Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP sind am Mittwochabend nur stockend vorangekommen. So ringen beide Parteien weiterhin um gemeinsame Positionen bei den großen sicherheitspolitischen Themen, in der Außen-, und Verteidigungspolitik sowie in zentralen Fragen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. "Es gibt einige Punkte, die wir als streitig in die große Koalitionsrunde geben müssen", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel. Den Knoten durchschlagen müssen demnach die Spitzen der Koalitionsparteien bei ihrer am Freitag beginnenden Wochenendklausur.
Uneins sind sich CDU, CSU und FDP unter anderem beim Kündigungsschutz, bei der Reform der Jobcenter, bei der Flexibilisierung des Renteneintritts sowie bei den steuer- und sozialabgabenbegünstigten Mini-Jobs bis 400 Euro. Offengelassen wird im Koalitionsvertrag nach Angaben von Teilnehmern voraussichtlich die Forderung des Arbeitnehmerflügels der Union, branchenspezifische Mindestlöhne auch in der Zeitarbeit zu ermöglichen. Damit sei eine Aufnahme der Branche in das Entsendegesetz im Grundsatz möglich, sofern sich die Koalitionspartner im Laufe der Wahlperiode doch noch darauf verständigen sollten. Die FDP lehnt dies aber ab.
Die große Verhandlungsrunde der Koalitionsspitzen hatte am Mittwoch mit der Anhebung des Schonvermögens und der Zuverdienstgrenzen für Hartz-IV-Empfänger eine erste Einigung verkündet. Darauf hatte sich die Arbeitsgruppe bereits in ihrer ersten Sitzung in der vorigen Woche grundsätzlich verständigt.
BKA-Gesetzt und Online-Durchsuchungen vertagt
Streit gibt es weiterhin bei der Inneren Sicherheit. Es gebe zwar Einigkeit in vielen kleineren rechtspolitischen Bereichen, sagte der FDP-Innenexperte Max Stadler. Themen wie das Gesetz für das Bundeskriminalamt (BKA), Online-Durchsuchungen, Internetsperren gegen Kinderpornografie und Vorratsdatenspeicherung seien aber vertagt worden. Stadler forderte die Union auf, der FDP bei den großen Sicherheitsthemen entgegenzukommen. Es dürfe nicht sein, dass CSU und CDU an ihrer Ausgangsthese hingen, dass bereits beschlossene Sicherheitsgesetze hingenommen werden müssten. So könne man keine Kompromisse finden.
Mit dem BKA-Gesetz bekam das Bundeskriminalamt erstmals in seiner Geschichte das Recht, zur Abwehr einer dringenden Gefahr verdächtige Personen zu überwachen, ihre Wohnungen abzuhören, ihre Computer heimlich auszuspähen und Rasterfahndungen einzuleiten. Bei der Vorratsdatenspeicherung werden Daten von Telefon- und Internetverbindungen sechs Monate lang gespeichert.
Wehrpflicht bleibt Streitthema
Auch in der Arbeitsgruppe Außen, Verteidigung, Entwicklung und Europa blieben wesentliche Knackpunkte ungelöst. Wie es aus Teilnehmerkreisen hieß, konnten sich Union und FDP in Berlin nicht auf eine gemeinsame Linie zu der FDP-Forderung nach einer Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht einigen. Auch die von den Liberalen geforderte Erweiterung der Zuständigkeiten des Außenministeriums um die Europapolitik und die Aufgaben des Entwicklungsministeriums blieb ohne Kompromiss. Die Themen sollen an die große Verhandlungsrunde weiter gegeben werden.
