Herr Günther, dass Frau Kramp-Karrenbauer nicht weiter CDU-Chefin sein möchte war ein Paukenschlag. Wie haben Sie die Entscheidung aufgenommen?
Ich bin wirklich überrascht gewesen über ihre Entscheidung. Auch in der Konsequenz, dass sie nicht nur auf die Kanzlerkandidatur verzichtet, sondern auch als Parteivorsitzende ausscheiden will. Da musste ich erst einmal schlucken.
Können Sie diese Entscheidung nachvollziehen?
Man muss die Entscheidung nicht nur zur Kenntnis nehmen. Ich habe ihre Begründung für diesen Schritt verstanden und trage auch die Folgerungen mit, die daraus entstehen. Ich werde Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützen, einen geordneten Übergang auf den Weg zu bringen.
Durch diesen Schritt ist die CDU allerdings in eine schwere Krise geraten. Wie soll die Partei da wieder rauszukommen?
Wir brauchen jetzt schnell Klarheit über den Zeitplan zur Neubesetzung der Führungspositionen. Deshalb wäre es gut, wenn es dazu zeitnah Gespräche zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder gibt.
Wird denn die Personalfrage das Problem der CDU alleine lösen?
Die Personalfrage ist das Eine. Ich denke aber, dass wir auch über Inhalte und grundsätzliche Fragen reden müssen. Dazu gehört eine Antwort auf die Frage, ob wir als CDU mit dem Blick auf Thüringen alles richtiggemacht haben. Wir brauchen hier als Union für die Zukunft einen gemeinsamen Kurs.
Es werden ja schon einige potenzielle Nachfolger für Frau Kramp-Karrenbauer gehandelt: Armin Laschet, Jens Spahn, Friedrich Merz. Wer ist Ihrer Meinung nach der aussichtsreichste Kandidat?
Ich erwarte, dass es eine klare Führung der Union gibt. Dazu gehört, dass Beschlüsse, die das Präsidium gemeinsam gefasst hat, auch respektiert werden. Wie haben uns darauf verständigt, ein geordnetes Verfahren zur Regelung der Nachfolge im Parteivorsitz zu beginnen. Annegret Kramp-Karrenbauer hat diesen Prozess zu ihrer Führungsaufgabe gemacht. Das ist zu respektieren. Das heißt auch, dass jetzt nicht ständig Namen ins Gespräch gebracht werden. Daran fühle ich mich gebunden.
Es gibt Berichte, dass diese drei möglichen Kandidaten die Nachfolge unter sich ausmachen würden? Können Sie dazu etwas sagen?
Ich lese im Moment ganz viel darüber, was da angeblich in Partei-Sitzungen stattgefunden und sich im Hintergrund abgespielt haben soll. Mir ist davon überhaupt nichts bekannt. Ich denke, das unterstreicht nur die Notwendigkeit, wenn wir bald Klarheit darüber haben, wie der weitere Zeitplan aussieht. Wir haben doch bei der SPD erlebt, wozu quälend lange Führungsdiskussionen führen. Das sollte uns eine Lehre sein.
In Ihrer Partei soll es aber bereits eine Front gegen Friedrich Merz geben?
Meine Phantasie reicht nicht aus, mir vorzustellen, dass sich innerhalb so kurzer Zeit irgendwelche Fronten bilden. Es gibt ohnehin noch keine Signale von irgendwem, Verantwortung zu übernehmen.
Sie haben vor wenigen Tagen noch betont, eine Linken-Regierung in Thüringen müsse im Notfall toleriert werden. Linke und AfD dürften bei den Unvereinbarkeitsbeschlüssen nicht gleichgestellt werden. Können Sie das noch ein bisschen konkretisieren?
Die Beschlüsse der CDU sind hier eindeutig und auch ich stehe dazu, dass weder die AfD noch die Linkspartei Partner der Union bei einer Regierungsbildung sein können. Was die AfD angeht – eine Partei, die versucht, unser politisches System zu desavouieren, die Demokratie lächerlich zu machen und in Teilen offen rechtsextrem ist, kann kein Ansprechpartner sein. Das muss jedem in der CDU klar sein. Dennoch haben wir nicht klar genug zum Ausdruck gebracht, wie wir mit einer Situation umgehen, in der AfD und Linkspartei eine Mehrheit haben. Es wäre sicher klug gewesen, wenn sich die Thüringer CDU-Fraktion im dritten Wahlgang der Stimme enthalten hätte. Dann wäre Bodo Ramelow Ministerpräsident geworden, und die CDU hätte bei aus ihrer Sicht für das Land bedeutsamen Themen für entsprechende Mehrheiten arbeiten können. Das wäre aus meiner Sicht ein vernünftiger Weg gewesen.
Und warum hat sich die CDU nicht für die Vernunft entschieden?
Es ist für uns in der CDU klar, einen linken Ministerpräsidenten abzulehnen. Selbst eine Enthaltung bei der Wahl hätten einige Funktionsträger nicht akzeptiert. Aber eine CDU, die nicht in der Lage ist, in einer solchen Situation Verantwortung zu zeigen, ist kurzsichtig. Meine Überzeugung ist, dass für die CDU in Situationen, wie wir sie in Thüringen erlebt haben, die Devise gelten muss, erst das Land, dann die Partei. Annegret Kramp-Karrenbauer hat in diesem Sinne mit der CDU Thüringen geredet.
Könnten Sie auch eine links gerichtete Regierung im Bund tolerieren?
Ich halte das für vollkommen ausgeschlossen. Die inhaltlichen Unterschiede zwischen CDU und Linkspartei etwa in der Sicherheits- und Außenpolitik sind so gravierend, dass jeder Gedanke an solche Modelle von selbst erledigt.
Haben Sie denn selbst Interesse an dem Amt des CDU-Vorsitzenden?
Ich habe mich dazu in der Vergangenheit klar geäußert und dem gibt es nichts hinzuzufügen.
Anmerkung der Redaktion: Günther äußerte sich Anfang Januar, dass er auf einen Fortbestand der Jamaika-Koalition über die Wahl 2022 hinaus setze. Bundespolitische Ambitionen habe er keine: "Ich habe immer gesagt, dass mich nichts anderes reizt als Ministerpräsident in Schleswig-Holstein zu sein." Wenn seine Partei dies wolle, werde er 2022 wieder als Spitzenkandidat der Nord-CDU antreten. "Über weitere Fragen mache ich mir zum jetzigen Zeitpunkt gar keine Gedanken." (Quelle: DPA)