Über 150 durchsuchte Objekte, mehr als 3000 Einsatzkräfte: Am Mittwoch hat die Bundesrepublik einen der größten Terroreinsätze ihrer Geschichte erlebt. 25 Menschen aus der "Reichsbürger"-Szene wurden dabei festgenommen. "Wie groß ist die Terrorgefahr durch die Staatsfeinde?", wollte Anne Will angesichts dessen am Sonntagabend von ihren Gästen wissen.
Zu Gast bei "Anne Will" waren:
- Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und für Heimat
- Herbert Reul (CDU), Innenminister in Nordrhein-Westfalen
- Janine Wissler (DIE LINKE), Parteivorsitzende
- Gerhart Baum (FDP), Bundesinnenminister a. D.
- Florian Flade, Reporter für die Recherchekooperation aus WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung
Dass man die Bedrohung ernst nehmen muss, dessen waren sich bei "Anne Will" im Studio alle einig. "Rechtsextremismus ist die größte Herausforderung für die innere Sicherheit, die wir haben", stellte Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum klar.
"Reichsbürger" hielt der Liberale dabei für gefährlicher als die RAF. Der Grund: Die Akzeptanz für rechte Ideen sei aus seiner Sicht viel größer als die für linken Extremismus. Besonders viel Sorgen bereitete Baum die Tatsache, dass Leute mit demokratiefeindlichen Idealen "anfangen, das Volk zu erreichen."
Von einer "ernstzunehmenden Bedrohungslage" sprach auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Sie sei froh, dass bei der Razzia so konsequent habe durchgegriffen werden können.
Der erste große Knall
Unter den Verhafteten waren neben einer ehemaligen Bundestagsabgeordneten der AfD unter anderem auch frühere Offiziere und Polizeibeamte. "Haben Sicherheitsbehörden ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus?", wollte Will zunächst von Faeser wissen.
Die sprach sich dafür aus, dass kein "Generalverdacht" ausgesprochen werden dürfe. Verfassungsfeinde sollten aber natürlich schnell aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden.
Linken-Chefin Janine Wissler war anderer Meinung: "Ich halte es für ein strukturelles Problem", sagte sie über Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden. Mit einem Generalverdacht habe das aus ihrer Sicht nichts zu tun. Viel eher verwies sie darauf, dass Vorgesetzte wohl mitbekommen haben müssten, dass SEK-Beamte sich in rechten Chatgruppen ausgetauscht hätten. Für solche Fälle fehle eine unabhängige Ermittlungsstelle, so Wissler.
Als Wissler zur Untermauerung ihrer Ansicht eines strukturellen Problems schließlich darauf verwies, dass in den Chatgruppen nicht nur Mitglieder des SEK, sondern auch Beamte aus hochrangigen Positionen gewesen seien, platzte NRWs Innenminister Herbert Reul der Kragen: "Da liegen sie total daneben, das ist wirklich grober Unsinn", so der CDU-Mann über Wisslers Analyse.
"Dumm schwätzen und Stimmung machen" sei die eine Seite, die andere kümmere sich darum, so Reul aufgebracht. "Wir hatten in NRW solche Chatgruppen", so der Innenminister des Bundeslandes. Er habe diese von Experten untersuchen lassen, die zu dem Schluss gekommen seien, es gebe kein strukturelles Problem. Viel eher lägen Einzelfälle vor, von denen es auch zahlreiche geben könne.
Reul erklärte, dass sein großes Problem in diesem Zusammenhang sei, dass er involvierte Personen nicht "verurteilt kriege", weil die Chats vor dem Gesetz als privat eingestuft würden.
Wissler und Reul gehen in zweite Runde
Der zweite große Knall zwischen Wissler und Reul ließ nicht lange auf sich warten. Er kam, als die Linken-Chefin der Union eine Mitschuld an der Entstehung radikaler Splittergruppen gab, die sich aus der Öffentlichkeit ins Internet zurückziehen.
Konkret war Wissler der Meinung, die Debatte der Union darüber, dass die deutsche Staatsbürgerschaft "verramscht" werde, habe zu dem "Nährboden" für Extremisten beigetragen.
Reul ließ das nicht auf sich sitzen: "Frau Wissler, wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich mir ihre alte Vorsitzende mal angucken", so der NRW-Innenminister. Sahra Wagenknecht sei die dritt beliebteste Politikerin bei der AfD. "Da habe ich kein Problem mit, da haben Sie ein Problem mit", so Reul.
Wissler ging auf diesen Vorwurf nicht ein, sondern kehrte zu ihrem Thema zurück: "Ich appelliere sehr an Sie, jetzt keine Debatte zu führen über die Staatsbürgerschaft." "Mache ich auch nicht!", so Reul.
Sein Schlusswort in der Sendung fiel dann wieder milder gestimmt aus: "Vielleicht bietet das, was gerade jetzt passiert, die Chance zu einer breiten Debatte" über das, was dahinterstecke, so der CDU-Mann.