Der FDP-Politiker Jürgen Möllemann denkt im Falle eines Parteiausschlusses über die Gründung einer neuen liberalen Partei nach. In einem Gespräch mit dem stern sagte Möllemann: »Wenn man für die FDP das Projekt 18 weiterhin will - ich will das -, dann kann man nicht wollen, dass dagegen eine andere Partei gestellt wird.« Falls aber die FDP diese politische Philosophie nicht mehr wolle »und mich nicht will, mir den politischen Prozess macht und mich rausschmeißt, dann bin ich in einer anderen Lage, als wenn es genau anders herum ausgeht.« Er fügte hinzu: »Sie wissen so gut wie ich, dass die Neugründung einer Partei, die sich liberalen Zielen verbunden fühlt, das Ende der FDP wäre. Zwei Parteien werden es nicht nebeneinander schaffen.« Alle deutschen Parteien müssten kritisch über ihren Kurs nachdenken. Täten sie das nicht, würden »massenhaft Wähler in die Enthaltung gehen, oder es wird etwas Neues entstehen. Darüber denken viele nach.« Er zähle sich zu denen, die zur Gründung einer neuen Partei fähig wären. »Es ist verblüffend, wie viele Menschen mir Briefe schreiben und sagen, man müsste das machen.«
»Die wollen ihn weg haben«
Möllemann betonte jedoch in dem stern-Interview, dass er die FDP freiwillig nicht verlassen wolle: »Ich will nicht raus. Ich hoffe, man setzt mich nicht vor die Tür.« Er verstehe den Landesverband Nordrhein-Westfalen als seine »politische Familie« und »fände es gut, wenn das Verhältnis wieder in Ordnung kommt«. Wenn es im FDP-Präsidium oder im FDP-Landesvorstand den Willen gebe, mit ihm ein Gespräch zu führen, werde er sich dem nicht entziehen. Das gelte auch für den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle. »Ich halte die Hand ausgestreckt.«
»Zerstörerischen Kräfte in der FDP« warf Möllemann vor, nach ihm auch den Parteichef ausschalten zu wollen. »Die arbeiten nach der Devise: Wenn Möllemann erledigt ist, dann ist Westerwelle dran.« Man versuche, ihm, dem Projekt 18 und einer ausgewogenen Nahost-Politik den »politischen Prozess« zu machen. Dazu gehöre auch die Attacke auf Westerwelle. »Die wollen ihn weg haben.«
»Keine Chance mit Gerhardt«
Scharfe Angriffe richtete Möllemann in dem stern-Gespräch gegen die FDP-Spitzenpolitiker Wolfgang Gerhardt, Klaus Kinkel und Otto Graf Lambsdorff. Über Gerhardt sagte er: »Mit dem hätte das Projekt 18 keine Chance gehabt.« Kinkel habe die FDP »als Beiboot der CDU definiert« und sich als Gehilfen von Ex-Kanzler Helmut Kohl gesehen. »Wir wären daran beinahe zerbrochen.« Über Graf Lambsdorff sagte Möllemann, »in baltischen Adelskreisen« kenne man eine eherne Fußballregel nicht: »Wenn einer am Boden liegt, tritt man nicht noch drauf.« Er selbst sei solidarisch mit dem Grafen gewesen, als der wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Flick-Affäre verurteilt wurde. »Er hat es mir jetzt gedankt, indem er mich mal einen Selbstmordattentäter, mal einen Geisteskranken genannt hat.«
Offen ließ Möllemann in dem stern-Gespräch, ob Parteichef Westerwelle vorab von seinem israel-kritischen Wahlkampf-Faltblatt gewusst hatte. Er antwortete auf eine entsprechende Frage: »Ich möchte dazu jetzt nicht mehr sagen, als dass ich versucht habe, mein Thema zum Thema der FDP zu machen und dass mir nach etlichen Gesprächen klar war: Das klappt nicht.« Es habe sich um eine eigenverantwortliche Aktion gehandelt. Er wolle Westerwelle »nicht in die Verantwortung einbeziehen«. Er habe vor dem Wahltermin mit einzelnen Parteifreunden über den Flyer gesprochen: »Einige haben das öffentlich schon dargestellt, andere nicht.«
Flyer aus privatem Vermögen
Zur umstrittenen Bezahlung des Faltblattes sagte Möllemann: »Der Flyer ist nur aus meinem privaten Vermögen finanziert worden.« Es gebe für diese Aktion »keine Finanzzuflüsse aus dem Ausland«. Zu Vorwürfen, das Blatt könne möglicherweise aus Waffengeschäften seiner Düsseldorfer Firma WebTec finanziert worden sein, erklärte Möllemann, die Firma habe »zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Waffengeschäfte« getätigt, »weder direkt noch indirekt«. An dem Export von 36 Fuchs-Panzern nach Saudi-Arabien im Jahre 1991 sei seine Firma nicht beteiligt gewesen, »auch nicht über kleine Umwege«. Das gelte ebenso für Bestechungsgelder, die seinerzeit für das Panzergeschäft geflossen waren. Möllemann zeigte sich in diesem Zusammenhang überzeugt, dass das Ermittlungsverfahren der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wegen möglicher Verstöße gegen das Parteiengesetz bald eingestellt wird.
