Fragenkatalog veröffentlicht Söder fragt, Aiwanger antwortet – so ein bisschen

Hubert Aiwanger
Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident in Bayern
© Tobias SCHWARZ / AFP
Viele Fragen, kaum Aufklärung und ein Widerspruch: Der Fragenkatalog an Hubert Aiwanger liegt vor – nur nach belastbaren Antworten des bayerischen Vizeregierungschefs sucht man vergebens. Die Blitzanalyse.

Markus Söder hat Antworten verlangt und sie auch bekommen. Mit dem Ergebnis kann der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef eigentlich nicht zufrieden sein. 

Vieles nicht erinnerlich, alles lange her: So ungefähr lassen sich die schriftlichen Ausführungen von Hubert Aiwanger zur Flugblatt-Affäre zusammenfassen, die am Sonntagvormittag veröffentlicht wurden (hier können Sie den Fragenkatalog samt Antworten herunterladen). Söder scheint das zu reichen, der kurz vor den Landtagswahlen wohl vor allem an seinem Machterhalt interessiert ist. Er belässt seinen Stellvertreter und Wirtschaftsminister von den Freien Wählern im Amt. In der Gesamtschau sei eine Entlassung nicht verhältnismäßig, sagte der Ministerpräsident.

Gemessen an den Erwartungen, die Söder zuvor an Aiwangers Antworten angelegt hatte, ist das mindestens erstaunlich. Der CSU-Chef verlangte von Aiwanger die Beantwortung von 25 Fragen, um die im Raum stehenden Antisemitismus-Vorwürfe "rasch" aufzuklären und bestenfalls auszuräumen. Alle Fragen müssten "zweifelsfrei geklärt" werden, es dürfe "kein Verdacht übrig bleiben".

Trotz der Fülle an Fragen passen Aiwangers Antworten auf nur vier DIN-A4-Seiten. Kein Wunder: Das allermeiste sei ihm entweder nicht mehr bekannt, entziehe sich seiner Kenntnis, könne er nicht mehr erinnern. Wie ist das antisemitische Flugblatt in seiner Schultasche gelandet? Hat er es weiterverbreitet? Wie ist der Verdacht auf ihn gefallen? Relevante Fragen, auf die Aiwanger – aus eben genannten Gründen – noch immer keine Antwort gibt.

Hubert Aiwanger hat "Vorbemerkungen"

Dabei hat das antisemitische Pamphlet – das sein ein Jahr älterer Bruder nach eigener Aussage verfasst haben soll – offensichtlich einen nachhaltigen Eindruck bei Aiwanger hinterlassen. "Ich war erschrocken", antwortet er auf die Frage, wie er das Flugblatt seinerzeit bewertet habe. Gefragt nach den persönlichen Konsequenzen, die er damals aus der Angelegenheit für sich gezogen habe, schreibt Aiwanger. "Der Vorfall war ein einschneidendes Erlebnis für mich. Er hat wichtige gedankliche Prozesse angestoßen."

Und offenkundig die allermeisten Erinnerungen an das angeblich "einschneidende Erlebnis" verdrängt. 

Viel Raum nimmt eine "Vorbemerkung" Aiwangers ein, mit der er seinen zweifelhaften Antwort-Katalog einfliegt. Schon hier drängt sich die Frage auf, welchen Stellenwert Ministerpräsident Söder den Zeilen für seine Entscheidung wirklich eingeräumt hat, hielt er Aiwanger unter anderem zugute, dass er Reue gezeigt und sich entschuldigt habe.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Beides lässt sich Aiwangers Ausführungen allenfalls mit viel Wohlwollen entnehmen. Wie schon bei seinem ersten Statement im Wirtschaftsministerium spricht Aiwanger eine Nonpology aus, eine Pseudo-Entschuldigung: Er bereue es, "wenn" er durch sein Verhalten "Gefühle verletzt habe". Aber auch nur dann?

Wesentlich deutlicher wird Aiwanger bei seinem wiederholten Vorwurf, einer Kampagne ausgesetzt gewesen zu sein, um ihn "politisch und persönlich fertig zu machen". Aiwanger stellt sich abermals als Opfer dar, beklagt, dass die Anschuldigungen rund 36 Jahre zurücklägen und rahmt die Causa – trotz Aussagen mehrerer Zeugen – als große Spekulation: Weder könne der "Wahrheitsgehalt vieler Vorwürfe zweifelsfrei" festgestellt, noch "Sachverhalte (…) vollständig rekonstruiert" werden. Auch sei eine "Interpretation und Einordnung in den situativen Kontext nicht mehr möglich", schreibt Aiwanger. Frühere Mitschüler hatten beispielsweise berichtet, Aiwanger habe "Hitler-Slang" nachgemacht oder Adolf Hitlers "Mein Kampf" in der Schultasche mit sich geführt.

Ob Bayerns Vizeregierungschef tatsächlich bereut? Ist nach Lektüre der Antworten, die entweder keine sind oder bereits bekannte Äußerungen, mehr als fraglich. Kurz nach Veröffentlichung des beantworteten Fragenkatalog teilte Aiwanger auf seinem Account bei X, vormals Twitter, mit: "Jetzt bestätigt sich, was ich von Anfang an gesagt habe: Es gibt keinen Grund, mich zu entlassen, die Kampagne gegen mich ist gescheitert."

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos