Deutsche Waffen für Ukraine "Olaf Scholz spricht. Das ist die gute Nachricht": So kommentiert die Presse den Kurs des Kanzlers

Olaf Scholz zu Waffenlieferungen an die Ukraine
Der Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz zu Waffenlieferungen in die Ukraine sorgt vielerorts für Irritationen
© Clemens Bilan / Getty Images
Zaudern. Zögern. Im Ungefähren bleiben. Bundeskanzler Olaf Scholz steht für seinen tastenden Kurs in der Frage, ob Deutschland der Ukraine schwere Waffen liefern sollte, schwer in der Kritik. Die Pressestimmen.

Gedacht war es vermutlich als eine Art Befreiungsschlag. Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Ukraine am Dienstag zugesagt, direkte Rüstungslieferungen der deutschen Industrie zu finanzieren. Nichtsdestotrotz hält die Kritik an Scholz und seinem tastenden Kurs an. Selbst aus der eigenen Koalition hagelt es Vorwürfe. Ein Vorgang, der sich auch in den Kommentarspalten der deutschen Presseerzeugnisse niederschlägt.

"Badische Zeitung" (Freiburg): Läuft es diesmal besser für Putins Truppen, werden sie kaum an den Grenzen des Donbass Halt machen. Nein, die Ukraine kämpft noch immer ums Überleben. Dass der Westen mit seiner Waffenhilfe für Kiew diesen Krieg verlängert, wie Russlands Kriegsminister Sergej Schoigu behauptet, ist richtig und falsch zugleich - vor allem aber ist der Vorwurf aus dem Mund eines der Hauptverantwortlichen für diesen brutalen Angriffskrieg abgrundtief zynisch. Helft dem Opfer nicht, ruft da der Täter, sonst muss ich härter zuschlagen. Als Deutscher weiß man freilich gar nicht, ob man sich von Schoigu allzu sehr angesprochen fühlen darf. Bringt der Kanzler jetzt eilig auch aus Deutschland die von Kiew erflehte Lieferung schwerer Waffen auf den Weg, damit die Ukraine sich Russlands neuer Offensive erwehren kann? So recht weiß man es auch nach den jüngsten Einlassungen von Olaf Scholz nicht. Irgendwann, das ist sicher, ist es zu spät.

"Leipziger Volkszeitung": Bundeskanzler Olaf Scholz spricht. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist: Er spricht nicht klar. Er bleibt im Ungefähren. Das trägt nicht dazu bei, die tiefe Verunsicherung in der Bevölkerung aufzufangen. Man konnte durchaus mit einem Ja - oder Nein - zu der seit etlichen Tagen in der Ampel-Koalition umstrittenen Frage nach weiteren deutschen Waffenlieferungen rechnen. Aber Scholz machte viele Worte, ohne wirklich Klarheit zu schaffen. Alles in allem kann man seine Antwort in einem Wort zusammenfassen: Jein.

"OM-Medien" (Cloppenburg/Vechta): Nun also gibt es nach langem Zögern zumindest eine Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): Die deutsche Rüstungsindustrie darf Waffen an die Ukraine liefern, die Rechnung zahlt der Staat. Doch: Ob es sich um schwere Waffen handelt, die von der Ukraine beim Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor dringend benötigt werden, darüber gibt es von Scholz nur nebulöse Ausführungen. Die lassen zudem eher darauf schließen, dass die Unterstützung sich auf jene Waffensysteme beschränkt, die bereits zuvor geliefert wurden. Damit beschreitet Scholz einen deutschen Sonderweg in der Nato und setzt sein bisheriges Versagen im Ukraine-Konflikt fort.

"Neue Osnabrücker Zeitung": Es ist scheinheilig, dass Deutschland bislang nur Ausrüstung und leichte Waffen liefert; es sind Kampfpanzer und Artilleriegeschütze nötig, damit die Ukraine auch nur annähernd der Übermacht Russlands standhalten kann. Wie kann es sein, dass Scholz da noch zaudert? Das ist nicht nur fahrlässig und führungslos, sondern verursacht auch außenpolitischen Schaden. Scholz muss jetzt liefern, im doppelten Sinne. Alles andere wäre ein heuchlerischer Pazifismus auf Kosten anderer, ein zynisches Zuschauen. Zudem ist es naiv zu glauben, dass Putin nach einem möglichen Sieg über die Ukraine aufhören würde. Er und jeder Despot dieser Welt hätte dann den Freibrief, Grenzen zu verschieben, wie es ihm gerade passt. Die Freiheit Europas wird derzeit in der Ukraine verteidigt.

