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Höhere Steuer für mehr Tierwohl "Eine Steuer auf Fleisch von ein paar Cent wird kein Umdenken bringen"

Fleischwaren liegen in einer Theke einer Fleischerei
Fleischwaren in der Theke eines Metzgers: "Parallel zur CO2-Steuer brauchen wir auch eine Fleischsteuer", fordert der Deutsche Tierschutzbund.
© Christophe Gateau / DPA
Angesichts von Billigpreisen in vielen Supermärkten werden Rufe nach höheren Steuern auf Fleisch laut, um mehr in bessere Ställe zu investieren. Die deutsche Presse hat dazu eine ziemlich einhellige Meinung.

Die heikle Debatte hatte der Tierschutzbund wieder angestoßen: Sollte der Staat Fleisch für einen maßvolleren Konsum und mehr Tierwohl teurer machen? Bisher wird Fleisch wie die meisten Lebensmittel nur mit sieben Prozent statt den üblichen 19 Prozent besteuert. Bundesagrarministerin Julia Klöckner reagiert zurückhaltend auf Forderungen, die Mehrwertsteuerreduktion für Fleisch aufzuheben. Bei den allermeisten Kommentatoren der deutschen Presse kommt die Idee gar nicht gut an.

"Westfälische Nachrichten" (Münster)

"Das Tierwohl, die Gesundheit der Konsumenten, der Klimaschutz: Es gibt viele gute Gründe, über unseren Fleischkonsum nachzudenken und wohl auch, ihn spürbar einzuschränken. Doch in diesem Fall ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer wohl ein Irrweg. [...] Wer Tieren und Umwelt dienen will, muss akzeptable Mindeststandards definieren und dafür sorgen, dass sie flächendeckend eingehalten werden. Teurer wird das Fleisch dann ohnehin. Aufgeklärte Verbraucher müssen akzeptieren, dass es das Kilogramm Bratwurst nicht mehr für 3,50 Euro gibt. In diesem Punkt sind manche unserer europäischen Nachbarn deutlich weiter."

"Volksstimme" (Magdeburg)

"Ja, Fleisch ist zu billig. Ja, wir sind alle für mehr Tierwohl. Also erhöhen wir die Mehrwertsteuer und mit dem Geld bauen wir neue, bessere Ställe. Das wird nicht funktionieren. Abgesehen davon, dass zweckgebundene Steuern am Ende mit großer Wahrscheinlichkeit im großen Topf verschwinden, würde die effektive Steuerung zum Wohle des Tieres den Staat vollends überfordern.  Nicht einmal die Förderung des Kindeswohls gelingt richtig: Das "Bildungs- und Teilhabepaket" kommt nur bei gut zehn Prozent der Berechtigten an. Möglicherweise tritt das Gegenteil ein: Wenn neben Discounter und Wurstfabrikant auch noch der Staat den Kostendruck auf den Schweinemäster erhöht, bleibt ihm noch weniger Geld, das er in Tierwohl investieren könnte. Schon heute sind die Preise für ihn kaum auskömmlich. Statt hier zu kurz zu denken, sollten sich Politiker auf den Weg nach Brüssel machen. Von dort aus könnte Tierwohl über strenge Vorschriften für alle eingepreist werden."

"Neue Osnabrücker Zeitung" 

"Bis vor wenigen Jahrzehnten gab es, der "Sonntagsbraten" sagt es deutlich, Fleisch als Hauptgericht einmal in der Woche. Am Freitag gab es Fisch, den Rest der Woche waren die Menschen mit deftigen Eintöpfen Vegetarier, ohne das Wort zu kennen. Als das Fleisch noch seinen Preis hatte, hatte der Bauer sein Auskommen, und die Tierhaltung war so weit umweltverträglich. Seit bei immer mehr Menschen immer öfter Fleisch auf den Teller kommt und dieses immer billiger wird, ist die Tierhaltung aus dem Gleichgewicht geraten, wirtschaftlich und ökologisch. Eine Steuer auf Fleisch von ein paar Cent wird da kein Umdenken bringen. Vielmehr dürfte die Warnung des Bauernverbandes wahr werden, wonach die Verbraucher weiter das billigste Fleisch kaufen, dann eben aus dem Ausland."

