Nach der Wahl vom Sonntag bleibt zunächst offen, wer die künftige Regierung stellt. Nach den ersten Hochrechnungen würde es rechnerisch wieder für eine Neuauflage der großen Koalition reichen. Wahrscheinlicher ist ein Dreierbündnis, dabei ist die Lage übersichtlicher geworden: War vor einigen Wochen noch von bis zu fünf möglichen Dreier-Varianten die Rede, sind es jetzt nur noch zwei bis drei. Wer am Ende mit wem koaliert, steht aber immer noch nicht fest – und die Verhandlungen könnten sich hinziehen. Das sind die Optionen:
"Ampel": SPD, Grüne und FDP
SPD und Grüne ziehen bei vielen Themen weitgehend an einem Strang – wie etwa bei der Vermögensteuer oder einer Lockerung der Schuldenbremse. Die FDP würde es indes einige Überwindung kosten, mit Grünen und Sozialdemokraten zu regieren. Ihr Chef Christian Lindner gibt als Ziel aus, eine "Linksverschiebung der Politik" mit höheren Steuern zu verhindern. Eine Ampelkoalition schließt er aber nicht aus; die FDP würde aber einen sehr hohen Preis dafür verlangen, etwa den Posten des Bundesfinanzministers.
Aber auch SPD und Grüne sind sich nicht in allem einig. So will sich SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nicht auf einen früheren Kohleausstieg als 2038 festlegen. Es gilt allerdings als wahrscheinlich, dass Scholz ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP anstrebt. Für eine funktionierende Ampelkoalition gibt es derzeit ein Beispiel auf Landesebene: in Rheinland-Pfalz.
"Jamaika": Union, Grüne und FDP
In dieser Konstellation wären es die Grünen, die viel Überwindung aufbringen müssten, schließlich gibt es zwischen CDU/CSU und FDP viele Überschneidungen. Sie könnten versuchen, die Grünen etwa in ihrer Klima- und Sozialpolitik auszubremsen. "Jamaika" ist mit einer schweren Hypothek belastet: 2017 scheiterten die Verhandlungen über ein solches Bündnis krachend, weil die FDP sie in letzter Minute platzen ließ.
Zwar kann sich FDP-Chef Christian Lindner ein nochmaliges Kneifen kaum erlauben, doch die inhaltlichen Differenzen mit den Grünen bleiben; insbesondere weil diese auch die Industrie beim Klimaschutz in die Pflicht nehmen wollen. Das Beispiel für ein funktionierendes Jamaika-Bündnis gibt es allerdings – und zwar in Schleswig-Holstein.
Der Grünen-Ko-Vorsitzende Robert Habeck hat sich nach dem knappen Auswahl der Bundestagswahl sowohl für ein Ampel-Bündnis als auch für eine Jamaika-Koalition offen gezeigt. Ein Bündnis mit SPD und der FDP "kann gelingen, schließt aber Jamaika-Gespräche aber auch nicht aus", sagte Habeck am Sonntagabend in der ARD.
Während ein Zweier-Bündnis mit den Sozialdemokraten aus seiner Sicht "reibungslos geklappt" hätte, sei es bei einem Dreier-Bündnis mit der FDP als zusätzlichem Partner deutlich komplizierter. Ein Ampel-Bündnis sei schließlich "nicht Rot-Grün mit ein bisschen gelbem Kitt", hob der Grünen-Chef hervor. Diese Konstellation müssten die Beteiligten "nochmal neu denken, neu verstehen".
Habeck verwies auf seine Erfahrungen als Minister in einer Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein. Es sei richtig, dass die Positionen der FDP in Steuer- und sozialen Fragen "nun wirklich konträr" zur Haltung der Grünen seien, es gebe aber auch "gemeinsame Schnittmengen, die man rausarbeiten kann".

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Große Koalition
Einzig denkbares Zweierbündnis wäre eine neue große Koalition, die aber weder SPD noch Union wollen. Zwar gibt es zwischen den bisherigen Koalitionspartnern keine unüberwindbaren Hürden. Aber insbesondere die SPD hat wenig Neigung, das ungeliebte Bündnis mit der Union neu aufzulegen. "Nach meiner Einschätzung ist jeder der Meinung, dass diese große Koalition, auch der Arbeitsstil dieser großen Koalition, nicht zukunftsträchtig ist", sagte Laschet nach der Abstimmung am Sonntagabend in der "Berliner Runde" von ARD und ZDF. "Wir brauchen hier einen echten Neuanfang, der auch nicht so erzwungen wird", fügte der CDU-Politiker mit Blick auf die vergangene Koalitionsbildung an. Ganz ausgeschlossen ist der neue "GroKo"-Aufguss aber nicht. Es könnte dazu kommen, wenn sich Grüne und FDP bei den Verhandlungen verhaken und kein Bündnis mit beiden Parteien zustande kommt.
Rot-Grün-Rot
Den ersten Hochrechnungen vom Wahlabend zufolge war es unwahrscheinlich, dass es für eine Koalition aus SPD, Grünen und den Linken überhaupt reicht. Und selbst wenn eine rechnerische Mehrheit zustande kommen sollte, dürfte es schwierig werden – entscheidende Hürde ist die Außenpolitik: Die Linke steht Nato und Bundeswehreinsätzen ablehnend gegenüber. Bei Sozialpolitik, Gesundheit, der Rente, aber auch in der Steuerpolitik gibt es hingegen viele Gemeinsamkeiten der drei Parteien.
Das wünschen sich die Wähler
Keine der nach Hochrechnungen zum Ausgang der Bundestagwahl möglichen Koalitionen kommt auf eine breite Zustimmung unter den Wählerinnen und Wählern. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap für die ARD hält eine Mehrheit sowohl eine Neuauflage der Großen Koalition aus Union und SPD als auch ein "Ampel"-Bündnis von SPD, Grünen und FDP und eine "Jamaika"-Koalition von Union, Grünen und FDP für "nicht gut".
Auf die relativ größte Zustimmung stößt ein Bündnis aus SPD und Union mit 29 Prozent, doch spricht sich mit 46 Prozent fast die Hälfte der Befragten gegen eine Neuauflage der "GroKo" aus.
Für die sogenannte Ampel sind demnach 23 Prozent der Befragten, jedoch 46 Prozent gegen eine solche Koalition. Noch weniger Menschen sind den Zahlen zufolge für ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP. Diese Regierungskoalition ziehen 20 Prozent der Befragten vor - 49 Prozent lehnen diese ab.
Unter den Grünen-Wählerinnen und -Wählern fanden dem Meinungsforschungsinstitut zufolge 43 Prozent eine "Ampel" gut, während 38 Prozent diese ablehnten. Deutlich weniger Grünen-Wähler sind dagegen für eine Jamaika-Koalition. Diese befinden lediglich 20 Prozent der Befragten für "gut" und 59 Prozent für "nicht gut".
Bei den FDP-Anhängern zeichnet sich ein gegenteiliges Bild ab. Hier befürworten 45 Prozent ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP, 31 Prozent lehnen dieses ab. Für eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP sprechen sich 32 Prozent aus, während 42 Prozent diese ablehnen.