Eine Schneise im Behördendschungel - für die Bürger soll im Umgang mit Ämtern bald vieles einfacher werden. Alle deutschen Behörden sind ab jetzt unter der zentralen Rufnummer 115 zu erreichen. Mindestens die Hälfte aller Bürgeranfragen sollen die Mitarbeiter direkt beantworten, in komplizierteren Fällen werden die Anrufer an Fachleute in den Ämtern weitergeleitet. Vorerst läuft die neue, kostenpflichtige Hotline (sieben Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz) als Modellversuch. Zu erreichen ist sie bislang in Berlin, Hamburg und Hessen, sowie in einigen Regionen von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Wenn alles klappt, soll die Nummer deutschlandweit freigeschaltet werden.
Formulare, Öffnungszeiten und Gebühren - dazu sollen die Anrufer unter 115 schnell und unkompliziert Auskunft bekommen. Erreichbar sind die Servicecenter montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr. Die "Odyssee durch die Amtsstuben" habe damit ein Ende, versprach Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Der CDU-Politiker startete die Aktion gestern mit einer Anfrage zur Abwrackprämie.
Doch wie gut ist der neue Service wirklich? stern.de macht den Test und konfrontiert die 115-Mitarbeiter mit einigen mehr oder weniger schweren Problemen.
Ein Hartz-IV-Empfänger will mit einem Job als Kioskverkäufer etwas dazuverdienen. Was muss er beachten?
Zuständig für solche Leistungen sei die Arbeitsagentur, sagt der Berater - und gibt eine Telefonnummer durch. Und wann ist da jemand zu erreichen? "Die Sprechzeiten sind mir nicht bekannt", sagt der Mann an der Hotline. Und fügt dann noch hinzu: "Die Arge ist eigentlich immer schwer zu erreichen." Immerhin spürt der Berater die Enttäuschung am anderen Ende der Leitung und bemüht sich um einen versöhnlichen Abschluss: "Drücke Ihnen die Daumen."
Ein Student will sich für das Alter absichern. Lohnt sich da die staatlich geförderte Riesterrente?
Nach etwa 20 Sekunden meldet sich ein freundlicher Mann. Ganz schwierig sei es, in Sachen Riesterrente Auskunft bei einer Behörde zu bekommen. Der Berater empfiehlt die Verbraucherzentrale, nennt Adresse und Telefonnummer - dort erhalte man alle nötigen Informationen, bestimmt. Aber für das Thema muss es doch eine zuständige Behörde geben? Sein EDV-System liefere dazu keine Auskunft, behauptet der Hotline-Berater. "Außerdem wüßte ich nicht, was ich da eingeben soll", sagt er dann. Nach einigen Nachfragen fällt ihm doch noch etwas ein: das Bezirksamt Hamburg Wandsbek berate in allen Belangen rund um Sozialversicherung und Altersvorsorge. Der Hotline-Mann will sofort weiterverbinden - Warteschleife, Warteschleife, Warteschleife - im Bezirksamt Hamburg Wandsbek nimmt niemand ab.
Am Wochenende geht der Ferienflieger nach London, aber der Personalausweis ist abgelaufen. Was tun?
"D 115 - Wir lieben Fragen" sagt eine Frauenstimme in der Warteschleife. Eineinhalb Minuten später meldet sich eine engagierte und gut informierte junge Dame. In derlei Fällen könne der Urlauber einen Express-Reisepass beantragen, sagt sie. Mitzubringen seien der alte Ausweis, ein aktuelles Passfoto und 59 Euro Bearbeitungsgebühr. Und wo? In jedem Einwohnermeldeamt. Aber wo genau, hier in der Nähe? Einige Augenblicke Stille - im Hintergrund nur das Geräusch von Fingern, die über eine Computertastatur huschen. Dann hat die Dame eine Adresse vom Bürgeramt mitsamt der nächsten U-Bahn-Station parat. "Möchten Sie auch die Öffnungszeiten wissen, mein Herr?" Aber gern.
Ein Fliesenleger befürchtet, dass im Zuge der Krise bald seine Stelle gestrichen wird. Bekommt er dann Hartz IV oder Arbeitslosengeld?
Die Frau bei der Hotline weiß spontan keine Antwort, aber die Agentur für Arbeit könne da sicher weiterhelfen. Gesprächszeiten der 0180er-Servicenummer täglich von 8 bis 13 Uhr und - für Berufstätige - donnerstags auch von 16 bis 18 Uhr. Danke, auf Wiederhören.
Eine junge Familie bekommt bald Nachwuchs und braucht für die vielen Windeln eine größere Mülltonne. Woher?
Zuständig sei da auf jeden Fall die örtliche Stadtreinigung, sagt die Beraterin. Sie kennt auch Telefonnummer und Öffnungszeiten. Aber was kostet die größere Mülltonne und wie lange dauert das mit der Lieferung? "Mehr kann ich Ihnen dazu leider nicht sagen, das müssen Sie mit der Stadtreinigung abklären."

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Ein Hausbesitzer möchte in seinem Garten eine Sauna bauen. Wo gibt es die Baugenehmigung, was kostet die und wie lange wird es dauern?
Die Beraterin fragt nach der Straße, in der das Haus liegt, und findet auf Anhieb das zuständige Bau- und Aufsichtsamt. Sie will direkt dahin durchstellen, doch nach einigen Augenblicken in der Warteschleife meldet sich die Beraterin zurück: Im Amt sei besetzt. Sie könne aber eine Email an den zuständigen Sachbearbeiter schreiben. "Dafür müssen wir vorübergehend Ihre persönlichen Daten speichern, sind Sie damit einverstanden?" Nein. Dann müsse man eben später noch einmal dort anrufen, sagt die Dame von der Behörden-Hotline und gibt die Telefonnummer des Ansprechpartners im Bauamt durch.
Das Fazit zur neuen Behörden-Hotline 115
Konkrete Antworten konnten die Berater im stern.de-Test kaum geben. Das Versprechen, mehr als die Hälfte der Fragen direkt zu beantworten, wird bislang nicht eingelöst. Dafür waren alle Mitarbeiter freundlich und geduldig - und kannten meist auch eine zuständige Stelle im deutschen Behördendschungel.