"Tageszeitung" (Berlin)

"Die Viehhaltung verursacht laut der UN-Agrarorganisation rund 15 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Deshalb sollte der Bund Fleisch verteuern, zum Beispiel indem er die Mehrwertsteuerermäßigung für tierische Lebensmittel streicht. Es stimmt nicht, dass so eine Steuererhöhung zu mehr möglicherweise noch klimaschädlicheren Importen führen würde. Denn die Mehrwertsteuer gilt ja auch für Produkte aus dem Ausland. Da private Haushalte im Durchschnitt für tierische Produkte rund 100 Euro pro Monat ausgeben, müssten sie laut Beratern des Bundesagrarministeriums für eine unveränderte Menge nur 11 Euro mehr berappen. Das ist genug, um den Konsum zu senken, wie Ökonomen berechnet haben. Aber zu wenig, um den Mittelstand in die Armut zu treiben. Und extreme Härten ließen sich verhindern, indem mit einem Teil der zusätzlichen Einnahmen die Hartz-IV-Regelsätze etwas erhöht und Geringverdiener steuerlich leicht entlastet würden."

"Leipziger Volkszeitung" 

"Vieles spricht jetzt für eine Erhöhung der "Fleischsteuer" auf 19 Prozent - auf den ersten Blick zumindest. Bei genauerer Betrachtung tun sich aber viele Fragen auf. Schweinenackensteaks ohne Knochen, die Aldi Nord gerade in der 400-Gramm-Packung für 2,39 Euro anbietet, würden sich dann theoretisch auf 2,64 Euro verteuern. Lassen sich Grillfans von einem Aufschlag von 25 Cent für 400 Gramm Fleisch abschrecken? Zweifel sind angebracht. Noch viel wichtiger ist die Frage, ob sich das Nackensteak dann tatsächlich in diesem Maß verteuern würde. Im harten Wettbewerb von Lidl, Aldi, Edeka, Rewe und Co. würde sich durch höhere Steuern der Druck noch verstärken."

"Südwest-Presse" (Ulm)

"Das alles stimmt, und daher ist es richtig, beides einzuschränken, den Fleischkonsum und die Viehzucht. Eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch, wie aus Reihen der SPD und der Grünen gefordert, wird das Problem nicht einmal ansatzweise lösen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich Verbraucher gegen das Kilo Hack entscheiden, nur weil es 50 Cent mehr kostet. Sollte es überhaupt eine Lenkungswirkung geben, betrifft sie ausschließlich Familien, die wirklich jeden Cent herumdrehen müssen. Das macht das ganze Ausmaß der Verachtung deutlich, das die Umweltdebatte leider so oft prägt."

"Ludwigsburger Kreiszeitung" 

"Bei aller Notwendigkeit, mehr für das Tierwohl zu tun: Das größte Problem bei der Einführung einer Fleischsteuer wäre ihre soziale Schieflage. Wer genug im Portemonnaie hat, spürt beim Einkauf nicht, ob die Mehrwertsteuer sieben oder 19 Prozent beträgt. Bei jemandem, der jeden Euro zweimal umdrehen soll, sieht das schon anders aus. Dann eben seltener ein Steak oder Schnitzel, wenden manche ein, dafür ein gutes. Richtig. Das sollte jedoch eine bewusste Entscheidung sein, keine durch eine politisch verordnete Preiserhöhung erzwungene. Die Politik muss aufpassen, dass sie nicht übertreibt. Sonst werden viele, die jetzt schon kaum über die Runden kommen, vollends abgehängt. Die AfD wird um sie buhlen."

Höhere Steuer für mehr Tierwohl: "Eine Steuer auf Fleisch von ein paar Cent wird kein Umdenken bringen"

"Oberhessische Presse" (Marburg)

Es ist zweifellos sinnvoll, kritisch über unseren Fleischkonsum nachzudenken und mehr noch über die Art und Weise, wie das Fleisch erzeugt wird und woher es stammt. Auch die Frage nach Anreizen für klimafreundliches Verhalten ist angebracht. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte wäre allerdings ein hilfloser Versuch, Fehlentwicklungen auf den Weltmärkten mit den vergleichsweise kleinen Stellschrauben nationaler Politik verändern zu wollen. Und erfahrungsgemäß gibt es nicht einmal eine Garantie, dass Mehreinnahmen aus einer höheren Mehrwertsteuer auch wirklich zweckgebunden und vor allem sinnvoll in das sogenannte Tierwohl investiert würden. Sinnvoller wäre eine Umkehr der Förderpolitik.

