Der politische "Neuanfang" ist anscheinend beschlossene Sache. Beraten im Kanzleramt, besiegelt im Berliner Promi-Restaurant "Borchardt". Guido Westerwelle genehmigte sich ein Gläschen Schampus, Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Boss Horst Seehofer einen Weißwein.
Dass die drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP am Sonntagabend Steak-Tartare orderten, sollte nicht zu Rückschlüssen über das vorangegangene Gespräch im Kanzleramt verleiten. Der Umgang daselbst war keineswegs roh - sagt zumindest Horst Seehofer an diesem Montag vor der Berliner Presse. Es sei ein sehr gutes, ergebnisoffenes Gespräch gewesen. Jetzt werde der "christlich-liberale Gemeinschaftsgeist gepflegt." Das wechselseitige Duzen habe "sehr entspannend" gewirkt.
Nächstes Treffen im Biergarten?
Das gemeinsame Abendessen kam laut Seehofer spontan zustande. In der Regierungszentrale gab es mal wieder nur Schnittchen. Da schlug der Guido dem Horst und der Angela ein Essen beim Italiener vor. Doch der lag zu weit weg. Also fuhr das Regierungs-Trio in einer Regierungslimousine ins Borchardt, wohin man vermutlich auch den Fotografen der "Bild" bestellt hatte. Koalitionshistorische Ereignisse müssen schließlich für die Wähler festgehalten werden. Die Rechnung gezahlt hat Westerwelle, schließlich hatte er in der Regierungslimousine auch vorne sitzen dürfen.
Und weil alles so harmonisch gelaufen war, soll der Regierungsgipfel künftig alle vier Wochen wiederholt werden. Seehofer schwärmt schon davon, dass sich diese politische Freundschaft zusätzlich beflügeln ließe, wenn eines der nächsten Treffen in München in einem Biergarten stattfände. Vielleicht sogar mit den jeweiligen Lebenspartnern.
Außer Spesen nix gewesen
Aber Moment: War da nicht auch heftiger Streit im Vorfeld? Mäkeleien an der Kanzlerin, harsche Konflikte über die Steuerreform, der ungelöste Fall Steinbach? Hatte Seehofer nicht selbst nach einem "Neustart" der Koalition verlangt? Am Tag danach sieht alles anders aus. Seehofer sagt, es habe ein Kommunikationsproblem der Parteimitglieder gegeben, "nicht der drei Parteivorsitzenden". Diese seien nun beendet und damit der Begriff "Neustart" gerechtfertigt. Die Zeiten, in denen CDU, CSU und FDP wechselseitig in Interviews übereinander herfallen, der eine einen zusätzlichen Vizekanzler fordert und der andere von falscher Auslegung des Koalitionsvertrages spricht, sollen vorbei sein. Seehofer: "Wir müssen lernen, dass wir auch mal das Wasser halten müssen."
Also außer Spesen nix gewesen? Laut Seehofer gibt es auch klare politische Botschaften. Deren Überschrift lautet: "Wenn man sagt, wir machen es, dann machen wir es!" Und darunter stehen drei Verabredungen. Erstens: Die Steuerstrukturreform kommt. Und zwar so, wie sie im Koalitionsvertrag steht. Zweitens: Von den versprochenen 24 Milliarden Euro Entlastung seien durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz bereits 4,6 Milliarden an die Steuerzahler geflossen. Jetzt seien noch 19,4 Milliarden nachzureichen. Drittens: Wann und wie das Geld fließt, werde im Mai entschieden, wenn die nächste Steuerschätzung vorliegt. Ob das schon zum Jahresanfang 2011 stattfindet oder ein Jahr später, ist bis dahin offen.
Koalitionsversprechen in der Jackentasche
Das ist (fast) alles. Denn was über Afghanistan geredet worden ist, will Seehofer nicht sagen. Den Fall der Vertriebenen-Funktionärin Erika Steinbach sollen die Fraktionsvorsitzenden lösen. An der Einhaltung der im Grundgesetz vorgeschriebenen Schuldenbremse wird fest gehalten. Der Bildungspakt, der eine Erhöhung der Ausgaben bis 2015 vorsieht, wird weiter verfolgt, seine Finanzierung im Sommer beschlossen. Über die Reform des Gesundheitssystems wird weiter nachgedacht. Genaueres erfuhr man nicht. Zu den derzeit heiß diskustierten Spenden von Hotelbesitzern an FDP und CSU sagt Seehofer: "Zu meiner Zeit als CSU-Vorsitzender ist keine Spende geflossen." Das stimmt - aber auch nur haarscharf. Die Spende des Hotelunternehmers Finck ging im September 2008 in der CSU-Kasse ein, nur einen Monat später wurde Seehofer Parteivorsitzender.
Wir machen es, beteuert Seehofer. "Wir haben Wort für Wort besprochen. Wir wollen Wort halten. Punkt!" Und damit ihm das auch jeder abnimmt, trägt der CSU-Mann jetzt einen Zettel in der Jackentasche mit sich. Darauf stehen die entsprechenden Zusagen aus dem Koalitionsvertrag. Die liest er derzeit gerne vor. Wort für Wort.