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SPD wieder unter 30 Prozent The Artist formerly known as Superschulz

Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz
Der erste Hype ist verflogen: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz
© Kay Nietfeld/DPA
Umfragen sind die Pest. Vor allem für Politiker wenn es unbarmherzig in eine Richtung geht: Parterre. Es gibt keinen Zeitpunkt, an dem sich so ein virtueller Absturz leicht ertragen ließe. Es gibt nur schlechte Termine, sehr schlechte und – knapp vor Wahlen.

So gesehen hätte es Martin Schulz, The artist formerly known as Superschulz, nicht miserabler treffen können mit den neuerlichen Minus-Daten für sich und seine SPD. Am Sonntag wählen die Schleswig-Holsteiner einen neuen Landtag, in der Woche darauf die Nordrhein-Westfalen. In beiden Ländern müssen die sozialdemokratischen Regierungschefs um ihre Mehrheiten bangen. Würden sie abgewählt, träfe die Schuld mitnichten in ersten Linie Martin Schulz. Das würden Torsten Albig und Hannelore Kraft schon ganz prima alleine hinkriegen. Aber in der politischen Denkschule von Schub und Schubumkehr ist ein auf Normalmaß geschrumpfter Hoffnungsträger Schulz eben auch keine Hilfe – sondern eine Erfolgsbremse.

Käme es so, müsste der so furios gestartete Kandidat und neue SPD-Vorsitzende mit einer schweren Hypothek in den Bundestagswahlkampf gehen. Den ersten Dämpfer musste die hochgeschulzte SPD bereits im Saarland hinnehmen. Zwei weitere dürften die erfolgsentwöhnten Genossen wieder daran zweifeln lassen, ob das von Schulz avisierte, hoch gesteckte Ziel Kanzleramt im Herbst tatsächlich zu erreichen ist. Sie hatten ja gehofft, durch die drei Wahlen reichlich Rückenwind zu erhalten. Stattdessen droht die Brise nun von vorne.

"Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß"

Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Dummerweise gilt auch umgekehrt: Nichts zieht so herunter wie der Misserfolg. Wir zitieren da gerne den in seiner Schlichtheit astreinen Lehrsatz des Fußball-Philosophen Andreas Brehme: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß."

Mit Schulz habe die SPD den Verliererstempel auf der Stirn verloren, hat SPD-Generalsekretärin Katarina Barley kürzlich freudig verkündet. Verlierer mag keiner. Verlierer wählt keiner. Deshalb sind die nun wieder nach unten weisenden Umfragen für die Sozialdemokraten so gefährlich: Sie müssen aufpassen, dass sie nicht wieder als geborene Loser eingestuft werden.

Das alles ist, bittere Ironie, die Folge des Schulz-Hypes der ersten Wochen nach seiner überraschenden Ausrufung als Kandidat. Wer so schnell in den Umfragen nach oben schießt, muss damit rechnen, dass es auch mal wieder nach unten geht. Und noch ist die SPD, man darf darauf schon mal vorsichtig hinweisen, ziemlich weit von ihren desaströsen Werten der Vor-Schulz-Zeit entfernt. Sie ist auch weit entfernt von der Agonie, in die sie gefallen war. In normalen Zeiten könnte man die jüngste Umfrage-Delle deshalb ganz einfach abhaken und unter Realitätsanpassung nach einer temporären Überhitzung abbuchen. Es sind aber keine normalen Zeiten. Es sind vorentscheidende Tage für die Bundestagswahl.

Die Perspektive von Angela Merkel

Man kann das alles auch mal kurz aus der Perspektive von Angela Merkel betrachten. Die Kanzlerin ist eine kluge Frau. Warum sie (trotzdem?) nicht zur Sozialdemokratin taugt, hat sie nachdrücklich bewiesen: Sie hielt Sigmar Gabriel – im Gegensatz zu den Genossen – bis zuletzt für einen guten SPD-Vorsitzenden. Und für einen gefährlichen Herausforderer. Von Schulz und seinem kometengleichen Umfrage-Aufstieg war sie einigermaßen überrascht. Anders als viele ihrer Parteifreunde hühnerte sie allerdings nicht aufgeregt herum, sondern reagierte in Merkel-Manier und Abwartehaltung: Erst mal gucken, dann mal sehen…

Dazu muss man wissen, dass diese Frau ihre eigenen Erfahrungen mit Umfragen gemacht hat, positive wie negative. Merkel hat an Wahlabenden bereits einige Pferde vor den Parteizentralen reihern sehen. 2005 war ihr ein haushoher Sieg vorhergesagt worden; sie schaffte es mit knapper Not ins Kanzleramt. Acht Jahre später erlebte sie das Gegenteil: Fast die absolute Mehrheit der Mandate, womit sie nicht im Traum gerechnet hatte. Sie weiß also, wie unberechenbar die Wähler geworden sind. Dass Umfragen nur Momentaufnahmen sind. Wie fix die Stimmung sich wieder ändern kann, durch einen saftigen Skandal bei der Bundeswehr samt angezählter Verteidigungsministerin zum Beispiel. Dass man sich auf Umfragen deshalb bis zum Wahltag nicht verlassen sollte.

Was Martin Schulz daraus lernen kann? Ganz einfach: Gelassenheit. Umfragen sind manchmal die Pest. Erst Wahlniederlagen sind die Cholera dazu.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz

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