den Chef der radikalen Parteiströmung "Der Flügel" tobt ein Richtungsstreit innerhalb der Partei
© Carsten Koall / Getty Images
Bei der AfD tut sich ein tiefer Graben auf. Im Zentrum des Richtungsstreits: der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke, Chef des radikalen "Flügels". Wagt er sich demnächst auch offiziell aus der Deckung und tritt als Vorsitzender an?

Wie weit nach rechts driftet die AfD? Wenige Wochen vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen ist der Richtungskampf bei den Rechtspopulisten voll entbrannt. Im Zentrum der Diskussion: der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke, Chef der radikalen Parteiströmung "Der Flügel".

Am Wochenende kam es auf dem bayerischen AfD-Landesparteitag in Greding zu tumultartigen Szenen. Selbst Bayerns AfD-Landeschef Martin Sichert sprach am Ende von einer "Schlammschlacht". Zum Auftakt hatte er Höcke selbst scharf angegriffen: "Du redest immer von Einigkeit, aber du spaltest uns."

Bereits vor zwei Wochen musste der AfD-Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen wegen des Streits zwischen Höcke-Anhängern und Gegnern abgebrochen werden, ein Großteil des Landesvorstands trat zurück. In Schleswig-Holstein wurde Doris von Sayn-Wittgenstein zur Landeschefin gewählt, obwohl gegen sie ein vom Bundesvorstand angestrengtes Parteiausschlussverfahren läuft, weil sie für die Mitgliedschaft in einem rechtsextremen, von Holocaust-Leugnern mitgegründeten Verein geworben hatte.

"Schneise der Verwüstung" durch den "Flügel"?

AfD-Vize Kay Gottschalk warf Höcke und seinen "Flügel"-Mitstreitern vor, die innerparteilichen Konflikte bewusst zu schüren, um die eigene Machtbasis auszuweiten. "Führung heißt, auch die unangenehmen Dinge zu tun, und wenn die Führungsfiguren des Flügels dazu nicht bereit sind, dann gibt es da ein Problem", sagte Gottschalk der "Welt am Sonntag". "Und so kommt es, dass wir in allen West-Landesverbänden, in denen der Flügel eine große Rolle gespielt hat oder als Ordnungsmacht hätte auftreten müssen, jetzt eine Schneise der Verwüstung haben."

Höcke hatte vor wenigen Wochen beim sogenannten "Kyffhäuser-Treffen" des Flügels den aktuellen Bundesvorstand scharf angegriffen und angekündigt, dass er sich nach den drei Landtagswahlen "mit großer Hingabe und mit großer Leidenschaft der Neuwahl des Bundesvorstands hingeben" werde. Er könne "garantieren, dass dieser Bundesvorstand in dieser Zusammensetzung nicht wiedergewählt wird". Eine nahezu unverhohlene Drohung, seine Macht beim Parteitag im November auszuspielen und dem "Flügel" nahestehende Kräfte in die Parteiführung zu hieven.

Daraufhin war Höcke von führenden AfD-Politikern aufgefordert worden, selbst für den Bundesvorstand zu kandidieren. Eine Option, zu der sich der thüringische Landeschef bislang noch nicht geäußert hat.

"Flügel"-Anteil im Osten bei 40 Prozent

Als sicher gilt, dass Höckes-Rechtsaußen Gruppierung innerhalb der AfD mehr und mehr an Einfluss gewinnt. Laut einem Bericht der "Bild am Sonntag" gehen die Sicherheitsbehörden inzwischen davon aus, dass im Osten bereits mehr als 40 Prozent der AfD-Mitglieder "Flügel"-Anhänger sind. Die Ereignisse in Nordrhein-Westfalen und Bayern zeigen, dass die Strömung auch in den westdeutschen Landesverbänden an Terrain gewinnt.

Der amtierende Bundesvorstand hatte lange gute Miene zu Höckes Spiel gemacht. Inzwischen verschärfen jedoch auch die gemäßigten Kräfte den Ton. Vor Kurzem erst hatten rund 100 Funktionäre, zu denen auch der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen gehörte, den "Personenkult" um den Rechtsaußen kritisiert. In der Funke-Mediengruppe wies Meuthen jetzt Höcke und dessen "Flügel" an, "sich absolut trennscharf" von jedem Extremismus abzugrenzen. "Wir wollen eine Volkspartei sein. Dafür dürfen wir aber nicht jeden Unfug dulden", so Meuthen.

Auch AfD-Vize Georg Pazderski meldete sich zu Wort und forderte Höcke im "Morgenmagazin" der ARD dazu auf, "die Tür nach ganz rechts außen" zuzumachen. Sowohl Meuthen als auch Pazderski bemühten sich andererseits, den Richtungskampf nicht weiter eskalieren zu lassen. Höcke sei nach seinem "Kyffhäuser"-Auftritt immerhin zurückgerudert, so Pazderski im "Morgenmagazin": "Es zeigt, dass er lernfähig ist und vor allem auch etwas verändern möchte." Und auch Meuthen ist sicher: "Ich glaube, er hat den Schuss gehört."

Hat Björn Höcke Chancen auf den Bundesvorstand?

Bislang hatte die Parteispitze Höcke und seinen engen Mitstreiter, den brandenburgischen Parteichef Andreas Kalbitz, nahezu widerspruchslos gewähren lassen, weil damit – so das vermutete Kalkül – das Wählerreservoir am äußersten rechten Rand bestmöglich ausgeschöpft wird. Inzwischen könnte jedoch auch im amtierenden Bundesvorstand die Gefahr als größer eingeschätzt werden, dass mit allzu braunen Parolen das Wahlpublikum aus dem bürgerlichen Lager eher verschreckt wird.

Uwe Junge, Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz

Einer tatsächlichen Kandidatur Höckes für den Bundesvorstand gibt Parteichef Meuthen nur wenig Chancen. "Ich bin mir sicher, dass er erhebliche Schwierigkeiten hätte, eine Mehrheit hinter sich zu versammeln", sagte Meuthen der "Bild am Sonntag". Er selbst wiederum wisse, dass er sehr viel Rückhalt in der Partei habe. "Wenn die Unterstützung so bleibt, wie sie ist, kann und will ich mich einer weiteren Kandidatur um den Parteivorsitz nicht verwehren", sagte Meuthen in den Funke-Zeitungen.

Meuthens Ambitionen hatten in der vergangenen Woche einen Dämpfer erlitten, als sein eigener Kreisverband Orthenau in Baden-Württemberg ihn nicht als Delegierten für den Parteitag aufgestellt hatte. Damit darf Meuthen als Co-Vorsitzender zwar dennoch teilnehmen und auch zu den Delegierten sprechen, allerdings darf er den neuen Bundesvorstand nicht mitwählen.

Quellen: "Morgenmagazin" / "Bild am Sonntag" / "Welt am Sonntag" / DPA / AFP

kng

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