Ungeachtet des Eklats bei der Wahl zum Bundestags-Vizepräsidenten will die Linkspartei an ihrem Vorsitzenden Lothar Bisky als Kandidaten für das Amt festhalten. Fraktionschef Gregor Gysi kündigte am Dienstagabend an, die Linkspartei wolle ihren Parteichef so lange im Rennen lassen, bis er gewählt sei. Bisky war zuvor überraschend in drei Wahlgängen gescheitert. Abgeordnete von CDU und FDP erklärten den breiten Widerstand mit Vorbehalten gegen die Person Biskys. Nun soll in einem vierten Wahlgang an einem anderen Tag versucht werden, Bisky doch noch zu wählen.
Gysi sagte: "Erst war ich richtig wütend, ich war auch traurig." Doch nun werde die Linkspartei, die im Bundestag mit 54 Mandaten vertreten ist, Geduld beweisen. "Jetzt sollen sie wählen, bis sie ihn gewählt haben", betonte Gysi. Bisky hatte in keinem der Wahlgänge die erforderliche Mehrheit von 308 Stimmen erreicht. Der Parteichef der umbenannten PDS hatte im letzten Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit gereicht hätte, 258 Gegenstimmen. Für ihn votierten 248 Parlamentarier.
"Man kann mir tausend Fragen stellen. Aber man muss sie stellen"
Der neue Bundestagspräsident Norbert Lammert versuchte die Wogen zu glätten. Er rate allen Beteiligten zur "rhetorischen Abrüstung", sagte der CDU-Politiker in den ARD-"Tagesthemen". Vor allem sollten die Fraktionen in dieser Frage keine "apodiktische Erklärungen" abgeben, sonst sei eine Lösung gefährdet. Warum Bisky abgelehnt worden sei, könne er nicht beurteilen. Es gebe jedoch keine "organisierte Ablehnungsfront".
Der CDU-Abgeordnete Michael Fuchs begründete das Nein vieler Parteifreunde indirekt mit Biskys Kontakten zur DDR-Staatssicherheit. "Viele Kolleginnen und Kollegen haben Probleme mit Herrn Bisky, weil der Verfassungsschutz sich mit ihm beschäftigt hat. Und viele haben gesagt: Der ist für uns als Vertreter des gesamten Parlaments nicht wählbar", sagte Fuchs im ZDF. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach sagte der "Berliner Zeitung": "Es ist völlig unbestritten, dass auch die PDS/Linkspartei einen Anspruch darauf hat, einen Vizepräsidenten zu stellen. Aber es gibt keinen Zwang, den jeweiligen Vorschlag der Fraktion auch zu akzeptieren."
Cornelia Pieper von der FDP erklärte den Widerstand gegen Bisky mit der Tatsache, dass die Linkspartei ausgerechnet ihren Parteichef für das Amt nominiert habe. "Ich glaube, dass das eine Mehrheit im Parlament auch befremdet hat", erklärte die FDP-Vize im ZDF. Bisky sagte am Abend mehreren Fernsehsendern: "Man kann mir tausend Fragen stellen. Aber man muss sie stellen. Vorher knicke ich nicht ein."
"Das schweißt uns nur noch mehr zusammen"
Als ´"erbärmlichen Vorgang" bezeichnete der Wahlkampfleiter der Linkspartei, Bodo Ramelow, das dreifache Nein gegen Bisky. Er machte große Teile der SPD-Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion für die Ablehnung verantwortlich. "Die einen in der SPD verübeln ihm die Kooperation mit Oskar Lafontaine und anderen früheren Sozialdemokraten, die anderen in der Union wollen ihre westdeutschen Vorurteile gegenüber Ostdeutschen pflegen", sagte Ramelow der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".
Der Linkspartei-Abgeordnete Klaus Ernst sprach von einem Skandal. "Viele können es offenbar nicht akzeptieren, dass die Linkspartei im Bundestag sitzt", sagte er der "Berliner Zeitung". Mit diesem undemokratischen Verhalten werde aber das Gegenteil erreicht. "Das schweißt uns nur noch mehr zusammen", so Ernst weiter.