Als Fehler bezeichnete es Möllemann in dem stern-Interview jedoch, dass er auf dem Faltblatt außer dem israelischen Ministerpräsidenten Scharon auch den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, im Bild gezeigt hatte. Dies hätte er »besser gelassen«. Ein Fehler sei auch gewesen, den Flyer nicht in den FDP-Gremien angekündigt zu haben.
Wird die Immunität aufgehoben?
Unter dem Druck drohender Ermittlungsverfahren wird sich Möllemann heute erstmals öffentlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern. Der ehemalige nordrhein-westfälische FDP-Landeschef und Bundes-Vize tritt nach mehreren Wochen weit gehenden Schweigens am Abend in der ARD-Sendung »Farbe bekennen« auf. FDP-Bundesschatzmeister Günter Rexrodt hatte gestern eine vernichtende Bilanz der Spendenaffäre um Möllemann gezogen. Bei der Veröffentlichung seines Abschlussberichtes sagte Rexrodt in Berlin, er habe in Möllemanns Landesverband Nordrhein-Westfalen »massive Verletzungen« des Parteiengesetzes feststellen müssen.
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf prüft unterdessen die Einleitung eines weiteren Ermittlungsverfahrens. Dabei geht es um den Verdacht der Untreue, zunächst werde »gegen Unbekannt« ermittelt, sagte Justizsprecher Johannes Mocken. Er bestätigte einen Bericht des ZDF- Magazins »Frontal 21«, wonach finanzielle Unregelmäßigkeiten in den Jahren 1999 und 2000 Anlass für die Vorprüfung seien. »Wir erwarten, dass er sich zu den Vorwürfen um ein Luxemburger Konto einlassen wird«, sagte Mocken. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hatte bereits vor drei Wochen ein Ermittlungsverfahren gegen Möllemann wegen des Verdachts der illegalen Parteienfinanzierung eingeleitet.
Die Staatsanwaltschaft Münster hat nach Informationen des ARD- Hauptstadtstudios inzwischen die Aufhebung der Immunität Möllemanns wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung beantragt. Die Ermittler verdächtigten Möllemann, eine Million Euro auf einem Luxemburger Konto nicht versteuert zu haben. Die Staatsanwaltschaft bestätigte die Angaben auf dpa-Anfrage am Abend nicht ausdrücklich. »Das kommentiere ich nicht«, sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer.
Noch 48 Stunden Zeit
Die Präsidenten des Bundestags und des nordrhein-westfälischen Landtags hätten nun 48 Stunden Zeit, der Aufhebung der Immunität Möllemanns zu widersprechen, berichtete das ARD-Hauptstadtstudio weiter. Falls dies nicht geschehe, werde die Staatsanwaltschaft Münster ein Ermittlungsverfahren einleiten und an die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft abgeben.
FDP-Schatzmeister Rexrodt sagte, es habe erhebliche Manipulationen und Täuschungen mit viel Energie und handwerklichem Geschick gegeben. Dabei seien gesetzeswidrig große Geldbeträge gestückelt, verschleiert oder mit erfundenen Spendernamen eingezahlt worden. Es seien sogar Kopien von Dankesschreiben an erfundene Spender vorgefunden worden. Rexrodt hatte seinen Bericht gestern an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) übermittelt, der für die Einhaltung des Parteiengesetzes zuständig ist.