Debatte in Deutschland Muslime uneins über den Schmähfilm

Die Debatte über eine geplante Aufführung des Mohammed-Schmähvideos, das weltweit gewalttätige Protest ausgelöst hat, hält in Deutschland unvermindert an. Selbst Muslim-Organisationen sind uneins.

Angesichts der Unruhen in der muslimischen Welt wegen eines islamfeindlichen Schmähvideos aus den USA wird in Deutschland weiter kontrovers und intensiv über ein Aufführungsverbot diskutiert. Auch Muslim-Verbände sind in der Frage uneins: Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland und der Zentralrat der Muslime sind für ein Verbot, der Liberal-Islamische Bund lehnt eine solche Maßnahme ab.

Das von Hass geprägte und auf Youtube ausschnittsweise veröffentlichte Video hatte in zahlreichen muslimischen Ländern antiwestliche Massenproteste entfacht, die weiterhin anhalten. In Kabul riss ein islamistischer Attentäter am Morgen zwölf Menschen mit in den Tod. Hierzulande befürchten Politiker ebenfalls Unruhen und wollen deshalb verhindern, dass der Film - wie von der rechtspopulistischen Splitterpartei Pro Deutschland geplant - öffentlich in einem Berliner Kino gezeigt wird. Das Bundesinnenministerium klärt derzeit die rechtliche Handhabe.

Keine freie Meinungsäußerung mehr

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt wandte sich gegen ein Aufführungsverbot. "Das Video ist es nicht wert, dass wir das Recht auf freie Meinungsäußerung kaputtmachen", sagte sie der "Thüringer Allgemeinen". "Ein Verbot würde nur die, die diesen Schwachsinn zu verantworten haben, zu Opfern stilisieren." Die Bundestags-Vizepräsidentin bezeichnete das Video als "unsagbar dämlich" und "diffamierend".

Von freier Meinungsäußerung könne keine Rede mehr sein, sagte dagegen der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland, Ali Kizilkaya, der Berliner Tageszeitung "taz". Das Video sei eine "tiefgreifende Beleidigung". Auch Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, plädierte für ein Verbot. "Wir laufen (...) Gefahr, dass der öffentliche Frieden hier empfindlich gestört wird", sagte er in den ARD-"Tagesthemen". Daher sollten alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden.

"Tabuisierung der Inhalte richtet Schaden an"

Anders die Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes, Lamya Kaddor. Sie spricht sich gegen ein Aufführungsverbot aus. "Je mehr man über ein Verbot redet und die Tabuisierung solcher Inhalte vorantreibt, desto mehr Schaden richtet man an", warnte sie in der "taz". Diskussionen über Verbote und Sonderregelungen für Muslime würden Islamfeindlichkeit in Deutschland schüren.

Auch der Islamexperte Rauf Ceylan hält ein Aufführungsverbot des Schmähvideos in Deutschland für überzogen. "Damit würde man den Film wichtiger machen, als er ist", sagte der Religionswissenschaftler an der Universität Osnabrück der "Saarbrücker Zeitung".

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CDU) hatte am Montag dafür plädiert, eine Aufführung des Films, der den Propheten Mohammed verunglimpft, mit allen rechtlich zulässigen Mitteln zu unterbinden. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) rieten dazu, ein Verbot zu prüfen. Leutheusser forderte die Gruppe Pro Deutschland in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf, das Video auf ihrer Seite nicht online stehen zu stellen und ihre Pläne für eine öffentliche Vorführung fallen zu lassen.

Fatwa zur Tötung der Videomacher

Ägypten hat ein salafistischer Imam eine Fatwa zur Tötung aller Beteiligten an dem in den USA produzierten Anti-Islam-Film erlassen. Wie das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Montag (Ortszeit) mitteilte, rief Ahmed Fuad Aschusch die "jungen Muslime in den USA und in Europa" in seinem religiösen Gutachten auf, die Macher und Schauspieler des Films sowie alle, die zu seiner Verbreitung beitrugen, wegen Verunglimpfung des Propheten Mohammed umzubringen. Die Fatwa wurde SITE zufolge auf mehreren dschihadistischen Foren im Internet veröffentlicht.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Tote bei "Vergeltungsschlag" in Kabul

Bei einem Vergeltungsanschlag wegen des islamfeindlichen Schmähvideos hat unterdessen ein Selbstmordattentäter in Kabul neun Ausländer und drei Afghanen mit in den Tod gerissen. Der Angreifer habe sich am Dienstagmorgen in seinem Wagen neben einem Minibus in die Luft gesprengt, teilte die Polizei in der afghanischen Hauptstadt mit. In dem Kleinbus seien ausländische Mitarbeiter einer Firma auf dem Weg zum Flughafen gewesen. Zwei Angehörige der Sicherheitskräfte seien verletzt worden. Über die Nationalität der getöteten Ausländer war zunächst nichts bekannt. Bei den getöteten Afghanen handelte es sich laut Polizei um Zivilisten.

Die radikal-islamische Hesb-i-Islami (HIG) des früheren Premierministers Gulbuddin Hekmatjar übernahm die Verantwortung für den Anschlag auf der Flughafenstraße. HIG-Sprecher Subair Seddiki sagte in einem Telefongespräch, es habe sich um einen Vergeltungsanschlag für das islamfeindliche Mohammed-Video gehandelt. Die Attentäterin sei eine 20 Jahre alte Frau namens Fatima aus Kabul gewesen.

DPA
dho/DPA/AFP