Berlin vertraulich! Kauder und Gysi geben das Traumpaar auf der Bühne

  • von Hans Peter Schütz
Das Deutsche Theater in Berlin hat am Sonntag ganz großes Polit-Theater erlebt. Gregor Gysi und Volker Kauder brillierten geradezu als Traumpaar bester Bühnenunterhaltung.

Das Deutsche Theater in Berlin hat vergangenen Sonntag ganz großes Polit-Theater erlebt. Es traten auf: Gregor Gysi, Fraktionschef der Linkspartei und Volker Kauder, Chef der CDU/CSU-Fraktion. Eine Inszenierung vor ausverkauftem Haus. Zweieinhalb Stunden lauschte das Publikum fasziniert, wie der Linke den Rechten mit Fragen zum Leben und zur Politik löcherte, wie sie miteinander alberten, gegeneinander stichelten und sich offensichtlich einander näher sind, menschlich wie politisch, als man wegen ihrer Parteibücher vermuten kann. Eine Zuhörerin gestand am Ende mit glänzenden Augen: "Dieser Volker Kauder war mir viel, viel sympathischer als ich ihn aus dem Bundestag kenne."

Wieso tritt ein Kauder mit einem Gysi gemeinsam auf? Beide sitzen im Förderverein des Deutschen Theaters, für den Gysi viermal im Jahr eine Talkshow inszeniert. Das lohnt sich. Eintritt pro Person zehn Euro, macht bei 500 Personen, die Platz finden 5000 Euro plus dem Honorar, das der theaterverliebte Kauder dem Verein stiftete. Geboten wurde dem Publikum, das seinem Entzücken über das unterhaltsame Duo auf der Bühne immer wieder Szenenapplaus spendete, mal harte Politik, mal ein Blick in die ganz private Lebenskiste des Volker Kauder.

Kommt das auch in der CDU/CSU umstrittene Betreuungsgeld tatsächlich? Kauder: "Ich bin zuversichtlich, dass der Koalitionsbeschluss ungesetzt wird. Wir haben dem zugestimmt und können uns doch jetzt nicht vom Acker machen." Überlebt die FDP die Bundestagswahl? Kauder: "Die FDP wird deutlich über fünf Prozent liegen." Weshalb hat Kauder der Abwrackprämie von 2500 Euro für alte Autos zugestimmt. Kauder: "Ich habe Angela Merkel versprochen, darüber nicht mehr zu meckern. Deshalb sage ich auch nichts mehr, aber der liebe Gott hört jede Nacht mein Brummen."

"Ich bin ein Fan von Bayern München": Buhrufe

Mal ließ Kauder tief in seine private Seele blicken. Frage Gysi: "Stimmt es, dass sie eine Leidenschaft für rote Lederjacken haben?" Antwort: "Ja, ich habe eine zuhause, denn Rot ist eine besonders schöne emotionale Farbe." Im Bundestag wird er sie aber nicht tragen. "Ich habe mir aber überlegt, heute hierher ins Theater zu kommen." Das Publikum grölt entzückt: "Ach, wie schade!"

Frage: "Wie finden Sie als Theater-Beirat die Schauspielerin Nina Hoss?" Kauder: "Sie ist eine tolle Schauspielerin – und sie kommt aus Baden-Württemberg."

Frage: "Sind Sie ein Anhänger der Bundesliga-Kicker vom TSG 1899 Hoffenheim, da sie ja dort geboren sind?" Kauder zögert und murmelt leise: "Ich bin ein Fan von Bayern München." Ähs und Buhrufe im Publikum. In Berlin liebt man die Bayern nicht. Und dann ruft Gysi auch noch dazwischen: „Ich bin für Borussia Dortmund."

Kauder spielt den Ball flott mit der Hacke zurück: "Sie überraschen mich. Ich dachte immer, Sie sind nie für die großen Gewinner, sondern gehören stets zu den kleinen Verlierern." Jetzt steht es zwischen den beiden beim Publikum wieder Unentschieden. Aber Kauder gewinnt das Spielchen dann doch. Er sagt: "Ich gehe am liebsten zum alten Ostverein SG Union o6 Berlin ins Stadion." Denn dort stehe im Stadion groß an der Tribüne "Eiserne Union." "Und das freut doch jeden in der CDU."

Weshalb wollte Kauder als Kind Zirkusdirektor werden? Antwort: Für einen Artisten sei er zu unsportlich gewesen. "Und als meine Mutter auch noch sagte, du taugst nur zum Clown, dachte ich mir schnell den Direktor aus."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der Prediger Gauck bezieht sich aufs Erbauliche

Wochenlang haben die Leitartikler der Republik darüber philosophiert, weshalb Bundespräsident Joachim Gauck nach seiner Vereinigung im Bundestag in seiner Rede als ersten Satz sagte: "Was für ein schöner Sonntag." Welche Botschaft steckte in diesem Satz? Etwa eine politische, gar eine Warnung vor neuem Nationalsozialismus? Denn der Satz stammt aus einem Buch des spanischen Schriftstellers Jorge Semprún mit dem Titel "Was für ein schöner Sonntag." Es schildert die Erfahrungen des Autors im Konzentrationslager Buchenwald. Da stehen die Häftlinge an einem Sonntag um 5 Uhr morgens in stockdunkler Nacht im Schneetreiben zum Appell, Rauch steigt aus dem Krematorium und ein Mithäftling Semprúns ruft: "Was für ein schöner Sonntag."

Der bitterböse Satz, der gesagt wurde, als wolle der Häftling "Scheisse" sagen, wurde zum Titel des Buchs. Steckte da eine geheime Botschaft des Präsidenten drin? Die Nachfrage beim präsidialen Sprecher Andreas Schulze ergibt: "Nein, der Präsident kennt zwar das Buch. Aber er hat es nicht zitiert, sonst hätte er das kenntlich gemacht." Er habe nur den normalen deutschen Sprachgebrauch benutzt und zwar gemünzt auf den 18. März 1990, dem Tag, an dem die Menschen in der DDR zum ersten Mal die Abgeordneten der Volkskammer frei hatten wählen dürfen. Sagen wir es so: Der Prediger Gauck hat sich nur aufs Erbauliche bezogen.

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Die Piraten haben nicht den rüden Stil der Grünen

Viel haben die Piraten, die offenbar nicht zu bremsenden Eroberer der bundesdeutschen Parteienlandschaft, mit den Grünen politisch nicht am Hut. Sie pflegen im Normalfall auch nicht den rüden Stil, mit dem einst die Grünen Schlagzeilen machten und die Öffentlichkeit eroberte, etwa dadurch dass der Obergrüne Joschka Fischer dem Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen zurief: "Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!" und sich dadurch das seltene Plenarsaalverbot einhandelte.

Doch im Berliner Abgeordnetenhaus konnte man jetzt einen vergleichbar rüden Sprachstil hören. Christopher Lauer, innen- und kulturpolitische Sprecher der Fraktion der Piraten, stellte in einer Debatte die Frage, ob es denn der politischen Konkurrenz um "Sachfragen" gehe oder darum, "sich selber einen von der Palme zu wedeln?" Die SPD beklagte unverzüglich eine "besorgniserregende Verrohung parlamentarischer Umgangsformen." Lauer durfte drin bleiben.