"Reutlinger General-Anzeiger"

Will die Politik wirklich etwas fürs Tierwohl tun, kann sie das aber sehr wohl. Sie kann deutlich strengere Gesetze erlassen, wie Tiere zu halten sind und was einem Tier zugemutet werden kann. Bei gleichem Budget isst der Verbraucher am Ende weniger Fleisch, aber dafür qualitativ hochwertigeres. Ein erstrebenswertes Ziel für die Politik mit Vorteilen für Tier, Mensch und Klima.

"Kölner Stadt-Anzeiger"

In der Landwirtschaft gibt es keine einfachen Antworten. Eine nachhaltig wirksame Lösung ist nur möglich, wenn die EU ihre Agrarpolitik radikal umstellt. Subventionen darf es nur noch für Bauern geben, die nach strengen Öko-Kriterien arbeiten. Die EU-Kommission in Brüssel käme wohl auch nicht daran vorbei, Fleisch-Importe aus konventioneller Haltung mit hohen Zöllen zu belegen. Und Politiker müssen sich darüber im Klaren sein, dass es dann mit Preiserhöhungen für Fleisch von ein paar Cent nicht getan.

"Thüringer Allgemeine" (Erfurt)

Die meisten Verbraucher wissen, dass zu viel Fleisch ungesund und klimaschädlich ist. Trotzdem essen es die meisten munter weiter, zumal sie es ja billig einkaufen können. Wenn also alles Wissen, alle Aufklärung, alle Appelle nicht helfen: Muss dann Fleisch teurer werden? Am besten mit einer Steuererhöhung, deren Erlöse in den Umbau der Ställe fließen? Die Idee klingt logisch. Aber sie ist falsch. Die Erfahrung etwa mit der Ökosteuer lehrt, dass die Lenkungswirkung oft genug überschätzt wird und am Ende vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen trifft. Ja, dieses Land braucht ein einfacheres, intelligenteres und sozial gerechteres Steuersystem, das endlich die Folgekosten für Umwelt und Klima einrechnet. Was es aber nicht braucht, sind Debatten wie diese.

Höhere Steuer für mehr Tierwohl: "Eine Steuer auf Fleisch von ein paar Cent wird kein Umdenken bringen"

"Nürnberger Nachrichten"

"Solche Einzelmaßnahmen ergeben noch kein Ganzes. Es ist kein Konzept, weder für die Sozialkassen noch für den Klimaschutz. Wenn der Gesetzgeber etwas für das Tierwohl tun möchte, warum werden dann nicht die zum Teil erbärmlichen Haltungsbedingungen für Schweine, Rinder oder Hühner verschärft? Das würde viel direkter wirken als Steuersätze. Das Drehen an der Steuerschraube allein jedenfalls produziert oft nicht die erwünschten Ergebnisse."

"Badisches Tagblatt" (Baden-Baden)

Eine Einzelforderung zum Fleisch ist genauso berechtigt oder unberechtigt wie alle anderen - aber eben nur eine einzelne Schraube im System. Klar ist aber auch: Unsere Lebensmittel sind zu billig. Hier einen Bewusstseinswandel herbeizuführen, ist schwierig, wenn wir uns durch Billigpreise zum Kauf verleiten lassen. Der selbstherrliche und ungerechtfertigte Umgang des Menschen mit Tieren ist ein eigenes Thema, das eine Steuerdiskussion nicht abdeckt. Als Faustregel aber gilt: Wenn das Fleisch billig ist, hat das Tier kein würdiges Leben gehabt. Weil das Fleisch in Tötungsfabriken, in die wir nicht hineinschauen wollen, produziert wird. [...] Es geht nicht um schlechtes Gewissen, aber um das Wissen, dass dafür Tiere sterben müssen. Dieses Bewusstsein sollte den Kauf und Verzehr von Fleisch leiten.

"Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung"

Tierwohl zu stärken und umzusetzen, sind richtige Ziele. Den Fleischkonsum insgesamt zu reduzieren ebenso. Tierschutz allerdings wirksam umzusetzen und zu überwachen, ist natürlich schwieriger, als dem Verbraucher wieder einmal in die Tasche zu fassen. Aber nur durch entschiedenes politisches Handeln lässt sich wirklich etwas ändern - zum wohl von Tieren, Verbrauchern und Klima.

mad DPA

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