"Autofahrer sind keine Verbrecher", sagte der Präsident des ADAC, Peter Meyer, der Zeitung "Welt am Sonntag". Der Auto-Club Europa (ACE) bezeichnete die Pläne als "Geldscheffelei". Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte am Wochenende angekündigt, die Bußgelder für Raser, Drängler und Alkoholsünder deutlich zu erhöhen. Sie gelten als Hauptverursacher von Unfällen. Wer in Zukunft betrunken Auto fährt, soll statt 250 Euro dann 500 Euro zahlen. Zu schnelles Fahren soll bis zu 680 Euro kosten. Als Grund nannte Tiefensee, dass die derzeitigen Bußgelder auf viele keine abschreckende Wirkung mehr hätten. Noch in diesem Jahr, so hofft man im Verkehrsministerium, soll ein entsprechendes Gesetz beschlossen werden.
Damit müssen Verkehrssünder rechnen
Raser
Wer zu schnell fährt, soll nach den Plänen des Verkehrsministers deutlich mehr zahlen: Eine Überschreitung des Tempolimits um bis zu 10 km/h kostet dann 20 Euro (bisher 15 Euro). Wer mehr als 20 km/h zu schnell fährt, muss mit 80 Euro (bisher 50 Euro) rechnen. 680 Euro statt bisher 425 Euro zahlt, wer mit mehr als 60 km/h über Deutschlands Straßen rast. Zum Vergleich: In Großbritannien fallen bei 30 bis 40 km/h über dem Tempolimit sogar 1481 Euro Strafe an.
Alkoholsünder
Wer trinkt und sich trotzdem ans Steuer setzt oder unter Drogeneinfluss Auto fährt, muss beim ersten Mal 500 Euro zahlen. Bisher sind 250 Euro fällig, wenn man zum ersten Mal erwischt wird. Führerscheinentzug und mehrere Punkte in Flensburg drohen dem Alkoholsünder auch weiterhin. Im internationalen Vergleich sind die deutschen Behörden noch einigermaßen milde: In Schweden müssen Betrunkene bis zu 16.400 Euro zahlen. In Österreich können bis zu 5813 Euro berechnet werden.
Drängler
Für Drängeln und zu dichtes Auffahren gelten die gleichen Bußgelder: Wo bisher 250 Euro anfielen, müssen den Plänen des Verkehrsministers zufolge bald 400 Euro gezahlt werden. Auch ständiges Linksfahren wird teurer: Statt 40 Euro werden nun 80 Euro Strafe aufgebrummt. In Frankreich kostet das übrigens bis zu 375 Euro. Und wer in Großbritannien drängelt, muss sogar bis zu 3700 Euro zahlen. Eine simple Regel, um nicht zu dicht aufzufahren, ist übrigens diese Rechnung: Richtiger Abstand ist gleich halber Tacho in Metern.
Seit 1990 ist die Höhe der meisten Bußgelder unverändert. Im Vergleich mit anderen Ländern fallen die Strafen sogar relativ milde aus. So werden in Großbritannien für Alkohol am Steuer bis zu 7408 Euro fällig. Mit der Einführung des Euro sind in Deutschland die Strafen für Verkehrsdelikte leicht gesunken, während die Bruttolöhne seit 1990 deutlich gestiegen sind. Die Verkehrsministerkonferenz beschloss deshalb 2005 eine Überprüfung des Sanktionsniveaus. 2006 stellte sie fest, "dass Verwarnungsgelder zunehmend bewusst in Kauf genommen werden", und ordnete eine Anhebung der Geldbußen für schwere Verkehrsverstöße an.
Höhere Strafen soll Unfallrate senken
Der ACE berichtet darüber hinaus von Plänen, wonach auch Falschparken höhere Strafen nach sich ziehen soll. Wenn das Wirklichkeit werde, sei das "reine Schikane", sagte Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen, der FTD. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums sagte dagegen, der ACE geistere "mit irgendwelchen alten Dokumenten herum, die nicht aus unserem Hause kommen". Tatsächlich könnten die Bußgelder für falsches Parken in Zukunft sogar niedriger werden: "Wir wollen Falschparken nicht mit Rasen und Drängeln gleichsetzen." Dort, wo es niemanden behindere, solle das Falschparken möglicherweise geringere Bußgelder nach sich ziehen.
Höhere Strafen für schwere Delikte sollen die Zahl der Unfälle auf deutschen Straßen weiter senken. In den vergangenen 15 Jahren ist die Zahl der Unfalltoten bereits um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Das liegt vor allem daran, dass die Autos heute eine wesentlich bessere Sicherheitsausstattung haben. Auch die Straßenführung hat sich verbessert. Diese Potenziale seien aber zu einem Großteil ausgeschöpft, schreibt Frank Albrecht, Regierungsdirektor im Bundesverkehrsministerium, in einem Aufsatz. Deshalb müsse man nun in anderen Bereichen aktiv werden, um die Zahl der Unfälle weiter zu senken. Dabei beruft er sich auf internationale Studien: Demnach konnte etwa in Frankreich die Zahl der Unfalltoten durch höhere Strafen und mehr Kontrollen zwischen 2002 und 2005 um etwa 25 Prozent gesenkt werden.
Kontrolldichte nimmt ab
Die derzeitigen Pläne beziehen sich bisher allerdings nur auf die Erhöhung der Strafen, nicht auf die Kontrolldichte. Diese nehme sogar stetig ab, so Rüdiger Holocek vom Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei. "Wenn wir nicht genügend Leute haben, um die Einhaltung der Gesetze zu kontrollieren, dann wird sich am Resultat nichts ändern", sagte er der FTD. Er forderte deshalb, mehr Polizisten einzusetzen. Die Kritik, dass es sich bei einer Erhöhung der Bußgelder um Abzocke handele, wies er als "völligen Quatsch" zurück: "Jeder kann sich schließlich selbst überlegen, ob er sich an die Regeln halten will oder nicht."
Verkehrsexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht technischen Fortschritt als erfolgversprechender an. "In Japan werden derzeit elektronische Systeme getestet, die die Pupillen des Autofahrers messen und somit erkennen, ob er Alkohol oder Drogen zu sich genommen hat. Das halte ich für wesentlich intelligenter, als hinter jeden Baum einen Polizisten zu stellen", sagte er. Auch die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins steht einer Erhöhung der Bußgelder kritisch gegenüber. Sie benachteilige hauptsächlich die wirtschaftlich Schwachen. Höchstens eine leichte inflationsbedingte Anhebung sei gerechtfertigt.
Verkehrsminister Tiefensee aber hatte schon im Februar gesagt: "Nur wenn es im Portemonnaie wirklich wehtut, werden Verkehrsrowdys ihr Verhalten ändern." Seine Pläne stehen am 9. und 10. Oktober auf der Tagesordnung der Verkehrsministerkonferenz. Wenn Bundestag und Bundesrat zustimmen, könnte das Gesetz im nächsten Jahr in Kraft treten.