Europäische Presseschau zur NRW-Wahl Rüffel für Merkels Sparpolitik

In NRW musste die CDU eine mächtige Schlappe hinnehmen. Lag es wirklich nur an Kandidat Norbert Röttgen? Ein Blick in die europäischen Zeitungen.

Am Sonntag haben die Wähler in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihre rot-grüne Koalition mit einer klaren Mehrheit im Landtag ausgestattet. Die CDU erreichte nur noch 26,3 Prozent - ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis in Nordrhein-Westfalen überhaupt. Während viele deutsche Kommentatoren die Hauptschuld bei CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen sehen, hält die europäische Presse eine andere Deutung bereit.

"Les Dernières Nouvelles d'Alsace" aus Frankreich

Die Straßburger Zeitung "Les Dernières Nouvelles d'Alsace" (DNA) sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen geschwächt:

"Morgen wird eine politisch geschwächte Angela Merkel den französischen Präsidenten François Hollande empfangen. Die CDU der Kanzlerin hat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eine herbe Niederlage erlitten. (...) Sicherlich, das war nur eine Landtagswahl, aber immerhin im bevölkerungsreichsten Land der Bundesrepublik. (...) Wird die Kanzlerin diesen Wahlen Rechnung tragen? Im Jahre 2005 hatte ihr Vorgänger Gerhard Schröder angesichts der verheerenden Niederlage in Düsseldorf vorgezogene Wahlen ausgeschrieben. So weit wird Angela Merkel nicht gehen. Aber mit Blick auf die Wahl im kommenden Jahr ist es nun denkbar, dass sie bei der Sparpolitik etwas nachgibt. Paris erwartet nichts anderes von ihr."

"La Repubblica" aus Italien

Ähnlich sieht es die gemäßigt linke Zeitung "La Repubblica" aus Rom:

"Die demokratischen Linken fliegen dank der SPD zum Erfolg, und Kanzlerin Merkel kommt sehr geschwächt heraus, auch mit Blick auf ihre Rolle in Europa. Ihr zwanghafter Anspruch zur Härte bei sämtlichen Ausgaben verliert Gewicht und Kraft, denn die SPD will (wie Monti und Hollande) Anstrengungen für das Wachstum, als Gegenleistung für die Ratifizierung des Fiskalpakts. Wenn die Kanzlerin in etwa 48 Stunden im Kanzleramt den neu gewählten französischen Präsidenten empfängt, den Sozialisten François Hollande, wird sie schwächer sein gegenüber seinen Wünschen, Europa nicht allein regieren zu wollen und mehr für Wachstum und Beschäftigung zu tun."

"Neue Zürcher Zeitung" aus der Schweiz

Die liberal-bürgerliche "Neue Zürcher Zeitung" aus der Schweiz deutet den Sieg von Rot-Grün am Montag als Zeichen, dass die Deutsche die Sparappelle ihrer Kanzlerin nicht mehr hören können:

"Vorgezogene Neuwahlen waren in Nordrhein-Westfalen nötig geworden, weil das Landesverfassungsgericht die exzessive Neuverschuldung der rot-grünen Regierung gestoppt hatte. Dennoch wurde Ministerpräsidentin Hannelore Kraft überzeugend im Amt bestätigt. Offenkundig wollen auch viele Deutsche die Sparappelle nicht mehr hören. Für die SPD, die in der Vergangenheit Merkels Politik zur Euro-Rettung mittrug, ist jetzt die Versuchung gross, sich als finanzpolitische Alternative zu inszenieren. Der Kanzlerin stehen auch innenpolitisch schwere Monate bevor."

"Kurier" aus Österreich

Das österreichische Massenblatt "Kurier" schiebt die Schuld an der Niederlage der Konservativen vor allem Norbert Röttgen zu:

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Dass sich Rot-Grün nach knapp zwei Jahren Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen stabilisiert, ist kein großer Triumph. Vor allem angesichts eines versagenden Gegenkandidaten, dem CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen. [...] Er hat die Chance total vertan, Hannelore Kraft dort zu stellen, wo es möglich und höchst nötig gewesen wäre: Bei ihrer hemmungslosen Schuldenpolitik zur Erfüllung alter und neuer Wahlversprechen, angespornt von der Bundes-SPD. Röttgen traute sich nicht, Spar-Ansagen zu machen, ja kündigte sogar selbst neue soziale Wohltaten an - trotz der riesigen Schuldenlast aus Dezennien sozialdemokratischer NRW-Dominanz."

"El Mundo" aus Spanien

Zum Ausgang der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen schreibt die rechtsliberale spanische Zeitung "El Mundo" am Montag:

Das Fiasko der CDU bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist schlimmer als erwartet. Die CDU liegt weit hinter der SPD zurück. Die Bedeutung dieser Niederlage ist enorm, denn NRW ist mit 18 Millionen Einwohnern eines der wichtigsten Bundesländer. Der Ausgang der Wahl bestätigt zudem, dass es für Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht einfach sein wird, bei den Parlamentswahlen 2013 ihr Mandat zu verlängern.

Manche Deutsche haben sie bestraft, weil sie glauben, dass sie mit ihrer Sparpolitik Europa und ihr eigenes Land ruiniert. Andere glauben hingegen, dass es Deutschland zu teuer kommt, den Zusammenbruch Europas zu verhindern. Es sieht so aus, als ob auch Merkel dem Fluch nicht entwischen kann, der alle Regierungschefs trifft, die in dieser Krise zur Wahl gehen."

DPA · Reuters
jwi/DPA/AFP/Reuters