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Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel Hilflos, aber nicht harmlos

Bei Günther Jauch stellte sie sich als "ganz normale Frau aus dem Volk" vor und wirkte oft hilflos. Doch Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel ist alles andere als harmlos.
Von Sophie Albers Ben Chamo

Es wäre so einfach, über Kathrin Oertel zu lachen. Auf Twitter wimmelt es nur so von beleidigenden Bildern und Vergleichen, nachdem die Pegida-Mitorganisatorin sich bei "Günther Jauch" als Gesicht der Bewegung präsentiert hat. Disneys Cruella ist da noch das Freundlichste. Aber bei allem, was über diese Frau geschrieben wird, sollte man nicht in die Falle tappen, sie wegen ihres Aussehens niederzumachen. Das wäre nicht nur billig, sondern es würde auch auf das Konto von Pegida einzahlen.

Dreifache Mutter und Freiberuflerin

Oertel ist 36 Jahre alt, Mutter von drei Kindern und freiberufliche Wirtschaftberaterin. Letzteres hat ihr wohl den Job als Kassenwartin des Pegida-Vereins eingebracht. Sie stammt aus Coswig, etwa 20 Kilometer nordwestlich von Dresden, dem selben Ort wie Pegida-Gründer Lutz Bachmann, mit dem sie seit Kindertagen befreundet sein soll. So heißt es in diversen Presseberichten. Interviews gibt Oertel am liebsten gar nicht. "Lügenpresse", Sie wissen schon. Um so verwunderlicher ist ihr Schritt in die Öffentlichkeit.

Und es war kein guter Schritt, sollte man meinen. Hilflos, selbstentlarvend und orientierungslos saß die Frau in der Runde, redete hanebüchenes Zeug und las ziemlich regungslos vom Blatt ab. Die Mitdiskutanten schienen darauf mit Mitleid zu reagieren. Der bloße Wunsch, diese Frau stellvertretend für die Dresdner Bewegung bloßzustellen, hätte unmenschlich gewirkt.

Alles andere als harmlos

Vielleicht ging damit aber auch eine Rechnung auf: So harmlos ist die einzige Frau im Pegida-Organisationsteam nicht. Auf den Demonstrationen in Dresden hat sie Bachmann als Hauptredner abgelöst, der sich nach Bekanntwerden seiner kriminellen Vergangenheit an Montagen nun eher im Hintergrund hält. Oertel ruft Reizwörter wie "Asylindustrie" und "Lügenpresse" in die begeisterte Menge, und lächelt, wenn als Antwort auf Merkels Neujahrskritik "Volksverräter" skandiert wird.

Warum sie sich Pegida angeschlossen habe, hat Jauch sie gefragt. Nachdem sie Videos von Kurden-Demos in Celle und Hamburg gesehen habe, sagt Oertel. "Wir wollen gemeinsam auf die Straße gehen, um gegen die Glaubens- und Stellvertreterkriege zu demonstrieren, die Zug um Zug auf unseren friedlichen deutschen Boden gebracht werden", hieß es damals auf Bachmanns Pegida-Facebook-Profil. Sie befürchte, dass der Islam das Christentum verdränge, lässt Oertel sich zitieren. Aber sie habe nichts gegen den Islam, heißt es immer ein paar Sätze davor oder danach.

"Das Volk"

Bleibt Oertels Blick auf sich selbst: Sie sei "eine ganz normale Frau aus dem Volk", stellte sie sich am Sonntagabend dem Fernsehpublikum vor. Und brachte sich damit sofort in Opferstellung. Jeder Angriff gegen sie wäre einer gegen "alle". Oertel war um so erfolgreicher, je schwächer sie wirkte. Sympathie durch Hilflosigkeit. Pegida-Unterstützer sehen in Oertels kühler Starre die Default-Unterlegenheit gegenüber der politischen Elite.

Ein Mal ist Oertel aber doch ganz öffentlich emotional geworden. Und zwar am vergangenen Montag in Dresden: Als der Schlagersänger Roland Kaiser - der jedes Jahr in Dresden auftritt und deutlich mehr Leute vor die Bühne bringt als Pegida auf die Straße - sich gegen Pegida aussprach, pöbelte Oertel ausgiebig ins Mikrofon, dass er sie als Fan verloren habe.

Es wäre so einfach, über Kathrin Oertel zu lachen.

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