Luftschlag in Afghanistan Guttenberg bringt Jung weiter in Bedrängnis

Direkt angegriffen hat er ihn nicht, doch wie Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zum Luftschlag in Afghanistan Stellung nimmt, setzt seinen Amtsvorgänger Franz Josef Jung unter Druck. So sieht Guttenberg "grundsätzlichen Verbesserungsbedarf". Zudem will er die Vorgänge "umfassend bewertet sehen".

Zu den Vorgängen um den von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriff in Afghanistan wird aller Voraussicht nach ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Auch nach der Information durch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) über bislang unbekannte Berichte zu zivilen Opfern in einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses sprachen sich die Vertreter der drei Oppositionsfraktionen dafür aus. Guttenberg teilte am Freitag mit, es gebe neun Papiere, die ihm bei der Amtsübernahme nicht vorgelegen hätten. Er versicherte, er werde nach Durchsicht der Berichte zu einer Neubewertung seiner Einschätzung des Bombardements vom 4. September kommen, bat sich aber Zeit aus.

Abgeordnete von SPD und Grünen würdigten Guttenbergs Aufklärungsbemühungen. Union und FDP erklärten, sie würden sich einem Antrag für einen Untersuchungsausschuss nicht verschließen. Möglicherweise wird der Verteidigungsausschuss in ein solches Gremium umgewandelt. Guttenberg sagte, er habe - anders als sonst üblich - die Geheimberichte den Abgeordneten zukommen lassen.

Guttenberg beauftragte nach eigenen Angaben Staatssekretär Rüdiger Wolf mit einer internen Untersuchung der Vorgänge. "Ich will die Zeit umfassend bewertet sehen bezüglich der Kommunikations- und Informationsstränge", sagte er. Es gebe dort wohl grundsätzlichen Verbesserungsbedarf. Dennoch betonte er, er habe hohes Vertrauen in die militärische Spitze der Bundeswehr. Er baue auf wechselseitiges Vertrauen und Loyalität.

"Das muss Jung selbst entscheiden. Oder die Kanzlerin."

Die Entlassung des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und von Staatssekretär Peter Wichert begründete Guttenberg ausschließlich mit ihrem Verhalten ihm gegenüber. Wegen der mangelnden Information sei die Vertrauensbasis nicht mehr gegeben. Dennoch dankte er den Entlassenen nochmals für ihre langjährige Arbeit. Sie würden am 3. Dezember mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet, kündigte er an. Auf Fragen, wie er die Amtsführung seines Vorgängers Franz Josef Jung bewerte, wollte Guttenberg nicht Stellung nehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ erklären, sie stehe nach wie vor hinter dem politisch unter Druck geratenen Bundesminister. Das Vertrauen zu Jung bestehe "unverändert", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag in Berlin. Merkel erwarte aber, dass noch offene Fragen "rückhaltlos" aufgeklärt würden und Jung dabei "im Geiste der Transparenz" handeln werde.

Auch die Unionsfraktion bewertet die Amtsführung von Franz Josef Jung (CDU) als Verteidigungsminister zwar kritisch, hält ihn als Arbeitsminister aber für tragbar. Wäre er jetzt noch Verteidigungsminister, müsste Jung vermutlich die Entscheidung über seine politische Verantwortung treffen, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Ernst-Reinhard Beck (CDU). Als Arbeitsminister stelle sich diese Frage für ihn nicht, meinte Beck. Er sagte ferner auf die Frage, ob Jung zurücktreten müsse: "Das muss er selbst entscheiden. Oder die Kanzlerin."

Nur die unkritische Meldung kam angeblich an

Bereits am frühen Freitagmorgen war der Druck auf Jung durch einen weiteren Bericht der "Bild"-Zeitung nochmals gestiegen. Das Blatt berichtete am Freitag, Jung habe bei seiner Verteidigungsrede am Donnerstag aus einer Meldung zitiert, die auf dem selben Weg nach Deutschland gelangt sei wie der Rest der Meldungen, die auf zivile Opfer und mangelnde Aufklärung vor der Bombardierung hinwiesen. Die Zeitung fragt nun: "Kann es wirklich sein, dass nur diese eine Meldung Minister Jung erreichte - aber alle anderen (kritischen) Meldungen nicht...?"

Jung hatte am Donnerstag erneut versichert, er habe "die Öffentlichkeit und das Parlament korrekt über meinen Kenntnisstand" zum Luftangriff informiert. Den jetzt diskutierten Bericht der Feldjäger der Bundeswehr habe er zwar zur Weitergabe an die Nato freigegeben, konkrete Kenntnis davon habe er allerdings nicht gehabt.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Bei dem von einem deutschen Oberst angeordneten Bombardement waren am 4. September bis zu 142 Menschen bei Kundus getötet worden - darunter auch Zivilisten. Jung hatte zivile Opfer zunächst dementiert und auch in den Wochen danach niemals öffentlich eingestanden. Die Opposition fordert Jungs Rücktritt, weil er wichtige Informationen zurückgehalten habe. Im Zuge der Affäre mussten am Donnerstag bereits Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert ihren Hut nehmen.

Ausdrückliche Warnung vor einer Weitergabe

Auslöser der Turbulenzen für die erst vier Wochen amtierende schwarz-gelbe Koalition war ein Bericht der "Bild"-Zeitung. Danach wurden im Verteidigungsressort zum Ende von Jungs Amtszeit Informationen über zivile Opfer bei der Bombardierung unterschlagen. Am Freitag berichtete die "Bild", dass der Bericht der Feldjäger über den Luftschlag einen Vermerk mit der ausdrücklichen Warnung vor einer Weitergabe trage. Es drohten negative Folgen, sollte der Bericht ohne begleitende, fachliche Kommentierung in eine Untersuchung einfließen, zitiert das Blatt aus dem Feldjäger-Rapport.

DPA
DPA