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"Berliner Zeitung": Das Dilemma, vor Entscheidungen zu stehen, für die es keine goldene Formel gibt, ist hinlänglich beschrieben. Umso unangenehmer ist es, dass die Debatte von starken Meinungen aus dem weiten Feld der Psychopathologie dominiert wird. Olaf Scholz’ Zaudern gerinnt dabei zu nackter Feigheit oder mündet in der schlichten Unterstellung, die ewigfalsche Russlandfreundlichkeit der Sozialdemokratie weiter schützen zu wollen. Es ist leider nicht auszuschließen, dass in den vergangenen Wochen fatale politische Fehler begangen wurden. Die Annahme jedoch, dass das politische Handeln derzeit vor allem von niederen Beweggründen geleitet werde, zeugt von einer erschütternden Staatsverachtung. Zu einer Zeitenwende, die den Namen verdient, gehört der pragmatische Grundsatz: First things first – das Wichtige zuerst. Sollte dies nicht auch für die begleitenden gesellschaftspolitischen Debatten gelten?

"Augsburger Allgemeine": Insofern ist das, was Bundeskanzler Scholz kürzlich beschrieben hat, womöglich sogar eine Zeitenwende im doppelten Sinn: Zwar hat sich in der Regierung die Erkenntnis durchgesetzt, dass es allein mit guten Ratschlägen und einem Verweis auf den moralischen Kompass nicht getan sein wird. Doch zugleich wurde ein Kipppunkt erreicht, an dem Deutschland von vielen Nachbarn mit anderen Augen gesehen wird. Es erinnert fast an das Märchen vom Kaiser ohne Kleider: Die Welt schüttelt den Kopf und sieht die Schwäche des vermeintlichen Kraftprotzes plötzlich mit erstaunlicher Klarheit.

Ukraine-Krieg: Scholz: Wir liefern zusammen mit Partnern Waffen an Ukraine
Scholz: Wir liefern zusammen mit Partnern Waffen an Ukraine

"Handelsblatt" (Düsseldorf): Kurz vor den Feiertagen kündigte Scholz an, der Ukraine zwei Milliarden Euro an Rüstungshilfe bereitzustellen. Nach der Kritik an seiner zögerlichen Haltung in Sachen Waffenlieferungen wollte Scholz so für etwas österliche Ruhe sorgen. (…) Doch in Wahrheit ist die Ankündigung nicht mehr als rhetorisches Blendwerk. Die zwei Milliarden sollen aus dem Ergänzungshaushalt kommen. Bis der vom Bundestag beschlossen wird, vergehen Wochen. Viel Zeit, die die Ukraine nicht hat. Wollte die Bundesregierung der Ukraine schnell helfen, hätte sie das Geld sofort bereitstellen können. Haushälterisch problemlos möglich. Nur: Warum hat es die Bundesregierung dann nicht längst gemacht? Die Antwort liegt auf der Hand: Mehr Geld hilft der Ukraine null. Deshalb will die Bundesregierung Hilfen mit Vorhaben unterfüttern. Derzeit hat sie offenbar nur nichts, was sie der Ukraine an Waffen anbieten könnte. Damit entpuppt sich die Zwei-Milliarden-Ankündigung aber eben: als vorerst reine PR-Nummer.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Süddeutsche Zeitung" (München): In Teilen der SPD hält sich die fatale Überzeugung, weniger Waffen für die Ukraine könnten Deutschland mehr Sicherheit bringen. Aus den bisherigen Andeutungen des Kanzlers lässt sich zwar heraushören, dass er die vermutlich höchst beweglichen roten Linien des Wladimir Putin im Blick behält. Zugleich ist er aber überzeugt, dass jeder Erfolg in der Ukraine den russischen Despoten noch gefährlicher macht. Von den Entscheidungen des Kanzlers in den nächsten Tagen und Wochen hängt deshalb nicht nur für die Ukraine viel ab. Scholz' historische Leistung wird darin bestehen müssen, die SPD, die Ampelkoalition und die deutsche Politik zu wappnen für ein atomar bewaffnetes Russland. Scheitert er, wäre es eine Katastrophe. Nicht nur für Scholz, nicht nur für die Ampel und nicht nur für Deutschland.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Damit tut sich Deutschland schwerer. Die Debatte wird seit Tagen von lauten Forderungen nach schweren Waffen beherrscht, die auch von Leuten kommen, die vor dem 24. Februar nicht als Rüstungsbefürworter aufgefallen waren. Der Kanzler hingegen, der gerne seine Führungsqualitäten rühmt, ist zögerlich. Nüchtern betrachtet gilt es, zwei Aspekte zu beachten: Zum einen muss die ohnehin schlecht ausgerüstete Bundeswehr einsatzfähig bleiben; niemand weiß, ob der Krieg sich nicht doch noch nach Westen ausweitet. Zum anderen sollten die Nato-Staaten so abgestimmt wie möglich handeln, schon um Moskau keine Möglichkeit zum Spalten zu bieten. Auch die Verbündeten erfüllen Kiew nicht jeden Wunsch. Eine gute Richtschnur lautet: Was Amerika liefert, kann auch Deutschland liefern.

DPA · AFP
kng