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Gerhard Baum zum BKA-Gesetz "Ohne Risiko gibt es keine Freiheit"

Das Bundesverfassungsgericht hat das aktuelle BKA-Gesetz gekippt - und die Regierung zu umfangreichen Korrekturen im Sinne der Bürgerrechte verpflichtet. Das ist ein großer Erfolg für den Kläger Gerhart Baum. Ein Interview.

Und wieder einmal hat sich dieser Mann ein Denkmal gesetzt: Gerhart Baum, FDP, mittlerweile 83 Jahre alt. Baum war mal Innenminister,  damals, zu Zeiten der sozialliberalen Koalition unter Helmut Schmidt zwischen 1978 und 1982. Seinem zentralen politischen Impuls ist er auch danach gefolgt: Baum ist einer der engagiertesten Kämpfer für Freiheitsrechte, die die Republik hat. Er war an zahlreichen Verfassungsbeschwerden gegen Sicherheitsgesetze beteiligt, so auch diesmal, als gemeinsam mit seinem Kollegen Burkhard Hirsch und dem ehmaligen Kulturstaatsminister Michael Naumann, SPD, Klage gegen das BKA-Gesetz einreichte. An diesem Mittwoch entschied das Verfassungsgericht - weitgehend im Sinne von Baum.

Herr Baum, ist das ein großer Tag für Sie?

Das würde ich nicht so nennen. Es gibt keinen Anlass für überschwänglichen Jubel. Aber wir können zufrieden sein, dass sich das Bundesverfassungsgericht heute zum wiederholten Male als Garant für die Bürgerrechte erwiesen hat. Auch wenn eine Reihe unserer Beschwerden nicht akzeptiert worden sind, ist es im Ganzen ein gutes Urteil.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Einschränkungen, die das Verfassungsgericht vorgenommen hat?

In dem komplizierten Geflecht des BKA-Gesetzes müssen nun bestimmte Prinzipien eingehalten werden. So muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein, was bisher teilweise nicht der Fall ist. Ermittlungsbefugnisse, die tief in das Privatleben hineinreichen, müssen begrenzt sein und setzen voraus, dass eine Gefahr absehbar ist. Auch ist die Weitergabe von Daten in  Länder untersagt, die keinen rechtsstaatlichen Umgang damit gewährleisten können.

Bedeutet das Urteil einen Paradigmenwechsel - weil der Staat nun die Bürger nicht mehr pauschal als Verdächtige klassifizieren und überwachen darf?

Nein. Im Grunde ist das Urteil die Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung. Der Schutz der Privatheit ist ein Prinzip, das schon im Urteil über den Großen Lauschangriff und verschiedenen anderen Entscheidungen herangezogen wurde. Zweitens wendet das Gericht das wichtige neue Computergrundrecht von 2008 an, das kaum bekannt ist. Es beschränkt den Zugriff im Online-Bereich.

Das BKA-Gesetz ist 2008 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble erlassen worden. Nun haben Sie es mit ihren Mitstreitern gekippt - und sie waren ebenfalls Innenminister. Erleben wir auch eine Art Fernduell des Juristen Baum mit dem Juristen Schäuble?

Nein. Das ist vorbei. Ich hatte meine Auseinandersetzungen mit Schäuble, als er aktiver Innenminister war. Meine Aktivitäten haben überhaupt keinen persönlichen Hintergrund. Aber ich kann verstehen, dass es auf den ersten Blick schon kurios wirkt. Immerhin war ich als Innenminister ja auch mal für das BKA zuständig und greife jetzt desen Kompetenzen an - aber sie ufern eben aus.

Thomas de Maizière hat das Urteil sofort kritisiert und gesagt, es würde künftige Ermittlungsarbeit erschweren.

Das stimmt nicht. Wir haben nicht die Handlungsfähigkeit des BKA generell in Frage gestellt.

Nun haben wir Glück, dass in Deutschland noch kein größerer Anschlag passiert ist, sonst würde die Diskussion mutmaßlich ganz anders laufen.

Die Stimmung im Volk wäre anders. Aber ein Anschlag würde ja nicht die Verfassung ändern. Es geht hier um verbriefte Grundrechte - für deren Aufrechterhaltung müssen wir kämpfen. Der Staat darf nicht alles.

Ist Freiheit auch immer ein Risiko?

Immer. Ohne Risiko gibt es keine Freiheit.

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