Die Karlsruher Richter haben vier Klagen geprüft. Jetzt hat das Gericht das deutsche Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt. Es fehlten ausreichende Vorgaben für die Minderung der Emissionen ab dem Jahr 2031, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Donnerstag mit und gab damit den Verfassungsbeschwerden mehrerer junger Menschen teilweise statt. Ein ganzes Bündel an Umweltorganisationen unterstützt die Initiatoren, darunter der BUND, die Deutsche Umwelthilfe, Fridays for Future und Greenpeace. Mit den Verfassungsbeschwerden wollen sie erreichen, dass sich die Regierung im Kampf gegen den Klimawandel mehr anstrengen muss. Bisherige Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen und zur Begrenzung der globalen Erwärmung seien unzureichend.
Die Kläger würden durch die Bestimmungen in ihren Freiheitsrechten verletzt, erklärte das Gericht. Die Vorschriften verschöben hohe Lasten für die Minderung der Emissionen unumkehrbar auf die Zeit nach 2030. Um die im Pariser Klimaabkommen festgelegte Begrenzung des Temperaturanstiegs zu erreichen, müssten die dann noch notwendigen Minderungen immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Der Gesetzgeber müsse die Fortschreibung der Minderungsziele für die Zeit nach 2030 bis Ende kommenden Jahres genauer regeln.
Gesetz sollte die Klimaziele erfüllen
Von diesen Pflichten sei praktisch jede Freiheit potenziell betroffen, weil fast alle Lebensbereiche mit der Emission von Treibhausgasen verbunden seien. Der Gesetzgeber hätte darum Vorkehrungen treffen müssen, um diese Lasten abzumildern. Einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sah das Gericht dagegen nicht.
Bundestag und Bundesrat hatten Ende 2019 dem Klimapaket der Bundesregierung zugestimmt, nachdem Bund und Länder noch Kompromisse ausgehandelt hatten. Wesentlicher Punkt ist das Klimaschutzgesetz. Es legt für einzelne Bereiche wie Verkehr, Landwirtschaft oder Gebäude fest, wie viel Treibhausgase sie in welchem Jahr ausstoßen dürfen.
"Zweck dieses Gesetzes ist es, die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zu gewährleisten", heißt es dazu vom Bundesumweltministerium. Nach dem Pariser Klimaabkommen – das die Grundlage des deutschen Gesetzes bildet – soll der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden, um Folgen des Klimawandels so gering wie möglich zu halten.
"Es macht einen Unterschied, ob sich die Regierung rechtfertigen muss"
Den Klimaschützern geht das nicht weit genug. Sie verlangen, das Klimapaket zu überarbeiten und zu verschärfen. Luisa Neubauer von Fridays for Future sagte der Deutschen Presse-Agentur kurz vor der Verkündung, wichtig sei in Karlsruhe "ein Zeichen oder eine Art Rückendeckung (...) dafür, dass eben das, was die Regierung in Sachen Klimaschutz macht, nicht rechtens ist". Das könne ganz viele weitreichende Effekte haben. "Menschen überall könnten nochmal anfangen, sich darüber Gedanken zu machen, ob sie nicht doch auch klagen wollen, ob sie sich einbringen wollen", sagte die 25-Jährige.

In jedem Fall würden die jungen Menschen weiter für mehr Klimaschutz kämpfen, sagte Neubauer. "Nur es macht eben eine großen Unterschied, wenn es nicht mehr wir sind, die sich für mehr Klimaschutz rechtfertigen müssen. Sondern wenn auf einmal die Regierung dasteht und sich rechtfertigen muss für ausbleibenden Klimaschutz."
Die Entscheidung der Karlsruher Richter wurde am Donnerstagvormittag auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts veröffentlicht. "Es ist riesig. Klimaschutz ist nicht nice-to-have, Klimaschutz ist unser Grundrecht", kommentierte Neubauer die Entscheidung des Gerichts auf Twitter und kündigte an: "Jetzt kämpfen wir weiter für eine 1,5 Grad Politik, die unsere zukünftigen Freiheiten schützt, statt sie zu gefährden." Verbände um den BUND, die Deutsche Umwelthilfe und Greenpeace haben schon eine gemeinsame Pressekonferenz angekündigt.