Erster Linken-Ministerpräsident gewählt Bodo Ramelow entschuldigt sich bei SED-Opfern

Mit Bodo Ramelow ist erstmals ein Politiker der Linken zum Ministerpräsidenten eines Bundeslandes gewählt worden. In seiner Antrittsrede überraschte er mit einer Entschuldigung für Verbrechen der SED.

Bodo Ramelow ist der bundesweit erste Ministerpräsident der Linkspartei. Der 58-Jährige wurde am Freitag im thüringischen Landtag im zweiten Wahlgang mit 46 Stimmen gewählt. Dies ist genau die Stimmenzahl, über die das künftige Regierungsbündnis aus Linkspartei, SPD und Grünen verfügt. Im ersten Wahlgang hatte dem gebürtigen Niedersachsen eine Stimme gefehlt. In seiner Antrittsrede bat Ramelow alle Stasi-Opfer um Entschuldigung. Ihnen sei großes Unrecht durch eine der Parteien widerfahren, die zu den Quellen seiner Linkspartei zähle. Ramelow bezog sich dabei auf die einstige DDR-Einheitspartei SED, deren Nachfolgerin die Partei Die Linke ist.

An einen persönlichen Freund, der in einem Stasi-Gefängnis gesessen hatte, auf der Zuschauertribüne gewandt sagte Ramelow: "Dir und all Deinen Kameraden kann ich nur die Bitte um Entschuldigung übermitteln." Der Ministerpräsident fügte hinzu: "Wir brauchen im 25. Jahr der friedlichen Revolution die Räume, um miteinander ins Gespräch zu kommen." Die Opposition aus CDU und AfD rief er zur vertrauensvollen Zusammenarbeit auf.

CDU hat keinen Gegenkandidaten benannt

Im zweiten Wahlgang gab es neben den 46 Ja-Stimmen 43 Nein-Stimmen sowie je eine Enthaltung und eine ungültige Stimme. Die Opposition aus CDU und eurokritischer AfD hat 45 Stimmen. Da die Wahl geheim war, bleibt offen, ob die Stimmen alle aus dem rot-rot-grünen Lager kamen. Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses wurde Ramelow von Landtagspräsident Christian Carius (CDU) vereidigt. Im Laufe des Tages sollen auch die Landesminister vereidigt werden. Die Linke soll vier Ministerposten, die SPD drei und die Grünen zwei bekommen.

Zweieinhalb Monate nach der Landtagswahl löst Ramelow damit die bisherige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) ab, die fünf Jahre mit der SPD regiert hatte. Sie war 2009 erst im dritten Wahlgang zur Regierungschefin gewählt worden.

SPD und Linke sehen "Zeichen für den Bund"

Das erste rot-rot-grüne Bündnis auf Landesebene könnte auf lange Sicht ein Vorläufer für eine ähnliche Konstellation im Bund sein. Ein Bündnis mit der Linkspartei im Bund lehnen Sozialdemokraten derzeit jedoch vor allem unter Verweis auf die Außen- und Sicherheitspolitik der Linkspartei kategorisch ab.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe erklärte jedoch: "Die neue Regierung in Thüringen ist wichtig für das Bundesland, aber auch ein Signal für den Bund." Das Regierungsbündnis beflügele die Phantasie: "Es gibt keinen Automatismus mehr, dass die CDU den Regierungschef stellen muss - weder in Thüringen noch im Bund." SPD und Grüne, vor allem aber die Linkspartei müssten daran arbeiten, dass Rot-Rot-Grün auch im Bund möglich werde, erklärte Schwabe, der auch Mitglied eines Netzwerkes aus Abgeordneten von SPD, Linkspartei und Grünen ist. Der kleine Kreis tagt unter dem Kürzel "r2g" - zweimal rot, einmal grün.

Auch Linke-Chef Gregor Gysi sieht die Wahl Ramelows als Signal für den Bund. "Ich glaube schon, es ist ein wichtiges Zeichen", sagte Gysi am Freitag. Eigentlich müssten nun Schritt für Schritt Gespräche beginnen. Vor allem brachte aber seine persönliche Freude zum Ausdruck: "Heute ist einfach ein großer, ein schöner Tag auch in meinem Leben, das muss ich sagen. Dass ich das noch erlebe."

Keine Auswirkung auf Bundesrat

Für die Koalition aus Union und SPD im Bund ändert sich vorerst kaum etwas. Im Bundesrat verliert sie zwar vier Stimmen (von 31 auf 27), auf die Schwarz-Rot unter der bisherigen CDU-SPD-Koalition im Land sicher zählen konnte. Allerdings hatte die Bundesregierung auch bisher in der Länderkammer keine eigene Mehrheit. Damit müssen weiterhin einzelne Länder mit Kompromissen für eine Mehrheit gewonnen werden, wie zum Beispiel das grün-rot regierte Baden-Württemberg bei der Anerkennung der Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer, was eine leichtere Abschiebung ermöglicht.

Das linke Lager aus Ländern, die von der SPD allein, mit den Grünen und/oder den Linken regiert werden, kommt künftig auf 40 Stimmen. Das ist zwar eine Mehrheit, aber wegen der großen Koalition im Bund wird sich auf Wunsch der SPD in der Regel enthalten. Die SPD ist nun an 14 von 16 Regierungen beteiligt, die Union nur noch an 7 - die Grünen überholen sie mit 8 Beteiligungen. Die Linke regiert in zwei Bundesländern mit.

DPA · Reuters
dho/Reuters/DPA