Beim strittigen Thema EU-Beitritt der Türkei zeichnet sich den Angaben zufolge dagegen eine Einigung ab. Dabei soll der Beitrittsprozess anders als von FDP-Chef Guido Westerwelle gefordert doch im Koalitionsvertrag erwähnt werden, hieß es. Die Kompromisslinie sehe vor, die Formulierung aus dem Koalitionsvertrag der großen Koalition aus Union und SPD fortzuschreiben. Dies würde vor allem der CSU entgegen kommen, die einen EU-Beitritt der Türkei kategorisch ablehnt und stattdessen eine sogenannte privilegierte Partnerschaft für Ankara fordert. In dem bisherigen Koalitionsvertrag heißt es zur Türkei: "Sollte die EU nicht aufnahmefähig oder die Türkei nicht in der Lage sein, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten, muss die Türkei in einer Weise, die ihr privilegiertes Verhältnis zur EU weiter entwickelt, möglichst eng an die europäischen Strukturen angebunden werden."
Bundesbank übernimmt Bankenaufsicht
Einen gemeinsamen Nenner gibt es offenbar bei der Reform der Bankenaufsicht. Die Kontrolle der Institute werde künftig die Bundesbank übernehmen, hieß es am Mittwoch am Rande einer Arbeitsgruppensitzung. Die Aufsicht über die Versicherungen wird dagegen in einem abgestimmten Ergebnispapier der künftigen Koalitionspartner nicht erwähnt. Die Bundesbank hatte selber vorgeschlagen, auch die Aufsicht über die Versicherer von der Börsenaufsicht BaFin zu übernehmen, war damit in der Branche aber auf harten Widerstand gestoßen.

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Der Anlegerschutz wird nach dem Willen von Union und FDP über einheitliche Anforderungen an Finanzberater verbessert. Auch Kreditnehmer von Immobiliendarlehen sollen besser geschützt werden. Eine Abtretung der Forderung oder die Übertragung des Kreditvertrags an Unternehmen ohne Banklizenz soll nur bei Einwilligung des Kreditnehmers möglich sein.
Lebensmittelampel kommt nicht
Einen Kompromiss gab es auch beim Thema Verbesserung der Lebensmittelkennzeichnung. "Auf Verpackungen von Lebensmitteln darf nur drauf stehen, was drin ist", zitiert die Deutschen Presse-Agentur aus einem Entwurf der Arbeitsgruppe Verbraucherschutz. Zutatenlisten, Abbildungen und Bezeichnungen sollten klarer werden. "Unser Ziel ist zudem eine regionale Herkunftskennzeichnung, die zwischen Ursprungs- und Verarbeitungsort unterscheidet", hieß es. Die Ampel-Kennzeichnung, bei der Fett, Salz und Zucker je nach Gehalt rot, gelb oder grün gekennzeichnet werden, wird aber abgelehnt. Dagegen favorisieren die schwarz-gelben Politiker das jetzige freiwillige System mit Angabe von Prozenten in Bezug zur Tagesmenge.
Beim Thema Anbau von Gen-Pflanzen ist eine Einigung zwischen CDU, CSU und FDP dagegen vorerst gescheitert. CSU-Chef Horst Seehofer beharrt darauf, dass Bayern selbst über ein Anbauverbot entscheiden kann. "Wir unterstützen Überlegungen einzelner Mitgliedstaaten und der EU-Kommission, die Entscheidung über den Anbau von genveränderten Organismen in die Verantwortung der Mitgliedstaaten zu legen", heißt es im Entwurf. Die Bundesländer sollten auch selbst Abstände zu Feldern mit Gen-Pflanzen festlegen können. Die FDP rückt dagegen nicht von der Forderung ab, das Anbauverbot der Genmaissorte MON 810 zu kippen und den Anbau der Gen-Kartoffel Amflora von BASF zu unterstützen. Nur so würden die Unternehmen weiter in Deutschland investieren.
Milchbauern winkt Hilfe
Den Milchbauern will die künftige schwarz-gelbe Koalition in der Preiskrise zusätzliche Hilfen gewähren. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen dazu EU-Mittel, die bereits vorhanden sind und die noch erwartet werden, zur gezielten Unterstützung von Milcherzeugern als zusätzliche Grünlandprämie gewährt werden. Diese EU-Prämie zur Förderung extensiver Bewirtschaftung von Grünland wird grundsätzlich durch nationale Gelder ergänzt.