Bayern-SPD Splitterpartei mit Machtallüren

  • von Gabriele Rettner-Halder
Wenn es der SPD im Bund schlecht geht, geht's der Bayern-SPD traditionell noch ein wenig schlechter. Erstaunlich ist jedoch, dass die weiß-blauen Genossen es nicht einmal schaffen, von der Krise der CSU zu profitieren. Im Gegenteil. Dennoch liebäugeln sie mit einem Regierungswechsel.

Über Jahrzehnte blickte die Bundes-SPD etwas hochnäsig auf bayerischen Genossen. Auf die ewigen Wahlverlierer, gebeutelt von Selbstzweifeln, Nachwuchsproblemen und Organisationsmängeln. Die Berliner würden die Bayern behandeln wie die armen Verwandten aus dem Süden, klagte einer der zahlreichen SPD-Landesvorsitzenden.

Die Gründe für diese Beziehung sind stets die gleichen. Bei den letzten Landtagswahlen 2003 verlor die bayerische SPD nochmals kräftig und landete bei 19,6 Prozent. Ein Debakel - das, welch' Ironie der Geschichte, der SPD nun auch bei den Bundestagswahlen droht.

SPD strebt Regierungsbeteiligung an

Franz Maget, Spitzenkandidat der Bayern-SPD, wird bei den kommenden Landtagswahlen am 28. September alles daran setzen, die 20 Prozent-Marke zu überspringen - mit zweifelhaften Aussichten. Seine Strategie für den Tag danach steht indes schon fest. "Wir streben in Bayern eine Koalition an", sagt Maget zu stern.de. Um irgendwie an die Macht zu kommen, müssten dieser Koalition alle Parteien außer der CSU angehören, also Grüne, FDP, Freie Wähler und eventuell die Linkspartei. Maget weiß, dass dies nicht sonderlich realistisch ist. Bei den kleinen Parteien könnte auch ein Wettlauf ausbrechen, "wer am schnellsten im Bett der CSU liegt", so Maget.

Wenigstens einmal ist es der SPD gelungen, ein Bündnis gegen die CSU zu schmieden, das war 1954. Eine Vierer-Koalition wählte den Sozialdemokraten Wilhelm Hoegner zum Ministerpräsidenten. Er sollte der einzige Regierungschef bleiben, den die SPD in Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg stellen konnte. Seitdem ist die Partei in der Daueropposition.

Angst vor dem Verlierer-Bazillus

Dass dies für erfolgsorientierte politische Köpfe nicht attraktiv ist, versteht sich von selbst. Aber der Personalmangel ist beileibe nicht das einzige Problem. Die bayerische SPD weiß der CSU einfach nichts entgegenzusetzen. Und wenn sie es doch schafft, greift die CSU den Gedanken einfach auf und klebt ihr Etikett drauf. Hunderte von Beispielen gibt es dafür. Eines der aktuelleren ist das kostenfreie Kindergartenjahr.

Dass die SPD in München und Nürnberg und vielen kleineren Städten bei der jüngsten Kommunalwahl enorme Wahlerfolge verbuchen konnte, ändert nichts am trostlosen Zustand des Landesverbandes und der Landtagsfraktion. Gerne hätte die Bayern-SPD ihren erfolgreichen Münchner Oberbürgermeister Christian Ude stärker eingebunden, einen Mann, der mit Pragmatismus und Offenheit ein Wahlergebnis von zuletzt 66,7 Prozent einheimste. Doch Ude wollte nicht. Offenbar hatte er keine Lust, sich vom Verlierer-Bazillus seiner Genossen anstecken zu lassen.

CSU so schwach wie lange nicht

Der SPD-Landesverband gilt als links, basisorientiert und schwierig. Aufsteiger und Individualisten wurden dort ausgebremst, neue Vorsitzende in den Himmel gehoben und zur Hölle geschickt. Der aktuelle Spitzenkandidat, der 54-jährige Sozialwissenschaftler Maget, ist ein eloquenter Debattenredner, umgänglich und angenehm. Manche Genossen bezweifeln indes seine Führungsqualitäten. "Man muss mit den Leuten auskommen, die man hat", sagt der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter mit einem Schulterzucken. Um Maget sei es lange sehr still gewesen. Erst jetzt, da die Landtagswahl näher rücke, zeige er mehr Biss.

Eigentlich ist seine Ausgangslage gar nicht so schlecht. Edmund Stoiber sitzt nicht mehr auf der Regierungsbank, die Zeit, in denen die CSU mit großen Gesten und politischen Inszenierungen die Agenda bestimmte, ist vorbei. Nun heißt der Ministerpräsident Günther Beckstein und der CSU-Vorsitzende Erwin Huber - ein unsicheres Duo, dass eine politische Panne nach der anderen erlebt. Die Bayern-LB, der Transrapid, die Umfragewerte, die darauf hindeuten, dass die CSU ihre absolute Mehrheit verlieren könnte. Selten haben die Christsozialen so viel Angriffsfläche geboten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Gegenwind von der Bundespartei

Aber just in diesem Moment, da die SPD die einmalige Chance hat, die CSU um die Häuser zu treiben, zerbröselt das Erscheinungsbild der SPD insgesamt. Parteichef Kurt Beck hat mit seinem verunglückten Umgang mit der Linkspartei viel Ansehen und Vertrauen verspielt. "Mittlerweile sind wir ja schon die Stimmungskanone", lästert Maget. Er würde sich "mehr Rückenwind" aus Berlin wünschen.

Derzeit bläst der Wind von vorn und Maget muss dagegen anlaufen. "Ich denke nur bis zum Achtundzwanzigsten", also bis zum Termin der Landtagswahlen, sagt er. Was danach kommt? Ludwig Stiegler, der bayrische Landesvorsitzende, der im Bundestag sitzt, hört auf. Sein Ziehsohn, der Bundestagsabgeordnete Florian Pronold, könnte Stieglers Nachfolger und damit auch Spitzenkandidat werden. Ein neuer Mann für Bayern. Der sich erstmal den alten Problemen stellen müsste.