Sondierungen "Denke gar nicht übers Scheitern nach" – so äußern sich die Beteiligten vor den Gesprächen

Habeck, Baerbock und Lindner
Kompromisse finden lautet die Aufgabe für Habeck, Baerbock und Lindner (v.l.n.r)
© Michael Kappeler / DPA
Kurz vor ihrem ersten Sondierungsgespräch zu dritt haben die Parteien ihre Knackpunkte deutlich gemacht. Für die Grünen ist der Klimaschutz die "rote Linie" – die FDP wollen partout keine Steuererhöhungen. Diskussionen sind vorprogrammiert.

SPD, Grüne und FDP kommen am Donnerstagvormittag in Berlin zu einem ersten Sondierungsgespräch zu dritt zusammen. Bei dem auf sechs Stunden angesetzten Treffen sollen die Möglichkeiten zur Bildung einer gemeinsamen Ampel-Koalition unter Führung von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ausgelotet werden.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zeigte sich vor den Gesprächen optimistisch: "Ich denke gar nicht darüber nach, dass sie nicht klappen könnten", sagte der SPD-Politiker im ZDF-"Morgenmagazin". Er sehe eine Chance, "mit diesen drei Parteien wirklich gesellschaftlichen Fortschritt zu beschreiten". Die SPD gehe daher in die Sondierungen "mit dem Willen, dass am Ende eine Ampel-Koalition steht, dass Olaf Scholz Kanzler wird". Es sei aber wichtig, dass "in einer Regierung jede Partei mit Schwerpunkten sichtbar ist". 

Grüne: Klimaschutz ist "A und O"

Grünen-Chef Robert Habeck hat vor den Sondierungsgesprächen um 11 Uhr den Klimaschutz als "rote Linie" für seine Partei hervorgehoben. "Wenn diese Regierung es nicht schafft, Deutschland auf den Klimaschutzpfad von Paris zu bringen, dann hat sie ihre geschichtliche Aufgabe verfehlt und deswegen können wir dann auch nicht mitmachen dabei", sagte Habeck im ZDF-"Morgenmagazin". Es gebe mit der FDP und der SPD "viele ungelöste Probleme", erklärte Habeck. "Nichts ist garantiert, aber es gibt natürlich auch Möglichkeiten, Brücken zu schlagen." Für weitere Gespräche mit der Union sehe er keinen Anlass, "außer es geht hier schief". 

Auch Parteichefin Annalena Baerbock betonte im Deutschlandfunk, dass der Klimaschutz für die Grünen "das A und O" sei. "Die nächste Bundesregierung muss eine Klimaregierung sein", stellte sie klar. Baerbock räumte ein, dass es zwischen Grünen und FDP in diesem Themenfeld vor der Wahl Differenzen gegeben habe. Zuversichtlich äußerte sie sich dagegen mit Blick auf SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Dieser habe im Wahlkampf deutlich gemacht, dass in der neuen Bundesregierung "der Klimaschutz im Mittelpunkt stehen" solle.

Die Grünen-Chefin erklärte, das Ringen um die erste Dreier-Koalition auf Bundesebene sei "eine besondere Herausforderung. Als zentrale Herausforderungen nannte sie neben dem Klimaschutz auch "die Modernisierung der Verwaltung". Das angestrebte neue Bündnis biete die Chance, "eine neue Dynamik" und "einen gesellschaftlichen Aufbruch" zu schaffen, hob Baerbock hervor. Zwar habe die SPD als stärkste Kraft natürlich eine besondere Rolle. Sie gehe aber davon aus, dass sich alle drei Parteien einig seien, dass "die Koalition auf Augenhöhe agieren muss".

FDP gegen Steuererhöhungen

Für die FDP werde es in der Dreier-Sondierung darum gehen, "sich jetzt etwas vertieft mit der Frage zu beschäftigen, wie denn ein gemeinsames Verständnis von einer Regierung aussehen kann", erklärte FDP- Generalsekretär Volker Wissing im ZDF-"Morgenmagazin". Ein solches Ampel-Bündnis müsse einen "Mehrwert" im Vergleich zu anderen Regierungskonstellationen haben, sagte der FDP-Generalsekretär. Es dürfe nicht einfach ein "Flickenteppich aus den Parteiprogrammen" herauskommen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Als rote Linie für seine Partei bekräftigte Wissing: Es dürfe keine Steuererhöhungen geben. "Wir werden an dieser Stelle nicht nachgeben", sagte er. "Wir haben das vor der Wahl gesagt und wir sagen auch jetzt, dass wir dabei bleiben."

Für die FDP bleibe ein Dreierbündnis mit Union und Grünen weiterhin eine Option, sagte der Generalsekretär. "Wir haben Jamaika nicht zugemacht." Allerdings mache es aus Sicht der FDP "keinen Sinn", so wie von CSU-Politikern gefordert parallel über eine "Ampel" und über "Jamaika" zu verhandeln. In der FDP gebe es "weiter eine inhaltliche Nähe zur Union", betonte Wissing. "Deswegen fanden wir es nicht sehr klug, dass Herr Söder jetzt Möglichkeiten vom Tisch genommen hat." 

Zwist mit CSU um Jamaika-Option

CSU-Chef Markus Söder hatte am Vortag die Entscheidung der FDP, zunächst mit SPD und Grünen über die Bildung einer Regierung zu beraten, als "De-facto-Absage" an eine Jamaika-Koalition gewertet und die Erwartung geäußert, dass tatsächlich ein Ampel-Bündnis zustande kommen werde. FDP-Chef Christian Lindner sagte daraufhin am Mittwochabend in den ARD-"Tagesthemen" für seine Partei, dass Jamaika "unverändert eine tragfähige Option" bleibe – "das sage ich ausdrücklich auch an die Adresse der CSU".

Der Vorsitzende der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale, Jens Teutrine, sagte am Donnerstag im Sender Bayern 2, es habe durchaus eine Chance für eine Jamaika-Koalition gegeben. "Dann kam Markus Söder und hat gesagt, der Drops ist gelutscht, die Sache ist entschieden." Söder sei derzeit "so ein bisschen auf einem Ego-Trip unterwegs" und schade damit insbesondere CDU-Chef Armin Laschet, der an der Option einer Jamaika-Koalition festhalten will.

DPA · AFP
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