Dreimal feuerte Roland K. aus seinem Toyota. Eine Kugel traf einen 26-jährigen Mann aus Eritrea in den Bauch. Eine Notoperation im Krankenhaus rettete ihm das Leben. Wenig später war Roland K. tot, er erschoss sich selbst.
Der Anschlag im hessischen Wächtersbach sorgt weiter für Bestürzung. Am Abend versammelten sich in der Kleinstadt rund 400 Menschen zu einer Mahnwache, setzten ein Zeichen gegen rechte Gewalt.
Denn das ist es, was sich am Montag gegen 13 Uhr in dem Gewerbegebiet in Wächtersbach abspielte: ein versuchter Mordanschlag, nach bisherigem Ermittlungsstand aus rassistischen Beweggründen. "Wir gehen momentan ganz klar von einem fremdenfeindlichen Motiv aus", sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nach Auswertung der ersten Spuren. Das schwer verletzte Opfer sei "aufgrund seiner Hautfarbe" ausgewählt worden. Auch andere Hinweise aus der Durchsuchung der Wohnung des mutmaßlichen Täters erhärteten diese Vermutung.
Wer war Roland K., der Schütze von Wächtersbach?
Eine Frage von vielen, die die Ermittler nun beantworten müssen: Wer war Roland K., der den neuen rassistischen Gewaltausbruch zu verantworten hatte?
Roland K. war 55 Jahre alt, nach Medienberichten gelernter Metzger, inzwischen arbeitsloser Lastwagenfahrer. Er lebte offenbar allein in einer Doppelhaushälfte im Örtchen Biebergemünd, kaum zehn Autominuten vom Tatort entfernt. Vor zwei Jahren soll er dort hingezogen sein.
Und dorthin schwärmten nach der Tat auch die Reporter aus. Ein Anlaufpunkt: ein weiß getünchtes, zweistöckiges Haus mit kleinem Anbau. Die Kneipe "Zum Martinseck" im Biebergemünder Ortsteil Kassel soll die Stammkneipe von Roland K. gewesen sein. Fernsehbilder zeigen einen Deutschland-Schal an der Wand, Spielautomaten, es gibt Bier vom Fass, auch vormittags schon. Fast täglich sei Roland K. zum Frühschoppen gekommen, erzählte der Wirt der "Bild"-Zeitung, habe dort regelmäßig "über Ausländer geschimpft", äußerte Gewaltphantasien, drohte: "Wenn ich gehe, dann nehm‘ ich einen mit." Einer, damit waren offenbar die "Asyljungs" gemeint, über die sich Roland K. ereifert habe. "Er war ein Asylantenhasser", sagte einer der Gäste der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Nach Recherchen des Hessischen Rundfunks (HR) war K. auch kurz vor seiner Tat im "Martinseck", habe dort angekündigt, er knalle nun einen Flüchtling ab. Nach der Tat, zurück in der Kneipe, soll er bei zwei Weizen mit den Schüssen geprahlt haben. Anschließend soll er gegangen sein.
Niemand alarmierte die Polizei, weder vor noch nach den Schüssen. Man tat das Gerede stets als "Kneipengebabbel" ab. Das "Martinseck" ist offenbar kein Ort, an dem Roland K. für seine Worte Widerspruch erwarten musste. Auch der Wirt selbst ist rechtem Gedankengut offenbar näher, als er es vor der Kamera den Anschein machte. Auf seiner Facebookseite teilte er unter anderem Reichsbürger-Propaganda und NPD-Inhalte.
Hitradio FFH zitierte einen Nachbarn von K. mit den Worten, dass der 55-Jährige bei manchen Sprüchen "schon sehr, sehr rechtslastig" gewesen sei. "Er war da auf einer sehr stark deutschnationalen Richtung, das ist fremdenfeindlich gewesen." Ein anderer Anwohner erzählte dem HR: "Der Roland ist schon immer so ein Durchgeknallter gewesen." Die Nachbarschaft habe Abstand zu dem 55-Jährigen gehalten. Anderen fiel die Gesinnung vom Roland offenbar nicht auf. Springerstiefel, Bomberjacke, Hitlergruß – das habe es bei ihm nicht gegeben. "Der ist kein Rassist", hätten sich Nachbarn nach der Tat untereinander erzählt, berichtete eine Anwohnerin einer Reporterin der Nachrichtenagentur DPA.
Nicht weit vom "Martinseck" entfernt hat der Schützenverein Neudorf 61. e.V. seinen Sitz, K. war dort Mitglied, mehrfach Kreismeister, wie der Clubchef der "Welt" erzählte. Zuletzt sei K. jedoch kaum noch zum Training gekommen, sein Interesse am Vereinsleben habe nachgelassen. Als rassistisch sei der versierte Sportschütze nicht aufgefallen, alles ganz unauffällig. Aber: "Ein Waffennarr", das sei K. gewesen.
Bei der Durchsuchung des Autos und des Hauses des Schützen fanden Polizisten insgesamt fünf Waffen unterschiedlichen Kalibers. Auch Gewehre waren darunter – "alle legal beim Main-Kinzig-Kreis angemeldet", sagte der Bürgermeister von Biebergemünd. Eine weitere Pistole habe der 55-Jährige kürzlich verkauft, so die Ermittler. K. soll private Probleme und Geldsorgen gehabt haben.
Roland K. bisher nicht polizeibekannt
Für Polizei und Verfassungsschutz ist er ein bisher unbeschriebenes Blatt, die Tat entspricht dem Typus des Schläfers. Lange unauffällig, um wie aus heiterem Himmel zuzuschlagen. Oder gab es doch Warnsignale? Vor den hessischen Ermittlern liegt viel Arbeit. Sie müssen auch klären, ob und wie stark Roland K. möglicherweise in der rechtsextremen Szene vernetzt war. Bislang gebe es keine belastbaren Erkenntnisse, wonach er in entsprechende Strukturen eingebunden war, so die Staatsanwaltschaft in Frankfurt.
Beamte fanden in der Doppelhaushälfte von Roland K. einen Abschiedsbrief. "Es war deutlich zu erkennen, dass er mit seinem Leben abgeschlossen hatte", zitierte die "Bild" eine Polizistin. Und: "Wir können von Glück sagen, dass es keine weiteren Opfer gab!"
Das hessische Landeskriminalamt bittet weiter Zeugen der Tat vom Montag und andere Hinweisgeber, sich an hinweis@polizei-hinweise.de oder eine Polizeidienststelle zu wenden.
Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter (0800) 1110111 und (0800) 1110222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
Quellen: "Bild"-Zeitung, "Frankfurter Allgemeine Zeitung" I, Hessischer Rundfunk, Hitradio FFH, "Welt", "Bild"-Zeitung II, Hessisches Landeskriminalamt, Nachrichtenagentur DPA und AFP